Peter Bussjäger

Peter Bussjäger (*4. Mai 1963 in Bludenz) ist Verfassungs- und Verwaltungsjurist. Bußjäger war zehn Jahre Direktor des Vorarlberger Landtags. Der Bludenzer ist Professor an der Universität Innsbruck, Direktor des Instituts für Föderalismus und Forschungsbeauftragter des Liechtenstein-Instituts sowie Mitglied des Liechtensteinischen Staatsgerichtshofs. 

(Foto: © Heinz Stanger)

Kompetenzen bestimmen wirtschaftlichen Erfolg

Februar 2016

In der Diskussion über die optimale Kompetenzverteilung in Österreich werden häufig die falschen Fragen gestellt, wie zum Beispiel „Benötigt Österreich neun verschiedene Bauordnungen?“ oder „Brauchen wir neun verschiedene Jugendgesetze?“ Wenn man das in politischen Sonntagsreden gerne bemühte Wort „Subsidiarität“ ernst nehmen würde, müsste man dagegen fragen: Welche Probleme löst Zentralisierung und was wird dadurch besser?

Für die Zukunft des Landes Vorarlberg viel interessanter scheint mir aber die Fragestellung: Welche Kompetenzen benötigen Regionen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein? Bemerkenswerterweise gab es dazu bisher aus der Ökonomie so gut wie keine verwertbaren Ergebnisse. Das renommierte Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Basel Economics hat im Auftrag des Instituts für Föderalismus nun eine Studie zu dieser Frage vorgelegt. Schon 2009 hat das Institut in einer umfangreichen Untersuchung („Durch Subsidiarität zum Erfolg“) nachgewiesen, dass dezentral organisierte Regionen erfolgreicher sind als zentral organisierte. 

Auf der Basis der damaligen Erhebung wurde nun versucht, im direkten Vergleich von fünf besonders erfolgreichen, aber höchst unterschiedlich strukturierten Regionen Europas, nämlich Baden-Württemberg, Aargau, Tirol, Friaul-Julisch Venetien (Italien) und Katalonien (Spanien) einen optimalen Kompetenzmix zu entwickeln. Der Grad der Dezentralisierung hat einen signifikant positiven Einfluss sowohl auf das BIP pro Kopf als auch das BIP-Wachstum. BAK Basel zufolge deutet vieles darauf hin, dass die Kompetenzen, selbstständig Entscheidungen zu treffen, einen positiven Einfluss auf den Wohlstand einer Region haben, nicht aber die Kompetenzen (oder Pflichten), die Entscheidungen von jemand anderem umzusetzen. Mit anderen Worten: Wenn das Land Vorarlberg, wie viele Zentralisten das wünschen, zu einer besseren Bezirkshauptmannschaft abgewertet würde, hätte dies signifikant negative ökonomische Folgen für uns. 

Natürlich gibt es auch Gründe, die für zentralisierte Lösungen sprechen: Erstens, wenn hohe Skalenerträge bei hohen Fixkosten und abnehmenden Grenzkosten realisiert werden können. Das ist bei der Grundlagenforschung der Fall, weil hier die Bündelung von Finanzen und Personal wesentlicher Erfolgsfaktor ist, während die angewandte Forschung deutlich bessere Ergebnisse in einer dezentralen Organisation erbringt. Der zweite Grund, eine zentrale Organisation vorzuziehen, sind Infrastrukturen mit überregionalen Auswirkungen. Hier kommen die Leistungen auch Menschen in anderen Regionen zugute; Beispiele dafür sind Flughäfen und Eisenbahnen.

Das Ergebnis der Studie bestätigt, dass folgende Bereiche im Zusammenhang mit der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität wichtig sind und zu einem wesentlichen Teil die regionale Wachstumsperformance erklären können:

  • Wissen und Innovation (Ausbildungsinfrastruktur, F&E-Ausgaben usw.)
  • Verkehrsinfrastruktur (Erreichbarkeit)
  • Steuerbelastung von Unternehmen und qualifizierten
  • Arbeitskräften
  • Lebensqualität (kulturelle Angebote, Naherholungsgebiete) 
  • Regulierung (Arbeitsmarkt, Gütermarkt, Branchen)

Auf den ersten drei Gebieten schneiden die österreichischen Länder im internationalen Vergleich besonders schwach ab. Die politische Handlungsempfehlung müsste daher lauten, den Ländern dringend Steuerautonomie, mehr Kompetenzen bei Entscheidung und Umsetzung von Mobilitätsinfrastrukturen und mehr Kompetenzen in der regionalen Bildungsverantwortung zu übertragen.

Leider geht die politische Entwicklung in die völlig entgegengesetzte Richtung: Die Einführung einer Steuerautonomie der Länder ist mehr oder weniger abgesagt. Der nächste Finanzausgleich wird wohl nichts anderes als das Fortschreiben des Status quo bedeuten. Was noch viel schlimmer ist: Bei der Bildungsreform droht die totale Zentralisierung. Was dies für unser Land bedeutet, werden wir zwar nicht sofort, aber nach einigen Jahren und mit totaler Härte spüren. Ob es dann eine Modellregion Vorarlberg gibt oder nicht, wird dann schon egal sein, denn wir werden sowieso nur die Direktiven des Bundes ausführen können.

Die Studie gelangt daher zum ernüchternden Fazit, „dass in Österreich die Voraussetzungen für ein stark dezentralisiertes politisches System durchaus gegeben sind (verfassungsrechtlicher Föderalismus), die Organisation des Systems aber sehr zentral umgesetzt wird. Die Bundesländer sind zwar verfassungsrechtlich abgesichert, verfügen über eigene Parlamente und Regierungen und sind zumindest theoretisch in der nationalen Gesetzgebung vertreten. Sie verfügen aber in der Praxis nur über wenige Kompetenzen und finanzielle Mittel. Dementsprechend ist es für die Länder nur in begrenztem Rahmen möglich, eine eigenständige Standortpolitik umzusetzen.“ Viel mehr gibt es dazu leider nicht zu sagen. Dass die Bundespolitik alles unternimmt, den verbleibenden Gestaltungsspielraum der Länder noch weiter auszuhöhlen, bis der Föderalismus nur noch eine Fassade ist, ist schlimm genug. Noch schlimmer ist, dass wir, wie die Studie von BAK Basel zeigt, diese Bestrebungen, wenn man sie nicht umkehrt, mit einem Wohlstandsverlust bezahlen werden.

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