
Wenn sich die Politik in Planwirtschaft übt
Das umstrittene Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer ist vorerst vom Tisch – und damit auch der Versuch der Politik, Probleme des Arbeitsmarkts auf die Unternehmerschaft abzuwälzen.
Man kann der Steuerreform ja auch positive Aspekte abgewinnen – etwa jenen, dass das zuvor diskutierte Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer von der Bundesregierung nun doch nicht beschlossen worden ist, allen Ankündigungen von Sozialminister Rudolf Hundstorfer zum Trotz. Dabei war im Regierungsprogramm noch festgehalten worden, dass ab 2016 eine Quote für Betriebe ab 25 Mitarbeiter festgelegt und selbige Quote „nach dem Branchendurchschnitt getrennt nach Geschlecht“ berechnet werden soll. Wer die Quote verfehlt, hätte nach diesem Modell zahlen sollen. Auf gut deutsch: Die Politik hätte die Anzahl an älteren Mitarbeitern für die einzelnen Firmen festgelegt, nicht der Unternehmer selbst. Dass dieses Modell nun vom Tisch ist – die Regierung hat die Causa an die Sozialpartner delegiert – stößt auch auf Zustimmung. „Wir begrüßen, dass die Regierung auf ein überaus bürokratisches und diskriminierendes Quotenmodell verzichtet hat“, teilte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl nach Bekanntwerden der Entscheidung mit. Kritik kam dagegen von den roten Pensionistenvertretern, namentlich von Karl Blecha. Am Bonus-Malus-System für Unternehmen führe kein Weg vorbei, sagte der Präsident des Pensionistenverbandes. Und AMS-Chef Anton Strini sagt: „Je schneller das käme, desto besser.“
„Stellen nicht nach Quote ein“
In der Unternehmerschaft ist man da selbstredend anderer Meinung. Als das Modell Ende 2014 zuletzt vehement diskutiert worden war, hatten Vorarlberger Unternehmer klar Position dagegen bezogen – aus verschiedenen Gründen. Er sei grundsätzlich gegen weitere bürokratische Regeln, weil diese einfach nicht mehr verkraftbar seien, stellte etwa Dieter Gruber, der Vorstandsvorsitzende der Rondo Ganahl AG, in „Thema Vorarlberg“ fest. Christine Schwarz-Fuchs, die Geschäftsführerin der Buchdruckerei Lustenau, sagte: „Wir stellen Mitarbeiter nach Qualifikation ein, nicht um Quoten zu erfüllen.“ Und im Übrigen hätten Unternehmer gegenüber allen Altersklassen, nicht nur Älteren gegenüber, eine gesellschaftliche Verantwortung. Einen „Schwachsinn“ nennt Erich Lingenhöle, Hauptgesellschafter von Lingenhöle Technologies, das ganze Konstrukt. Wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise in Frühpension gehe, könne doch der Unternehmer nichts dafür. Maßgeblich stößt sich Lingenhöle aber auch an dem Umstand, dass das Bonus-Malus-System keinen Eingriff in kollektivvertragliche Regelungen und damit in das Senioritätsprinzip zugelassen hätte. „Wir wollen kein Gegeneinander“, sagt Lingenhöle, „wir brauchen ältere Mitarbeiter und wissen auch um deren Verdienste.“ Unternehmen seien an guten Lösungen interessiert, „nur stimmen in Österreich die Rahmenbedingungen in vielerlei Hinsicht nicht, beispielsweise im Pensionssystem“. Und Hubert Rhomberg, der Geschäftsführer der Rhomberg-Holding, hatte erklärt, dass prinzipiell alles gut sei, was helfe, ältere Menschen in Arbeit zu bringen und dort zu halten, „allerdings greifen isolierte Maßnahmen zu kurz“.
Eine falsche Grundüberlegung
Außerdem hätte ein Modell, das den Arbeitgeber bestraft hätte, nur weil seine Mitarbeiter laut Quote das falsche Alter haben, die Stimmung in der Wirtschaft gewiss verschlechtert. Ist es beispielsweise zu rechtfertigen, dass man ein junges Unternehmen mit einer noch jungen Mitarbeiterstruktur zwingt, einen älteren Arbeitnehmer einzustellen? Ist es zu rechtfertigen, dass ein Unternehmen zahlen muss, wenn ein älterer Arbeitnehmer von sich aus kündigt und das Unternehmen dann nicht mehr die entsprechende Quote aufweisen kann? Arbeitsplätze schafft man, indem man Beschäftigung fördert. Mit Strafen schafft man keine Arbeitsplätze. Abgesehen davon müssen Personalentscheidungen den Unternehmern vorbehalten bleiben. Eine Umkehrung dieses Prinzips wäre Planwirtschaft. Und würde noch dazu den Forderungen nach weiteren Quoten Tür und Tor öffnen – etwa nach einer Mindestanzahl von Jugendlichen im Unternehmen, von Frauen oder von gering Qualifizierten. Die Absicht, sich mit einer Quote den gewünschten Erfolg quasi herbeizustrafen, kann gesellschaftspolitische Versäumnisse nicht wettmachen. Es wäre auch ein billiger Weg der Politik, Probleme am Arbeitsmarkt auf die Unternehmerschaft abzuwälzen.
Teuer, aber gut
Leitl nennt das Bild, wonach die Arbeitslosigkeit unter den Älteren besonders hoch sei, im Übrigen falsch: „Im Vergleich zu vor zehn Jahren hat sich die Arbeitsmarktlage der Älteren sehr verbessert.“ Was ist in Vorarlberg Sache? 2821 Personen über 50 Jahre waren mit Ende Februar beim AMS als arbeitslos vorgemerkt, weitere 192 in Schulungen untergebracht, in aller Regel in Bewerbungstrainings. Bei der Vermittlung setzt das AMS laut Anton Strini in erster Linie auf Lohnkostenzuschüsse für Unternehmer – dieses Förderprogramm gilt allerdings nur für über 50-Jährige, die bereits länger als sechs Monate erfolglos auf Stellensuche sind. Dieses System ist gut, weil gerecht, können damit doch neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden: Stellt ein Unternehmer einen älteren Arbeitnehmer an, bekommt der Arbeitgeber drei Monate lang einen Zuschuss – in schwierig vermittelbaren Fällen kann dieser Zuschuss bis zu zwei Drittel der Lohn- und Lohnnebenkosten und damit bis zu 100 Prozent des Bruttolohns betragen. 2014 wurden auf diese Weise 549 ältere Arbeitslose in neue Beschäftigungsverhältnisse gebracht, mit insgesamt 4,9 Millionen Euro an Eingliederungsbeihilfen im Rahmen des Beschäftigungsprogramms „50 plus“. Dieses System ist teuer, keine Frage. Aber es ist ein gutes, geht der Nutzen doch weit über besagte drei Monate hinaus: „80 Prozent“, sagt AMS-Chef Anton Strini, „bleiben in den Unternehmen.“ 2016 hätte dieses System auslaufen sollen – zugunsten des Bonus-Malus-Systems. In einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung hieß es zuletzt recht süffisant, die Steuerreform habe den Verdacht bestätigt, dass „die Regierung zu den dringend nötigen Strukturreformen in Österreich weder willens noch fähig ist“. In diesem, aber wohl nur in diesem Fall der Quotenregelung war die mangelnde Reformkraft der Bundesregierung aber tatsächlich auch einmal zu etwas nütze.
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