Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Andere Länder, gute Reformen

Februar 2016

Die Denkfabrik Agenda Austria suchte in anderen Staaten nach gelungenen Reformen – und wurde fündig. In ihrer aktuellen Publikation „Das beste Konjunkturprogramm heißt Zuversicht“ listet die Denkfabrik positive Beispiele auf, mit dem leicht sarkastischen Nachsatz: „Eine kleine Auswahl, aus der sich die Bundesregierung gerne bedienen darf.“ Übrigens: Seit 1945 war der österreichische Bundeshaushalt ganze vier Mal im Plus – zuletzt 1962.

Das für 2016 prognostizierte Wirtschaftswachstum reicht bei weitem nicht aus, um die Arbeitslosigkeit einzudämmen, warnt die Denkfabrik Agenda Austria in einer aktuellen Publikation. Zwar soll Österreichs Wirtschaft gemäß den Erwartungen der EU-Kommission heuer zwischen 1,5 und 1,7 Prozent wachsen. Aber selbst wenn diese Prognose erfüllt würde, bräuchte Österreich ein reales Wachstum von annähernd drei Prozent, „damit die Arbeitslosigkeit nicht weiter steigt“. Die Lösung? Liegt für die Denkfabrik in Reformen. Unter dem Motto „Zuversicht ist das beste Konjunkturprogramm“ nahm die Agenda Austria deswegen Staaten unter die Lupe, die an der Spitze der Wachstumstabelle liegen – und listet in einer aktuellen Publikation positive Beispiele auf, samt der Aufforderung an die Bundesregierung, sich aus diesem Fundus doch bitte zu bedienen.

Schweden und die Pensionen

In den staatlichen Pensionskassen Österreichs klafft eine Lücke von zehn Milliarden Euro – pro Jahr. Die gesamten Einnahmen aus den Unternehmenssteuern reichen nicht mehr aus, um die Löcher im staatlichen Pensionssystem zu stopfen. Die zehn Milliarden fehlen, weil die Lebenserwartung der Bürger seit Einführung des ASVG-Systems erfreulicherweise um 20 Jahre gestiegen, der Rentenantritt allerdings im selben Zeitraum um drei Jahre gesunken ist. Lösung? „Die Arbeitszeit an die höhere Lebenserwartung anpassen.“ Dazu brauche es „einen Arbeitsmarkt für Ältere – mit flacheren Lohnkurven und niedrigeren Sozialabgaben – sowie einen flexibleren Rentenantritt wie in Schweden: Wer vor 65 in Pension geht, muss mit hohen Abschlägen rechnen, wer länger arbeitet, freut sich über eine höhere Rente.“ Das wiederum führt zu einer stark steigenden Beschäftigung Älterer: Während in Schweden 73 Prozent aller 55- bis 64-Jährigen beschäftigt sind, liegt dieser Wert in Österreich bei 43,1 Prozent.

Deutschland und die Schulden

Seit 1945 war der österreichische Bundeshaushalt 65 Mal im Minus und vier Mal im Plus, zuletzt 1962. „Seit mehr als fünf Jahrzehnten geben Österreichs Regierungen also verlässlich mehr aus, als sie einnehmen.“ Mit dieser immerwährenden Schuldenpolitik tappe Österreich in die Zinsfalle, die Regierenden würden den Staat weiter in die Abhängigkeit der Finanzmärkte treiben. Was tun, um diese Abhängigkeit zu beenden und dafür zu sorgen, dass zumindest in konjunkturell guten Jahren Überschüsse anfallen? Laut der Denkfabrik braucht das Land eine Schuldenbremse im Verfassungsrang: „Deutschland hat damit seinen Haushalt saniert, der seit dem abgelaufenen Jahr wieder ausgeglichen bilanziert. Bestens bewährt hat sich die Schuldenbremse auch in der Schweiz, die in den vergangenen sechs Krisenjahren ausnahmslos Überschüsse abgeworfen und damit Schulden zurückgezahlt hat.“

