Angelika Schwarz

* 1975 in Feldkirch, ist Journalistin, studierte Germanistin und Anglistin, langjährige ORF-Redakteurin und -Moderatorin (Radio und Fernsehen). Angelika Schwarz arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Landeskrankenhäuser Vorarlberg.

Blutmahlzeit mit Folgen

Juni 2021

Zecken können nach nur einer einzigen Mahlzeit viele Monate ohne einen weiteren Tropfen Blut überleben und damit Temperaturen unter sechs Grad Celsius einfach abwarten. Mit den ersten milden Tagen ist der Verdauungsschlaf allerdings zu Ende, die Blutsauger lauern wieder im hohen Gras, in Sträuchern und im Unterholz. Hierzulande ist es vor allem der „Gemeine Holzbock“ aus der Familie der Schildzecke, der mit seinem scherenartigen Mundwerkzeug zwickt, sticht und saugt und mit seinem Speichel Viren und Bakterien übertragen kann. Die von Zecken übertragene Viruserkrankung Frühsommer-Meningoenzephalitis tritt in Vorarlberg nach wie vor eher selten auf, elf bestätigte Fälle waren es im Vorjahr. Gegen FSME gibt es einen Impfstoff. Für die weit häufigere Infektionskrankheit, die Borreliose, gilt das nicht: „Diese wird von spiralförmigen Bakterien, den Borrelien, verursacht“, erklärt OA Dr. Richard Stockinger vom Institut für Pathologie und Mikrobiologie am Landeskrankenhaus Feldkirch. Und dagegen kann man nicht impfen.

Hauptsaison von Juni bis August

 „Die Borrelien fühlen sich vor allem in den Körpern von Kleinnagern und Vögeln wohl. Hat sich eine Zecke von einem befallenen Tier ernährt, können sich die Bakterien auch im Darm des Blutsaugers ansiedeln“, erklärt der Mediziner. Sticht die Zecke dann einen Menschen, wandern die Bakterien in ihre Speicheldrüsen und werden weitergegeben. Da die Wanderung der Borrelien aus dem Darm in die Speicheldrüsen Zeit braucht, kann eine frühzeitige Entfernung der Zecke die Übertragung verhindern: Wird die Zecke innerhalb der ersten zwölf bis 24 Stunden entfernt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Borrelien-Infektion sehr gering.
Insgesamt ist das Infektionsrisiko stark von der Witterung abhängig. Die meisten Krankheitsfälle in Vorarlberg werden von Juni bis August gemeldet. Die Gefahr, von Zecken befallen zu werden, besteht vor allem bei Kontakt mit bodennahen Pflanzen - etwa Gras, Kraut und Sträuchern. Schützen kann Kleidung, die viel Körperoberfläche bedeckt: lange Hosen, langärmelige Shirts und feste Schuhe. 

„Nach einem Aufenthalt im Freien sollte der Körper sorgfältig nach Zecken abgesucht werden – Insbesondere bei Kindern können sie auch am Kopf sitzen.“

Dr. Richard Stockinger

Von Wanderröte bis Entzündungen im Nervensystem 

Ist einmal eine Übertragung mit Borrelien passiert, führen die wenigsten Infektionen zu Krankheitssymptomen: „Nach dem Stich einer mit Borrelien infizierten Zecke kommt es in rund 20 Prozent der Fälle zu einer Reaktion auf das Bakterium mit Bildung von Antikörpern“, erklärt Richard Stockinger: „Allerdings zeigen nur zwei Prozent der Infizierten Symptome.“ Daher wissen viele Betroffene gar nicht, dass sie Kontakt mit Borrelien hatten. Der Anteil der Bevölkerung mit einem Antikörpernachweis ist relativ hoch: „Wir wissen, dass bei rund zehn Prozent der Blutspender Antikörper nachweisbar sind, 30 Prozent sind es bei den Waldarbeitern und bis zu 70 Prozent bei Jägern. In den meisten Fällen haben diese Menschen Antikörper, ohne dass jemals Krankheitssymptome aufgetreten sind. Das bleibt für den Großteil auch ohne Folgen.“ 
Generell unterscheiden die Fachleute zwischen frühen und späten Formen der Erkrankung. In der Frühphase machen sich meist Symptome wie Müdigkeit, Kopf- und Nackenschmerzen, Muskel- und Gelenksschmerzen sowie Lymphknotenschwellungen und Fieber bemerkbar. „Das häufigste Erkrankungsbild in der frühen Phase ist die sogenannte Wanderröte, eine kreisförmige Rötung der Haut, die mindestens fünf Zentimeter Durchmesser erreicht und erst drei bis 30 Tage nach dem Zeckenstich auftritt.“ Bei über 85 Prozent der Patientinnen und Patienten bleibt das die einzige nach außen hin sichtbare Krankheitserscheinung. 
Später, in den ersten Wochen bis Monaten der Erkrankung, kann sich eine „Neuroborreliose“ entwickeln, eine Entzündung im Bereich des Nervensystems. Dabei kann es zu einer schmerzhaften Beteiligung der Nervenwurzeln im Bereich des Rückens bzw. des Rückenmarks kommen. Die vor allem nächtlich auftretenden Schmerzen strahlen in verschiedene Körperbereiche, insbesondere Arme und Beine aus. „Außerdem“, ergänzt OA Dr. Joachim Blocher, Neurologe am LKH Feldkirch, „können die Hirnnerven betroffen sein. Das zeigt sich etwa mit einer Gesichtsnervlähmung“. Zusätzlich kommt es regelmäßig auch zu einer Reizung der Hirnhäute, was mit starken Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit einhergeht. 

Symptome unbedingt abklären

„Diese Symptome gehören ärztlich abgeklärt“, betonen die Mediziner. Erste Ansprechpersonen sind Ärztinnen und Ärzte im niedergelassenen Bereich, die dann im Ernstfall an die Spitäler überweisen. Bleibt eine symptomatische Erkrankung unbehandelt, können sich späte Formen der Borreliose entwickeln. Die können dann Gelenke, Haut und Herz betreffen. „Bei entsprechender Therapie sind aber auch diese Erkrankungen gut behandelbar und bleiben in aller Regel ohne dauerhafte Folgen. Nur vereinzelt kommt es zu Narben im Nervensystem, bei denen auch nach entsprechender Therapie Beeinträchtigungen zurückbleiben können.“ Bei der typischen Wanderröte wird sich die Ärztin oder der Arzt daher bereits anhand der Befundkonstellation für eine antibiotische Therapie entscheiden. „Dadurch werden schwere Krankheitsverläufe und Späterscheinungen verhindert. Im Frühstadium mit Antibiotika behandelt, erholt man sich in den meisten Fällen rasch und vollständig. Die Erreger sterben ab“, so OA Dr. Stockinger. 
Weil andere Erkrankungen ähnliche Symptome verursachen können, lässt sich - auch bei sorgfältiger Untersuchung - eine Infektion mit Borrelien nicht immer eindeutig bestimmen. Der Kontakt mit den Bakterien wird dann über eine Blutuntersuchung am Institut für Pathologie und Mikrobiologie nachgewiesen. Dabei werden jene Antikörper bestimmt, die in Folge einer Borrelien-Infektion gebildet werden. Diese Antikörper bleiben auch nach erfolgreicher Behandlung oder asymptomatischer Infektion oft über Jahre hinweg nachweisbar.

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