Manfred Hämmerle

Direktor der BHAK und BHAS Bregenz und seit 30 Jahren in der Ausbildung für Lehr­personen, unter anderem an der WU Wien, tätig

Schulqualität Was wir von Unternehmen lernen können

Dezember 2021
Das Ziel ist unumstritten, wir wollen alle eine hohe Qualität unserer Schulen. Der Weg dahin wird heftig und seit Langem diskutiert. Auch die Frage, anhand welcher Kriterien die Qualität und letztlich der Erfolg gemessen werden, ist umstritten. Dies daher, weil einerseits unterschiedliche Indikatoren diskutiert werden. Andererseits ist die jeweilige Gewichtung je nach persönlichen Vorstellungen unterschiedlich groß. Deshalb ist zu erwarten, dass verschiedene Auditoren zu unterschiedlichen Ergebnissen kämen, müssten sie die Qualität bzw. den Erfolg einer Schule bewerten. Können wir bei dieser Frage von Unternehmen lernen? Auch ihnen ist die Qualität ein Anliegen. Es gab tatsächlich schon Versuche, Methoden des Qualitätsmanagements direkt auf die Schule zu übertragen. Man muss allerdings kritisch anmerken, dass eine „eins-zu-eins“ Übernahme zum Scheitern verurteilt ist. Ich erinnere mich an ein Bild, das der damalige Leiter des Pädagogischen Institutes des Bundes in Vorarlberg, Kurt Tschegg, zur Übernahme von „ISO 9000“ ins Schulsystem gezeigt hat. Es sind ein sehr schön gestaltetes Segelschiff und eine Flasche zu sehen. Darunter ist zu lesen: „Jetzt müssen wir nur noch das Schiff in die Flasche bringen.“ Die Prozesse in der Schule sind anders, wohl komplexer. Die Ergebnisse, wie oben angemerkt, nicht so eindeutig zu messen beziehungsweise darzustellen. Die Schwierigkeit der Übernahme sollte uns aber nicht davon abhalten, einen „Blick über den Tellerrand“ zu werfen.
  • Viele Unternehmen messen ihren Erfolg und damit die Qualität der Prozesse an standardisierten Kennzahlen (Key Performance Indicators).
  • Wenige dieser Kennzahlen geben einen schnellen Überblick.
  • Diese Kennzahlen decken unterschiedliche Bereiche ab, die den nachhaltigen Erfolg sicherstellen sollen.
  • Manche Unternehmen stellen die Zahlen in einer „Balanced Scorecard“ dar.
Die Konzentration auf einige wenige Kennzahlen als „must haves“ würde die Vergleichbarkeit, zumindest gleicher oder ähnlicher Schultypen, erleichtern und eine Orientierung an Mindestkriterien bringen. Rolf Dubs zeigt in einem Büchlein zum „Qualitätsmanagement für Schulen“ ein Modell, das einen einseitigen Blick ausschließt.
Es sollte nicht der Fehler gemacht werden, bei der Bewertung der Qualität einer Schule den Blick zu sehr auf „Input“-Faktoren zu werfen. Anders formuliert: Ein neues Schulgebäude ist zwar schön anzusehen, garantiert aber noch keine Schulqualität. Viel deutlicher drücken beispielsweise die Behaltequote oder der Lernfortschritt aus, ob an einer Schule gute Arbeit geleistet wird. Dabei zeigen viele wissenschaftliche Untersuchungen, dass der Lernprozess dann erfolgreich ist, wenn auch weniger vorgeförderte Lernende auf ein bestimmtes Niveau gebracht werden. Gut vorgeförderte und zu Hause unterstützte Lernende erzielen auch bei einem schlechten Unterricht gute Lernfortschritte. Es ist zu beachten, dass dieser Fortschritt unterschiedliche Ursachen haben kann und über eine längere Zeit beobachtet werden muss, um aussagekräftige Schlüsse ziehen zu können. Einheitliche Standards – wie beispielsweise die „Zentralmatura“ – erleichtern den Vergleich. Es ist allerdings genau aus dem oben genannten Grund davor zu warnen, nur die Ergebnisse zu vergleichen und nicht den Prozess (Value added-Ansatz). 
Die Behaltequote bzw. die Fluktuation kann sowohl bei den Lernenden als auch bei den Lehrenden ein Maßstab sein. Gute Schulen zeichnen sich dadurch aus, dass eine gute Atmosphäre in der Schule herrscht. Das Kollegium bemüht sich, Lernende zu unterstützen, die Lehrziele zu erreichen. Gute Lehrkräfte bleiben lieber an einer Schule, an der klare Standards und gemeinsame Ziele definiert sind. Diese Zahlen werden ergänzt durch Feedback sowohl der Lernenden als auch der Lehrenden.
John Hattie betont die Bedeutung von Feedback Lernender. Ein gut gemachter und standardisierter Fragebogen, sowohl für Lernende als auch für Lehrende, könnte die Ist-Situation als auch die Zukunftsfähigkeit messen. Der Fragebogen müsste die allseits anerkannten Kriterien für gute Schulen (Atmosphäre, definierte Leistungserwartungen, Kooperation im Lehrkörper, gemeinsame Grundüberzeugungen) enthalten. Aus den Ergebnissen der Umfrage können ein Stärken-Schwächen Profil entwickelt und Maßnahmen überlegt werden. Um einen schnellen Überblick zu gewinnen, können die Einzelergebnisse zu einem Gesamtergebnis verdichtet werden. Ein zentraler Vorteil einer solchen Betrachtung ist, dass die Schule als Gesamtes bewertet wird. Um ein abgerundetes Ergebnis zu erhalten, wäre eine Befragung von Absolventen:innen nach fünf bis zehn Jahren eine schöne Ergänzung, weil dort die Wirkung der Schule miteinfließen könnte. All diese Befragungen müssten qualitative Elemente enthalten, die Hinweise zu schwer messbaren, aber wichtigen Parametern, wie beispielsweise die Erhöhung der sozialen Kompetenz, geben. Meine Erfahrung zeigt, dass die Konzentration auf einzelne, aber zentrale Kriterien der Schulqualität Ausgangspunkt für eine gute Diskussion und konkrete Maßnahmen sein kann. Breite Analysen erhöhen die Gefahr, sich in einem „Datenfriedhof“ zu verlieren.
Als Betroffener hat man manches Mal das Gefühl, dass Externe Schulqualität an einzelnen Faktoren, wie beispielsweise die Einführung eines Freifaches, einer Verästelung eines Themas auf ganz tiefe Aspekte dieses Themas oder eines neuen Schulzweiges als Qualitätskriterien festmachen. Dieses „nice to have“ klingt zwar verlockend, betrifft sehr oft nur einen Teil der interessierten Schüler:innen. Selbstverständlich sind solche Ergänzungen wichtig für besonders Interessierte. Aber sie sind kein Zeichen für die gesamte Schulqualität. Manches Mal hat man auch das Gefühl, dass eher Absichten, denn konkrete Ergebnisse zur Bewertung einer Schule herangezogen werden. Da können wir durchaus von modernen und erfolgreichen Unternehmen lernen, die ihre Qualität in erster Linie an konkreten Zahlen und Erfolgsindikatoren messen.

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