Geht es um Ungleichheit, geht es um Geld
Ungleichheit ist ein Thema, das von den meisten Parteien und ihren Politikern gerne aufgegriffen wird. Das ist verständlich, denn es ist viel einfacher, Umverteilungen für die der eigenen Partei nahestehenden Interessengruppen und möglicherweise deren Wähler zu fordern, als Vorschläge zur Hebung des Wohlstands für alle zu entwickeln. Zudem kann „Ungleichheit“ als Konzept sehr breit und fast beliebig gefasst werden, was es politischen Entscheidungsträgern erleichtert, ihre jeweilige bevorzugte Politik zu vermarkten. So wird die Ungleichheit als Thema gezielt politisch bewirtschaftet und am Ende geht es im Grunde nur ums Geld.
Arm und reich über die Zeit
Ungleichheit bedingt, dass es reiche und arme Bürger gibt. Doch wer ist arm und wer ist reich? Die Antwort ist weder klar noch einfach und ändert sich je nach zeitlicher und räumlicher Perspektive.
Damit Julius Caesar in der Nacht ein Buch beziehungsweise eine Schriftrolle lesen und dabei eine Arie hören konnte, hätte es zur damaligen Zeit hunderte von Arbeitern oder Sklaven gebraucht, die Fackeln hielten und sangen. Selbst jemand wie Caesar hätte aufgrund der enorm hohen Kosten nach wenigen Lese- und Gesangsnächten von diesem „Luxus“ Abstand nehmen müssen. Hingegen ist es heutzutage für auch arme Mitbürger in Europa kein Problem, nachts ein Buch zu lesen und dabei eine Arie zu hören. Caesar stand bezüglich nützlicher Besitztümer und Möglichkeiten in vielem, was zählt, hinter einem heutigen durchschnittlichen Bürger in Europa zurück – beispielsweise auch im Zugang zu effektiver Gesundheitsversorgung. Natürlich war Caesar aus Sicht seiner damaligen Zeitgenossen reich, weil er deutlich mehr hatte als der durchschnittliche Römer. Doch das Beispiel verdeutlicht, wie wesentlich es ist, Ungleichheit immer auf einen bestimmten Zeitpunkt zu beziehen.
Wir sind heute reicher, und unser Leben ist in aller Regel besser als das Leben eines vor über 2000 Jahren lebenden reichen Römers oder eines vor 800 Jahren lebenden Feudalherrn des Mittelalters. Auch heute leben eher ärmere Menschen in Österreich in der Regel deutlich besser als wohlhabende Österreicher der 1950er Jahre. So gesehen, ist gute Politik, die Wohlfahrt schafft, über die Zeit viel bedeutender als Umverteilungspolitik, die Ungleichheit nur zu einem bestimmten Zeitpunkt reduziert.
Räumliche Aspekte der Ungleichheit
Ungleichheit muss sich immer auf Unterschiede innerhalb einer bestimmten Gruppe von Menschen beziehen. Diese Gruppe wird dabei oft auf ein bestimmtes geografisches Gebiet bezogen. Ändert sich das Gebiet, ändert sich die gemessene Ungleichheit.
Betrachten wir die gesamte Europäische Union, so gehört der Durchschnittsösterreicher zu den wohlhabenderen Europäern. Wer also ernsthaft weniger Ungleichheit fordert und sich dabei auf die Europäische Union bezieht, müsste dementsprechend verlangen, dass die meisten Österreicher deutlich stärker besteuert werden und viel Geld an Bürger in Rumänien und Bulgarien umverteilt wird. Doch natürlich fordert dies aus gutem Grund kein österreichischer Politiker. Stattdessen fordern sie Umverteilung in Österreich, denn dort sind ihre Interessengruppen und Wähler. Aber auch innerhalb eines Landes entspricht der Umverteilungsdiskurs eher einer Sonntagsrede: Umverteilungsforderungen hören sich vielleicht für manche schön an, doch sind sie weltfremd. Am Ende geht es in aller Regel nicht um eine Reduktion der Ungleichheit, sondern einfach um die Umverteilung von Geld zugunsten der eigenen Interessengruppen, was hin und wieder die gemessene Ungleichheit senkt, oft aber auch nicht. So ist die Ungleichheit der Einkommen in Österreich in den vergangenen 20 Jahren trotz vieler Umverteilungsforderungen nach Daten der Weltbank nahezu unverändert.
Welche Ungleichheit ist gemeint?
Da es ihnen vor allem um Geld geht, beziehen sich viele politische Entscheidungsträger bei Ungleichheitsfragen auf Einkommens- oder Vermögensungleichheit. Geschlechterungleichheiten, altersspezifische Ungleichheiten, Bildungsungleichheiten oder Ungleichheiten im Zugang zu öffentlichen Leistungen interessieren hingegen nur bedingt. Das ist verständlich, denn diese Arten von Ungleichheiten eignen sich kaum für Umverteilungspolitik – man kann einen Alten ja nicht mehr jung machen. Doch könnte man beispielsweise durch eine effiziente Gesundheitspolitik die Alten gesünder, und damit auf eine gewisse Art wieder jünger machen. Nur bräuchte es dazu gute Politikvorschläge und nicht nur eine Umverteilung von Geld.
Selbst bei der Einkommensungleichheit kann es komplex werden. Denn es ist ein Unterschied, ob man die Ungleichheit vor Umverteilung, also vor Steuern, oder nach Umverteilung, also nach Steuern, betrachtet. Vor der Corona-Krise war die Einkommensungleichheit vor Steuern in Österreich und Deutschland gemäß Daten der OECD nur geringfügig kleiner als in den Vereinigten Staaten. Nach Steuern jedoch wiesen Österreich und Deutschland etwa die gleiche Ungleichheit auf, während in den USA weniger umverteilt wird und die Einkommensungleichheit daher höher bleibt. Ob nun die höhere Umverteilung hierzulande mehr Wohlfahrt für die Bürger bringt, wird selten hinterfragt.
Negative Anreizwirkungen
Klar ist, dass große Umverteilungsströme auf der Geber- und Empfängerseite starke Anreize zur Verfälschung der Einkommenssituation schaffen. Für Wohlhabende ist es sinnvoll, sich ärmer darzustellen, als sie tatsächlich sind, und sogar weniger Einkommen zu erwirtschaften, als es ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Für Empfänger von Umverteilungsströmen macht es ebenfalls oft Sinn, weniger zu arbeiten und sich ärmer darzustellen, als sie tatsächlich sind. Zugleich ziehen große Umverteilungsströme auf politischer Seite immer auch Missbrauch und Verschwendung an.
Statt um Umverteilung sollte es daher eher um die Schaffung von Chancengleichheit gehen. Chancengleichheit erlaubt es allen Bürgern, sich selbst zu verwirklichen und damit Mehrwert zu schaffen. Mehrwert schaffen bedeutet, dass alle über die Zeit wohlhabender werden. Derzeit droht die Umverteilungspolitik jedoch, vielen ihre Chancen zu verbauen.
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