Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Schöne neue Welt oder düstere Dystopie? ChatGPT und KI

Mai 2023
„Wir brauchen ChatGPT in unserem Unternehmen.“ Diese und ähnliche Aussagen hören Berater von Digitalagenturen in den vergangenen Wochen immer häufiger. „Das freut uns“, meint Philipp Tschol, Inhaber von Silberball Digital. Denn: Das sei der Beweis, dass das Thema KI im Mittelstand angekommen sei. 

Dass Künstliche Intelligenz (KI, englisch AI) unser Leben positiv auf den Kopf stellen wird, davon ist Tschol überzeugt. Mit seinem Team entwickelt der IT- und Marketing-Experte holistische und integrierte Lösungen für die Digitale Transformation von Marketing, Vertrieb und Kundenservice, auch mit Hilfe moderner KI Lösungen.
KI ist schon längere Zeit bei großen Unternehmen und in der Forschung in Verwendung, sagt Tschol. Mit ChatGPT wurde allerdings erstmals ein Tool erschaffen, das Texte generieren kann. Und das Beste: Dieser Dienst steht der breiten Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung. Mit sogenannten „Prompts“, das sind kleine Textbefehle, kann der normale Internetnutzer bestimmte Aufgaben diktieren, ohne groß in die Tiefen der Programmierung eintauchen zu müssen.

Kernkompetenzen von ChatGPT 
ChatGPT ist ein Textgenerator, der darauf trainiert wurde, menschenähnliche Texte in verschiedenen Sprachen zu erzeugen. Dies bietet dem Nutzer den Vorteil, auf einfache und schnelle Weise große Mengen von Inhalten in angeblich hoher Qualität zu erstellen.
Dabei muss aber die Qualitätsfrage unbedingt gestellt werden. Tschol meint dazu: „Das ist auch die Krux im System. Und die lässt sich nur schwer beheben.“ Die Begründung: „Wird die öffentliche Variante von OpenAI genutzt, hat der User aktuell keine Kenntnis, auf welchen Quellen die Informationen basieren.“ Dies sei relevant, da es sich um reine Wahrscheinlichkeiten handelt. Denn ChatGPT sei eine sogenannte „schwache“ künstliche Intelligenz, die auf eine Aufgabe oder Domäne beschränkt ist.

Trump aktueller Präsident?
Tschol klärt anhand eines Beispiels auf: „Nähme man eine geschlossene ,Library‘ von 99 Dokumenten, die alle erklären, Donald Trump wäre der aktuell rechtmäßige Präsident der USA und ein Dokument mit korrekten Informationen zu Joe Biden, würde das System vermutlich antworten: Trump ist der Präsident.“ Philipp Tschols Fazit: „Die künstliche Intelligenz ist mäßig intelligent, aber gut in Wahrscheinlichkeit und Statistik.“
Seine Conclusio: Basierend auf einem großen Themengebiet mit validen Quellen leistet ChatGPT durchaus gute Dienste. Bei Nischenthemen ist dies jedoch oft nicht der Fall. Die Informationen sind häufig fehlerhaft und teilweise frei erfunden, was in der Wissenschaft ein absolutes No-Go darstellt. Und darin sieht Tschol aktuell das größte Risiko: Man dürfe den Ergebnissen nicht blind vertrauen. 
„Speziell bei komplexen Anfragen ist nicht bekannt, welche Informationen das System auf welche Weise integriert. Das ist eine Black Box. Außerdem gibt es keine ersichtliche Gewichtung von Informationen und Quellen. Daher ist anzunehmen, dass das Ergebnis nur die Ansicht der Mehrheit darstellt. Kritische Stimmen, unliebsame Meinungen oder neue Entwicklungen mit weniger Publikationen laufen so Gefahr, nicht ausreichend berücksichtigt zu werden“, erläutert der Experte. Es brauche zumindest eine aufwändige, kritische Prüfung der erstellten Inhalte durch den Benutzer im Nachgang, was die vermeintliche Zeitersparnis reduziere. Aber ohne diese Prüfung könne kein qualitativ hochwertiger Output garantiert werden, erklärt Tschol.

ChatGPT als Ausgangspunkt
Alle obigen Aussagen beziehen sich auf das öffentlich verfügbare Modell von ChatGPT. Dieses Modell könne an eine eigene Bibliothek angepasst werden kann, um zumindest Kontrolle über die eingesetzten Quellen und deren Qualität zu haben. Tschol vergleicht das mit dem Prinzip „Garbage in – garbage out“ und erklärt das so: „Nutze ich qualitativ schlechte Quellen, wird der Output von schlechter Qualität sein.“
Für die Zukunft räumt Philipp Tschol der KI große Chancen ein, zumal er das Interesse der Öffentlichkeit geweckt sieht. KI-Systeme werden künftig viele Aufgaben von Assistenten in Unternehmen übernehmen, sei es in der Terminkoordination, bei der Aufgabenerinnerung, beim Schreiben von Memos, in der Buchhaltung oder in der Korrespondenz. „All diese Tätigkeiten können bereits heute in hoher Qualität von der KI übernommen werden und werden massiv Zuwachs erhalten“, sagt Tschol.

Paradigmenwechsel in der Medizin und im Recht
Einen großen Paradigmenwechsel erwartet sich der Experte in den Bereichen Medizin und Recht. Er begründet das folgendermaßen: „Man stelle sich vor, es existieren ,Libraries‘, also technische Bibliotheken, mit anonymisierten Krankenakten in der Medizin. Das kann den Arzt dabei unterstützen, schneller richtige Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel bei der medizinischen Bildbearbeitung und in der Diagnostik.“ 
Dem Arzt stünden damit das Wissen und die Erfahrung vieler Ärzte – potenziell automatisch übersetzt aus vielen Sprachen – zur Verfügung. Und das sofort und in hoher Qualität. Seltene Krankheiten können so schneller erkannt werden, auch wenn der Arzt selbst keine Spezialisierung im Fachbereich aufweist. Aber auch hier gelte das Gesetz der Wahrscheinlichkeit, die Ergebnisse müssen unbedingt verifiziert werden.

Erleichterung im Alltag
Schwache künstliche Intelligenzen wie ChatGPT werden künftig unseren Arbeitsalltag erleichtern, deren Lernkurve wird jedoch steil nach oben zeigen. Grundlage all dieser Systeme aber sind qualitativ hochwertige Informationen und Daten. Tschol gibt Unternehmen folgenden Rat: „Jedes Unternehmen tut gut daran, sich dessen bewusst zu werden und dem Thema Informationsmanagement eine angemessene Bedeutung beizumessen. Denn diese Daten sind die Basis für individuelles Wissen des Unternehmens und werden über die Zukunftsfähigkeit vieler größerer und kleinerer Unternehmen entscheiden.“

Kommentare

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Man sollte nicht vergessen, daß ein Chatbot sich fundamental von einer Rechercheplattform wie Google unterscheidet. Bei Startpage (nutzt intern Google) müssen wir Menschen selbst geeignete URL's bzw. treffene Artikel ansteuern. Bei einem Chatbot wird eine individuell konfektionierte Lösung erwartet, die möglichst noch altersunabhängig funktionieren soll. Und genau das muß scheitern ohne Nutzerdaten mit OpenAI zu teilen. Wer ChatGPT noch nicht kennt sollte auch wissen, daß die gesamte Vorgeschichte eines Prompts entscheidend ist, und nicht eine einzelne Eingabe wie "Was ist ein Bau (20 Worte)". Exemplarisch hier nachzulesen: https://progpi.de/chatgpt-planet/