Sabine Barbisch

„Ich sehe mich als gestaltenden Handwerker“

Mai 2024

Ein Gespräch mit dem „Holzphilosophen“ Markus Faißt über gestaltende Handwerker und identitätsstiftendes Handwerk.

Beim Handwerk entsteht aus „nichts“ etwas zum Angreifen. Oder anders gesagt, eine Vision materialisiert sich. Eine hohe Kunst?
Für mich ist das keine Kunst, das ist Handwerk. In meinem Fall geht es um Holz, es ist ein raumgestaltendes und möbelbauendes Handwerk. Es zeichnet sich dadurch aus, dass wir, durch geerbte Langzeiterfahrungen und fortlaufende Lernprozesse eine Art riesige Vokabelkiste haben, aus der wir uns bedienen. Wir wiederholen, adaptieren und kombinieren Erfahrenes, Bewährtes und experimentieren maßvoll mit Neuem. 
 
Dabei entstehen einzigartige Handwerksstücke … 
Für mich besteht meisterliches Handwerk im gekonnten Balanceakt von vielfach Bewährtem, Wiederholtem und gezielter Einzigartigkeit. Ich sehe mich nicht als Künstler, sondern als gestaltenden Handwerker. Allein das gekonnte Kombinieren und neu Konfigurieren empfinde ich als Gestaltung. Ab und zu entwerfen wir auch, aber wir fallen nicht durch Entwürfe auf. Ich verkaufe keine Entwürfe, das ist für uns im gesamten Leistungsvolumen ein Minderheitsanteil, ähnlich einem kontinuierlich eingewobenen Faden. Ich bin kein Architekt, mein Standbein ist das Handwerk im engeren Sinne. Und dann gibt es noch ein Spielbein – das der Gestaltung. Aber Kunst nenne ich es nicht.
 
Wie identitätsstiftend ist das Handwerk für eine Region wie Vorarlberg? 
Nüchtern betrachtet sind die Kennzahlen, mit denen zumindest die wirtschaftliche Welt heute vermessen wird, der Umsatz, der Gewinn, der Exportanteil. Bei all diesen Zahlen sind wir als Handwerk eine marginale Größe, das können wir nicht schönreden. Aber die Bedeutung, die das Handwerk in Vorarlberg – und in einer verdichteten Form im Bregenzerwald – für das große Ganze hat, ist sehr erheblich. Und eben mit diesen klassischen Parametern nur in Teilen zu messen. Die Frage lautet: Was kann ich, was gestalte ich, worin sehe ich mich zuhause, zugehörig und beheimatet? Wenn das eine überzeugende Handschrift für einen Raum, für einen Ort, für ein Stück Welt hat, ist das mit rein ökonomischen Kennzahlen allein nicht messbar. Es ist etwas Größeres!
 
Inwiefern etwas Größeres? 
Ich glaube, der Beitrag, sich hier wohlzufühlen, sich als Teil des Ganzen zu sehen, sich vital zu erleben und zu entfalten, am Schönen Freude zu haben, sich dadurch in einer unübersichtlichen Welt zu orientieren, das ist richtige Größe. Dafür ist der Beitrag des Handwerks ein großer. 
 
Folglich wäre eine Welt ohne Handwerk für Sie undenkbar? 
Ohne diese Praxis aus einer langen Geschichte kommend, aber auch ziemlich frisch und überzeugend, ins Heute herein interpretiert, möchte ich mir dieses Stück Welt nicht denken. Ich glaube, das wäre eine bedrohliche Verarmung, viel Boden unter den Füßen wäre weggezogen und vieles wäre am Implodieren. Ich hoffe, dass das Handwerk den Weg gut weitergeht, ohne es stolz auf einen Thron zu setzen oder in eine Vitrine zu verfrachten. Nicht stressig, nicht beliebig, nicht flüchtigen Trends nacheifernd und nachstolpernd, sondern mit einem guten Maß an Wachheit und Gelassenheit, auch wissend, wer wir sind und wo wir herkommen, was unser Fundament ist, aber immer auch kritisch bewertend. Kurzum: eigen und ständig und eigen und willig, den Weg gut weitergehen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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