Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Golf für „kleine Leute“

November 2022

Der folgende Artikel im schweizerischen „Nebelspalter“, einer der ältesten satirischen Zeitschriften Europas, der 1956 erschienen ist, hat wohl damals in Vorarlberg niemanden interessiert, da er das Verhältnis vom klassischen Golfsport zum Minigolf humoristisch aufs Korn nimmt. Denn zu dieser Zeit gab es im ländlichen Vorarlberg noch weit und breit weder Golf- noch Minigolfplätze: „Im Gegensatz zu ,großen Leute‘, die golfen, spielen ,kleine Leute‘ Halma, ,Mensch ärgere Dich nicht‘, Domino oder Fußball mit ihren Kindern. Man sieht also – Menschen, die nicht Könige, Präsidenten, Bankdirektoren, Generäle, Filmstars oder Waffenschieber sind, spielen – sogar wenn sie spielen – eine untergeordnete Rolle.“ Darum sei eben Minigolf erfunden worden, „ein Golf für Menschen wie Du und Ich und Frau Maier nebenan, eines bei dem man keine goldene Golfuhr, keinen Schlägerträger, keinen Park in England braucht.“
Aber nur wenige Jahre später erlebte Minigolf in Vorarlberg einen regelrechten Boom, der auch in der Fotosammlung der Vorarlberger Landesbibliothek seinen Niederschlag findet. Zahlreiche Anlagen von damals, die sogar auf Postkarten abgebildet wurden, existieren allerdings nicht mehr, so etwa der Minigolfplatz beim Gasthaus Gams in Bezau oder jener im Zentrum von Wolfurt.
Die Grundlage für das Aufkommen von Minigolf war eine Idee des Schweizer Gartenarchitekten Paul Bongni, der seit 1950 an der Idee einer neuen Sportart experimentierte. Es gab zwar in den USA und England schon vor dem Zweiten Weltkrieg Vorläufer, bei denen sogenanntes Klein-Golf gespielt wurde, wobei sich – völlig individuell gestaltet – den Spielern Märchenfiguren, Miniatur-Windmühlen oder Ähnliches als Hindernisse auf dem Weg zum Loch in den Weg stellten. 1953 schlug dann die Geburtsstunde des heutigen Minigolf: Bongni meldete in der Schweiz ein Patent an, bei dem im Detail die Sportart und die dazugehörigen Anlagen beschrieben werden. Seinen Regeln folgend wurde 1954 in Ascona am Lago Maggiore der erste Minigolfplatz der Welt in Betrieb genommen. Die Spiel­idee ähnelt dem klassischen Golfspiel, wo der Ball mit einem Schläger vom Abschlag über eine bestimmte Entfernung in ein Loch geschlagen werden muss, was beim Minigolf durch Hindernisse aus Beton und Natursteinen erschwert wird. Die Anlagen bestehen aus 18 Bahnen, die jeweils zwölf Meter lang und 1,25 Meter breit sind. Mit dem Patent und der daraus resultierenden Normierung wurde garantiert, dass Spieler auf verschiedenen Spielstätten nahezu identische Verhältnisse vorfinden und daher auch Wettkämpfe möglich werden. Für die rasche Ausbreitung der neuen Sportart wurde schon damals ins Treffen geführt, dass die Raumnot in Kontinental­europa, besonders in bekannten Kurorten, den Bau von Golfplätzen fast verunmögliche, hingegen das neue Spiel, das irgendwo zwischen Billard und Golf anzusiedeln sei, begünstige.
Der neue Sport fand rasend schnell Anhänger und viele neue Anlagen entstanden. 1954 waren es 18, zunächst fast alle in der südlichen Schweiz, aber bis 1962 schon über 120 in ganz Europa. Parallel dazu entwickelte sich einem deutschen Patent folgend „Miniaturgolf“, bei dem die Hindernisse nicht mehr aus Beton gefertigt werden mussten und im Prinzip beweglich waren.
Der Siegeszug von Minigolf machte auch vor Vorarlberg nicht halt. Schruns war die erste Gemeinde, die auf den neuen Trend aufsprang, und so wurde im Sommer 1957 fast im Dorfzentrum – ausgestattet mit einer Lizenz des Schweizer Erfinders – in mehrmonatiger Bauzeit der erste 18-Loch Minigolfplatz Österreichs errichtet. Auf 3200 Quadratmetern entstand eine „leicht erreichbare, dem Verkehrslärm entrückte Anlage mit einem Rundblick auf Rätikon und Verwall“. Ziegelrote Spielbahnen und graue Plattenwege kombiniert mit grünem Rasen, Sträuchern und Blumen sowie Ruhebänke erzeugten das Ambiente eines Kurparks. Der Minigolfplatz entstand auf private Initiative eines Hoteliers, gleichzeitig Gesellschafter der Hochjochbahn, der damit „in das sportliche und gesellige Leben der Schrunser eine neue Note“ einbringen wollte. In der ersten Woche des Betriebes öffnete der Platz bereits um 7 Uhr früh und bleib bei festlicher Beleuchtung bis Mitternacht geöffnet. In Schruns etablierte sich Minigolf nicht nur als Vergnügen für Gäste, sondern auch als erstzunehmende Sportart. So gründete sich 1961 der UMSC (Union Minigolf Sportclub Schruns) als erster Minigolfclub Österreichs und machte die Gemeinde zu einer Hochburg der neuen Sportart. 1963 wurde dort die erste österreichische Staatsmeisterschaft und 1969 die 11. Europameisterschaft ausgetragen, bei der immerhin 152 Sportler:innen aus fünf europäischen Staaten teilnahmen. 
Das Flair der 1960er-Jahre wird in den Fotos des Pressefotografen Oskar Spang besonders sichtbar, als er 1969 von der österreichischen Meisterschaft im Minigolf in Hörbranz berichtete. Mit seinen Fotos belieferte er auch die „Vorarlberger Nachrichten“, die schon im Vorfeld über die internationale Veranstaltung berichteten: „Da sämtliche österreichischen Spitzenspieler erwartet werden, darf mit einem spannenden Verlauf dieser großen Veranstaltung gerechnet werden. Schließlich traten 70 Teilnehmer an, und erstmals wurde auch eine Juniorenwertung ausgetragen. Die Hörbranzer Herren schlugen sich ausgezeichnet und belegten knapp hinter Graz den hervorragenden 2. Platz. Zum Abschluss der Veranstaltung wurde am Abend im Gasthof Krone unter Mitwirkung des Musikvereins Hörbranz gefeiert.“ 
Um mit dem „Nebelspalter“, in der Schweiz auch liebevoll „Nebi“ genannt, zu enden, hat der neue Sport auch eine durchaus erotische Komponente, was anhand der Fotos aus Hörbranz allerdings weder widerlegt noch bewiesen werden kann, waren doch offensichtlich sowohl Hosen als auch Röcke als Spielbekleidung der weiblichen Teilnehmerinnen üblich: „Abgesehen davon, daß sich die mitwirkenden Damen bei diesem Spiel ziemlich tief bücken müssen und man in den Genuß von weiblichen Reizen kommt, die sonst nur auf dem Umweg über das Standesamt erreichbar sind, ist es schön die verschiedenen Temperamente bei der Arbeit zu sehen.“

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