Christoph Jenny

Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: © Dietmar Walser)

Von der „Landesgrünzone“ zur „Landesbedarfszone“

Juli 2024

Im Jahr 1977 wurde durch Verordnungen eine Fläche von rund 136 Quadratkilometern als sogenannte Landesgrünzone gesichert. Deren Bedeutung ist unbestritten, für eine leistungsfähige Landwirtschaft, für die Sicherung von Naherholungsgebieten, für die Erhaltung eines funktionsfähigen Naturhaushalts und des Landschaftsbildes sowie letztlich durch ihre Überschneidung mit der Blauzone auch für den Hochwasserschutz. Doch trotz ihrer vielleicht missverständlichen Benennung war sie zu keinem Zeitpunkt als reines Naturschutzinstrument konzipiert. Und sie wurde schon gar nicht als Tabu-Zone definiert, in die unter keinen Umständen eingegriffen werden darf. 
Vielmehr war sie von Beginn an – so ist es auch im damaligen Regierungsantrag formuliert – zur Verwendung bei künftigem Bedarf an Bauflächen vorgesehen. Explizit für größere Industrieanlagen oder sonstige größere Anlagen, für die innerhalb der Siedlungsbereiche keine geeigneten Flächen vorhanden sind.
Raumplanung hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert und damit auch der Flächenbedarf aufgrund des Bevölkerungs- und Wirtschaftszuwachses. Nutzungskonflikte nehmen zu, es braucht dringend eine strategische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Firmen, von denen sich viele bereits vor dem Entstehen der Landesgrünzone erfolgreich etabliert haben, in Zukunft in ihrer Weiterentwicklung einzuschränken, ist ein falscher Ansatz.
Kurzum, eine Neuausrichtung der Landesgrünzone ist längst überfällig. Wir sollten auch wegkommen von der Diskussion um Grenzen der Landesgrünzone hin zur Definition von Funktionsflächen, das heißt, wir sollten künftig von Landesbedarfsflächen sprechen. Diese Flächen gilt es zu definieren und nach funktioneller Eignung einzuteilen, und zwar neben den erwähnten Nutzungsmöglichkeiten auch für Bauland oder Betriebsgebiete. So könnten auf zur Bebauung prädestinierten Grundstücken in verkehrstechnisch günstiger Lage Betriebsgebiete entstehen, die niemandem schaden, sondern sogar den innerorts vermehrt zum Problem werdenden Verkehr eindämmen. 
Es gilt, die Balance zwischen den standorttreuen Vorarlberger Betrieben und der Natur zu finden, aber um zu begreifen, was Vorarlberg für die Zukunft braucht, ist eben auch ein gegenseitiges Verstehen der jeweiligen Anliegen notwendig. Kommende Generationen werden auf eine Landesbedarfszone, in einem gewissen Maße zurückgreifen müssen, damit sich der Standort Vorarlberg weiterhin dynamisch entwickeln kann; aber natürlich immer mit Maß und Ziel. Das hat die Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen. Daher möchte ich eine Zahl nochmals in Erinnerung rufen: Seit ihrem Bestehen hat sich die „Landesgrünzone“ um nur 0,65 Prozent verringert. Und dies trotz der immensen Entwicklung, die Vorarlberg in diesen Jahrzehnten gemacht hat! Um die Anforderungen der Zukunft bewältigen zu können, muss es nun erlaubt sein, die „Landesgrünzone“ als Bedarfszone neu zu denken.

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