Lea Putz-Erath

* 1980 in Niederösterreich, studierte Tourismus- Management, Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaften. Lea Putz-Erath ist seit 2016 Lehrbeauftragte an der FHV im Studiengang Soziale Arbeit und seit 2017 Geschäftsführerin femail FrauenInformations­zentrum Vorarlberg (zur Zeit in Karenz). Davor mehrjährige berufliche Stationen als Sozialarbeiterin in Deutschland und den USA.

Kind und Karriere

September 2022

Der Vorarlberger Verhaltensökonom Gerhard Fehr plädiert in einem Fachgespräch dafür, dass Unternehmen allen Mitarbeitenden unabhängig vom Geschlecht schon beim Start des Arbeitsverhältnisses Karrierepfade vorgeben sollen. Die Ansage im Vorstellungsgespräch wäre dann nicht: „Möchten Sie Karriere machen?“ sondern „Wenn Sie keine Karriere machen möchten, dann müssen Sie das beim Eintritt ins Unternehmen bekannt geben.“ Er plädiert also auf Basis verhaltensökonomischer Forschungsergebnisse im Sinne der Frauenförderung für ein „Opting-Out“ bei der Karriereplanung. Für Frauen, insbesondere für jene Frauen die Sorgearbeit leisten, ist die Frage der Karriere heute im Regelfall ein hart erarbeitetes „Opting-In“. Sie müssen sich bewusst für eine berufliche Weiterentwicklung entscheiden. Denn vor allem im privaten Lebensumfeld müssen einige Anstrengungen geleistet werden, um den beruflichen Weg frei zu schaufeln. Aufkommende berufliche Chancen anzunehmen, bedeutet für Frauen mehr als nur „Ja“ zu sagen.
Unter Karriere verstehen wir umgangssprachlich meistens einen beruflichen Aufstieg. Karriere als beruflicher Aufstieg? Welche Laufbahnen fallen mir ein? In der Bank könnte das der Weg von der Mitarbeiterin am Schalter zur Geschäftskundenbetreuerin, über die Immobilienfinanzierungsexpertin bis hin zur Filialleiterin sein. Oder im Kindergarten der Einstieg als Elementarpädagogin vielleicht mit einer erfahrenen Kollegin in der Gruppe an der Seite. Dann folgt die eigenverantwortliche Führung einer Gruppe bis hin zur Aufgabe als Kindergartenleiterin. Es gibt kurze, unterbrochene und lange Laufbahnen, beruflich vorgezeichnete oder ganz individuelle. In überwiegend von Frauen ausgeübten Berufen sind die Karrierewege meist sehr kurz, in den technischen, industriellen Berufsfeldern sind mehrstufige Laufbahnleitern erklimmbar. Der Wiedereinstieg wird bei einem Großteil von Frauen übrigens als beruflicher Abstieg erlebt.
Eines ist klar – oben wird die Luft dünner, egal ob kurze oder lange Leitern. Immer gibt es weniger Personen in der hierarchisch höheren Ebene als in der Ebene darunter. Aus einer Reihe von Fachkräften entwickeln einzelne ihre Karriere nach oben. Es gibt demnach, rein nüchtern betrachtet, viele Männer, die keine Karriere machen. Männer, die zwar gegebenenfalls den Arbeitgeber wechseln, ihre berufliche Position jedoch bis zur Pensionierung halten. Beispielsweise Lehrer, die keine Direktoren werden, kaufmännische Angestellte, die in der Sachbearbeitung bleiben, Journalisten, die nicht zum Ressortleiter aufsteigen oder Krankenpfleger am Pflegebett – um nur ein paar zu nennen. Es ist mir wichtig, dies hier explizit zu sagen, denn häufig entsteht als Gegenpart zu den sehr wenigen Frauen in Führungspositionen das Bild, das ALLE Männer Karriere machen würden. Es sind eben nicht alle Männer, doch es kommen viel zu wenige Frauen mit ihren Kompetenzen auf die höheren Karrierestufen.
Natürlich, viele Organisationen streben danach, aus allen zukünftigen und bestehenden Mitarbeitenden die passendsten für leitende und verantwortliche Positionen herauszufinden, sie zu fördern und im Unternehmen mit ihrem Know-How und Erfahrung zu halten. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es nicht mehr eine Frage des Images, Frauen beruflich zu fördern, es ist eine Frage des Unternehmenserfolges, alle Potenziale unter den Mitarbeitenden zu nutzen. Aber Achtung: Unsere Gesellschaft funktioniert nur, wenn Menschen neben Erwerbsarbeit und Sorgearbeit Zeit zur Regeneration haben.
Wenn das Opting-Out für Karriereplanung also die geeignetste Strategie ist, um mehr Frauen auf dem Weg in Führungspositionen zu bringen, dann soll mir das recht sein.
Parallel dazu ist aus meiner Sicht in einer unternehmerischen Gesamtstrategie jedoch ein automatisches Opting-In für Familienförderung wichtige Voraussetzung. Hier würde die zukünftige Aussage an einen Elternteil (Vater wie Mutter wohlgemerkt) nicht lauten: „Wie organisieren Sie denn die Betreuung ihrer Kinder, wenn diese schulfrei haben oder krank sind?“ Sondern: „Besprechungen finden in unserem Unternehmen bis maximal 16 Uhr statt. In dem firmeneigenen Dienstleistungscenter können Sie pro Woche vier Stunden Grundreinigung Ihres Zuhauses buchen und Kinder sind hier jederzeit herzlich willkommen.“

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