Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Eine unpopuläre Reformliste

April 2015

Finanzminister Schelling bat einen Expertenrat, sich mit Österreichs Zukunft zu beschäftigten. Herausgekommen sind polarisierende Forderungen, etwa nach einer „maßvollen“ Erbschaftssteuer, einer höheren Grundsteuer und einem höheren Pensionsalter. Schelling „schmecken nicht alle Vorschläge“.

Finanzminister Hans Jörg Schelling hatte elf renommierte Wissenschaftler – unter anderem den Genetiker Markus Hengstschläger und den frühere Gerhard-Schröder-Berater Bert Rürup – gebeten, sich mit Österreichs Zukunft zu beschäftigen, sprich konkrete Vorschläge zu formulieren. Ende April präsentierten die Wissenschaftler nun ihr Papier namens „Österreich 2020“. Erkenntnis? Schelling hatte den Experten „freie Hand“ gelassen, entsprechend formuliert sind die Empfehlungen der Wissenschaftler.

Budgetkonsolidierung

So schreiben die Experten, dass eine „wachstumsfreundliche Budgetkonsolidierung“ in erster Linie durch einen Abbau der Neuverschuldung erfolgen müsse. Mit dem Rasenmäher dürfe nicht gekürzt werden, um mögliche Wachstumseffekte zukunftsorientierter Ausgaben nicht zu bremsen: „Einsparungen sollen nicht dort erfolgen, wo es politisch leicht umsetzbar ist, sondern dort, wo es möglichst wachstumsverträglich und effizienzfördernd ist.“ Die Experten fordern auch eine Umschichtung von Haushaltsmitteln in zukunftsrelevante Bereiche. Überdimensioniert sei in Österreich etwa der Bereich Straßen- und Tunnelbau, Schwerpunkte müssten vielmehr in den Bereichen Forschung, Bildung und Universitäten gesetzt werden. Auch im Bereich Familienförderung seien die eingesetzten Mittel zu hoch, heißt es in dem Papier; drei der insgesamt neun Mil­liarden Euro müssten zu Sachleistungen umgeschichtet werden, etwa zu vorschulischer Kinderbetreuung.

Steuersystem

Der heikelste Punkt im Papier. Im internationalen Wettbewerb werde Österreich ohne signifikante Strukturänderungen zum Steuerverlierer, warnen die Experten: „Es gilt, das Abgabensystem wachstums- und beschäftigungsverträglicher, ökologischer und einfacher zu machen.“ Die Wissenschaftler erheben dabei allerdings unpopuläre Forderungen – unter anderem nach einer „deutlichen“ Anhebung der Grundsteuer, nach „Einführung einer maßvollen Erbschaftssteuer für hohe Erbschaften“ und nach einer Abschaffung der steuerlichen Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehalts. Weitere Forderung: „Beseitigung der reduzierten Mehrwertsteuersätze und im Gegenzug die Erhöhung direkter Transferzahlungen an Bedürftige.“

Arbeitsmarkt

Auch in diesem Bereich lässt der Expertenrat aufhorchen – die Mitglieder fordern etwa  „die rasche Anhebung des frühen gesetzlichen und vor allem des tatsächlichen Pensionsantrittsalters“ auf 67 Jahre bis 2030. Zudem sollten existierende Regeln, die den Zuzug hoch qualifizierter Arbeitskräfte behindern, liberalisiert und Anreizsysteme für ein freiwilliges längeres Verweilen im Arbeitsmarkt, etwa ein Bonussystem nach Überschreiten der gesetzlichen Pensionsgrenzen, geschaffen werden. Auch in Sachen Bildung fällt das Urteil des Gremiums hart aus: „Im Bildungsbereich sind die Ausgaben hoch, die Ergebnisse jedoch nur mittelmäßig.“ 6000 Schulversuche österreichweit seien Zeugnis einer verfahrenen und bürokratisch rigiden Kultur. Empfohlen wird deshalb unter anderem eine Dezentralisierung der Schulverantwortung an die einzelnen Schulen – „eine Verländerung bedeutet das allerdings nicht“.

Bleibt eine Frage: Was passiert nun mit den Forderungen der Experten? Schelling sagte, er werde in der Regierung eine mögliche Umsetzung besprechen, fügte aber auch an: „Mir schmecken nicht alle Vorschläge.“

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