Die Niederlande und die Schulen

In Österreich kann jeder vierte 15-Jährige nicht sinnerfassend lesen. Für diese Jugendlichen ist die Zukunft vorbei, bevor sie begonnen hat. „Das staatliche Schulsystem ist zur unsozialen Zweiklassengesellschaft geworden“, lautet die bittere Diagnose, „das muss sich ändern.“ Aber wie? Mit mehr Wettbewerb und Autonomie im Schulwesen, ganz nach dem Vorbild der Niederlande: Lehrer bewerben sich dort direkt bei den Direktoren. Damit wird sichergestellt, dass die besten Lehrkräfte unterrichten und sich Schulen von den schlechteren wieder trennen können. Kinder aus sozial schwächeren Haushalten werden gezielt gefördert, für Schulen in schwieriger Umgebung gibt es mehr Geld, für gute Lehrkräfte ebenfalls. Das führt zu mehr Wettbewerb, der staatliche Schulen besser macht, Schülern die besten Lehrer bringt und auch Kindern aus benachteiligten Haushalten Chancen ermöglicht.

Die Schweiz und der Föderalismus

Die bevölkerungsmäßig in etwa gleich große Schweiz ist mit 26 Kantonen, 48 Bezirken und 2352 Gemeinden noch kleinteiliger organisiert als Österreich (9 Länder, 80 Bezirke, 2100 Kommunen), aber dennoch um ein Drittel günstiger verwaltet. Warum? In der Schweiz müssen die föderalen Einheiten ihre Ausgaben zu einem beträchtlichen Teil über Steuern selbst eintreiben, was zu „einem sorgsamen Umgang mit Steuergeld, schlanken Verwaltungen und umworbenen Bürgern“ führe. Österreichs Regierung habe mit dem neu zu verhandelnden Finanzausgleich „die große Chance, dieses eidgenössische System schrittweise zu importieren und Ländern und Gemeinden mehr steuerliche Eigenverantwortung einzuräumen“. Derzeit nehmen in Österreich die föderalen Einheiten gerade einmal fünf Prozent ihrer jährlichen Ausgaben selbst ein – 95 Prozent überweist der Bund. „Eine Einladung, das (nicht vorhandene) Geld mit beiden Händen auszugeben“, warnt die Denkfabrik.

Neuseeland und die gestrichenen Subventionen

Als Neuseeland in den frühen 1980er-Jahren vor dem finanziellen Ruin stand, griff die frisch ins Amt gewählte Labour-Regierung zu vergleichsweise unorthodoxen Maßnahmen: Die Subventionen an die Wirtschaft wurden gekürzt, jene an die Landwirtschaft gestrichen. Das damit frei gewordene Geld floss in einen Strukturfonds, mit dessen Mitteln die plötzlich arbeitslos gewordenen Bürger für neue Jobs qualifiziert wurden. Diese Jobs tragen sich mittlerweile ganz ohne Subventionen – und die neuseeländische Landwirtschaft gilt als eine der produktivsten weltweit. „Österreich müsste weitergehen“, fordert die Agenda: „In einem ersten Schritt sollten über eine Transparenzdatenbank alle Förderungen offengelegt werden. In einem weiteren Schritt wären doppelt ausgezahlte Unterstützungen zu streichen und das Förderniveau insgesamt zu halbieren.“

Anpacken sei ansteckend, heißt es in der Publikation: „Geht die Regierung endlich eine der längst fälligen Reformen an, werden Konsumenten und Investoren ihre Zurückhaltung aufgeben.“ Es gibt weitere konkrete Forderungen. Erstens: „Die Gewerbeordnung gründlich durchforsten, das Arbeitsrecht im Dienstleistungssektor dem in der Produktion angleichen, die Ladenöffnungszeiten freigeben.“ Zweitens: „Die kalte Progression abschaffen, die Sozialversicherungsbeiträge senken, die Familienförderung nicht über die Löhne, sondern aus dem Budget finanzieren.“ Drittens: „Die vorzeitige Abschreibung wiederbeleben und privaten Investoren eine 10-Jahres-Garantie gleich bleibender Steuern geben.“ Und viertens: „Die Investitions­obergrenze für Fonds in Risikounternehmen abschaffen, Business Angels einen Steuerabsetzbetrag gewähren, den Einstieg von Kapitalgebern steuerlich begünstigen und dafür staatliche Garantien und Direktförderungen streichen.“ Ob die Politik die Publikation liest?

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