Christoph Jenny

Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: © Dietmar Walser)

Braucht es immer gleich einen Rechtsanspruch?

Juli 2019

Gut, es ist das Spiel der freien Kräfte. Weniger gut sind die Auswirkungen der Parlamentsbeschlüsse für unsere Unternehmen, wenn es nun um rechtliche Ansprüche für eine volle Anrechnung der Karenzzeiten, den Papamonat oder etwa um die Freistellung und Entgeltfortzahlung für Einsätze von Mitarbeitern für Blaulichtorganisationen geht.

Schnell wird derzeit der Ruf nach Rechtsansprüchen laut. Ein Gesetz muss her, das „deren“ Ansprüche sichert, für den Arbeitnehmer, gegen den Arbeitgeber. Für, gegen, rechtlich abgesichert! Warum überhaupt? Warum diese große Eingriffs­intensität in Bereiche, die bis dato funktionieren? Diejenigen, die sich nach dem Schutz des Gesetzes sehnen, vergessen dabei eines. Rechtsansprüche erschüttern die Vertrauens- und Verhandlungsbasis in den Betrieben, widersprechen einem guten Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeitern und haben immer den bitteren Beigeschmack des Gegeneinanders. Nehmen wir das Thema Karenzzeiten her. Dieser Antrag bringt nicht nur eine massive Belastung für die Wirtschaft, sondern ist ein Schlag gegen die Kollektivvertragspartner: Vor nicht einmal neun Monaten hat der Nationalrat in einem Entschließungsantrag die KV-Partner aufgefordert, Karenzzeiten von bis zu 24 Monaten für KV-Ansprüche anzurechnen. Die KV-Partner haben das fast lückenlos umgesetzt. Die Wirtschaft bekennt sich zur Förderung von Eltern und Familien. Die neue Regelung ist kein Ausdruck von Verlässlichkeit. Auch der Papamonat ist ein populistischer Schnellschuss: Es gibt genug Instrumente für Väter, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Die Förderung von Familien ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, das nicht allein den Unternehmen aufgebürdet werden darf.

Für den Papamonat gibt es daher keine Notwendigkeit für einen Rechtsanspruch, weil die derzeitigen Möglichkeiten – Vereinbarung einer Freistellung zwischen Arbeitnehmer und Dienstgeber mit Familienzeitbonus – ausreichen. Bislang ist kein Fall bekannt, in dem ein Dienstgeber eine vom Arbeitnehmer gewünschte Freistellung im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes nicht ermöglicht hätte. Unausgegoren sind auch Freistellung und Entgeltfortzahlung für Einsätze von Mitarbeitern für Blaulichtorganisationen. Die Praxis und das Ehrenamt funktionieren gut, es besteht kein Bedarf, das Thema Katastropheneinsätze durch Arbeitsrecht in die Betriebssphäre hineinzutragen.
Vielfach braucht es also diesen Anspruch auf eine gesetzliche Regelung gar nicht. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wissen in jeder Situation, was das Beste für den jeweils anderen ist. Die Zusammenarbeit in den Betrieben, zwischen Chef und Mitarbeiter, baut auf gegenseitiges Verständnis, auf Einvernehmlichkeit, auf gegenseitigen Respekt. Das macht unser Land so erfolgreich. Verlassen wir uns doch vielmehr auf diese Expertise, anstatt das Rechtswesen permanent um Hilfe zu bitten und eine weitere gesetzliche Regulierung einzufordern, die dazu führt, dass vieles nicht mehr so funktioniert wie bisher.

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