Angelika Schwarz

* 1975 in Feldkirch, ist Journalistin, studierte Germanistin und Anglistin, langjährige ORF-Redakteurin und -Moderatorin (Radio und Fernsehen). Angelika Schwarz arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Landeskrankenhäuser Vorarlberg.

Die Epidemie der Kurzsichtigkeit

Mai 2021

Lesen Sie diese Worte gerade auf Papier? Oder doch am Bildschirm? Am kleinen Handy-Bildschirm womöglich? Dann stellen Sie Ihre Augen vor große Herausforderungen: Wenn Sie nämlich dazu noch sehr konzentriert lesen, dann blinzeln Sie weniger oft. „Normalerweise blinzelt man etwa zehn bis 15 Mal pro Minute, vor Bildschirmen aber nur etwa vier bis fünf Mal“, erklärt Augenfacharzt Dr. Michael Ess. „Dadurch kommt es zu einer Benetzungsstörung der Augenoberfläche.“ Dieses Fehlen der Feuchtigkeit merken wir unter anderem durch Brennen in den Augen, durch eine Rötung, ein Fremdkörpergefühl oder durch Verminderung der Sehschärfe.
Michael Ess arbeitet in der Augenabteilung am Landeskrankenhaus Feldkirch. Im vergangenen Jahr haben sich dort deutlich mehr Patientinnen und Patienten mit solchen Symptomen des trockenen Auges vorgestellt. Das Corona-Jahr hat die sogenannte „digitale Augenbelastung“ verstärkt, das ist nicht wegzuleugnen. Homeoffice und digitaler Zeitvertreib haben unseren Augen mehr denn je Arbeits- und Freizeit vor den kleinen und großen Bildschirmen beschert. „Die längerfristigen Folgen der stark zunehmenden Naharbeit – beziehungsweise der Arbeit an Bildschirmen – werden sich wohl erst in mehreren Jahren bemerkbar machen“, ist Michael Ess überzeugt.

„Ein Naharbeitsabstand von mindestens 30 Zentimetern sollte eingehalten werden“

 

Kinder sind gefährdet 

Eines zur Beruhigung: Durch das Syndrom der trockenen Augen allein sind in der Regel keine dauerhaften Schäden zu befürchten: „Bei Erwachsenen ist die Refraktion, also die Brechkraft des Auges, in der Regel stabil. Somit ist bei Erwachsenen keine Änderung etwa der Brillenwerte zu erwarten“, erklärt der Facharzt. Bei Kindern hingegen sei durch die verstärkte Nah- und Bildschirmarbeit sogar mit einem starken Anstieg an Kurzsichtigkeit zu rechnen. „Es ist erwiesen, dass bei Kindern durch zu lange Exposition vor Bildschirmen – egal ob PC, Tablet oder Handy – die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit, also einer Myopie, begünstigt wird. Durch die aktuellen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus mit regelmäßigen Lockdowns, Homeschooling am PC sowie Distancelearning via Bildschirm erwarten wir in den kommenden Jahren einen starken Anstieg an Kurzsichtigkeit. Man spricht in der Fachwelt schon von einer Epidemie der Kurzsichtigkeit.“ 
Leider sind die Folgen der Kurzsichtigkeit nicht immer harmlos: Es kann mit den Jahren zum Beispiel häufiger zu Netzhautablösungen, Glaukomen und myopen Gefäßneubildungen der Netzhaut kommen. Gerade was die Netzhaut- und Makula-Erkrankungen betrifft, hat es schon in den vergangenen Jahren eine deutliche Steigerung des Patientenaufkommens gegeben. Am Landeskrankenhaus Feldkirch hat man darauf unter anderem mit der Einrichtung einer eigenen Makula-Ambulanz reagiert. Anfang 2021 ist sie eröffnet worden, seither werden dort durchschnittlich bis zu 50 Patientinnen und Patienten pro Tag behandelt. Die Betroffenen leiden an verschiedenen Erkrankungen der Netzhaut bzw. der Makula, die für die Sehschärfe verantwortlich ist. Bei der Behandlung werden spezielle Medikamente mittels Injektion direkt in das Augeninnere eingebracht. Gefäßneubildungen der Makula bei Kurzsichtigkeit sind selten, können aber mit den verfügbaren Medikamenten erfolgreich behandelt werden.

 

 

Im Blick behalten

Um bereits den Anfängen solcher Erkrankungen entgegenzuwirken und die Zeit vor den Bildschirmen auszugleichen, empfiehlt der Augenexperte, dass sich vor allem Kinder mindestens acht bis zehn Stunden pro Woche im Freien bei Tageslicht aufhalten sollen: „Zudem sollte die Zeit vor Bildschirmen möglichst reduziert und ein Naharbeitsabstand von mindestens 30 Zentimetern eingehalten werden“, rät Michael Ess. Bei erhöhtem Risiko für eine Kurzsichtigkeit, wenn beispielsweise ein Elternteil oder beide Eltern davon betroffen sind, bringen regelmäßige augenärztliche Untersuchungen Sicherheit. 
Aber auch Erwachsene sind gut beraten, wenn sie ihre Zeit vor dem Bildschirm im Auge behalten, auf den ständigen Blick auf das Smartphone verzichten und ihre Freizeit vermehrt im Freien verbringen: „Wichtig sind regelmäßige Pausen bei der Bildschirmarbeit“, betont der Augenarzt: „Zumindest nach einer halben Stunde Naharbeit sollte man für rund zwei Minuten in die Ferne schauen. Bewusst häufigeres Blinzeln hilft, wenn Symptome des trockenen Auges auftreten. Bei Bedarf können benetzende Augentropfen verwendet werden.“ Er empfiehlt zudem, einen größtmöglichen Abstand zu den Bildschirmen einzuhalten. Dieser ist etwa auch durch die Verwendung einer größeren Schrift möglich.
Im Sinne Ihrer Augen wäre nun also – nach dieser Lektüre – eine kurze Pause angebracht.

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