Christoph Jenny

Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: © Dietmar Walser)

Vier-Tage-Woche: Knackpunkt ist Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn

März 2023

Die Möglichkeit, die wöchentliche Normalarbeitszeit auf vier Tage einer Woche aufzuteilen, gibt es im Arbeitszeitgesetz bereits seit etwa 20 Jahren. Für einzelne Unternehmen kann dies ein Ansatz sein, um ihre Attraktivität als Dienstgeber zu erhöhen. Letztendlich liegt die Entscheidung immer beim einzelnen Unternehmen, das die Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden am besten kennt. Unsere Wirtschaft stellt sich keineswegs gegen Trends oder Wünsche der Mitarbeiter. Aus diesem Grund arbeiten die Österreicher heute im Schnitt um zwei Stunden pro Woche weniger als vor Covid und drei Stunden weniger als vor zehn Jahren.
Aber leider geht es bei der aktuellen Diskussion nicht um die Wünsche der Einzelnen, sondern um einen Arbeitszeitmaßstab, nach dem sich alle richten sollen: Die einen träumen von staatlich subventionierter Vier-Tage-Woche, die anderen von genereller Arbeitszeitverkürzung, immer bei vollem Lohn, versteht sich. Das ist aus meiner Sicht der Knackpunkt.
Im Endeffekt geht es darum, dass genug gearbeitet und geleistet wird, um den Sozialstaat zu erhalten. Die demographische Entwicklung lässt eine Reduktion der Arbeitszeit gar nicht zu, vielmehr wird dadurch der Arbeitskräftemangel verstärkt werden.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann das - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des aktuellen Arbeitskräftemangels und der ohnedies vergleichsweise hohen Arbeitskosten - aber wohl nicht die richtige Richtung sein. Es geht (auch) um die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Die aktuell Pauschalwünsche der Gewerkschaft auf die gesamte Wirtschaft überzustülpen sind realitätsfremd. Wir sehen auch keine Notwendigkeit in Vorarlberg, einen Modellversuch für eine Vier-Tage-Woche zu starten.
Dazu kommt noch die Verkürzung der Lebensarbeitszeit, wir gehen bekanntlich früher in Pension als in den 70er-Jahren. Und schließlich werden die Menschen im Erwerbsalter immer weniger, die Menschen im Pensionsalter immer mehr. Weniger Arbeitszeit, weniger Erwerbsjahre, weniger Erwerbstätige, aber dafür mehr Sozialstaat. Das kann auf Dauer nicht funktionieren.
Wenn wir Sozialstaat und Wohlstand erhalten wollen, sollten wir deren Basis – Wirtschaft und Beschäftigung – nicht schwächen, sondern stärken: Etwa durch den Ausbau der Kinderbetreuung, damit Eltern arbeiten können, durch die steuerliche Entlastung von Arbeit, damit diese attraktiver wird, oder durch einen späteren Pensionsantritt.

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