Manfred Hämmerle

Direktor der BHAK und BHAS Bregenz und seit 30 Jahren in der Ausbildung für Lehr­personen, unter anderem an der WU Wien, tätig

Lehrpersonen brauchen echte Wertschätzung

Oktober 2021

Seit Wochen wird in verschiedenen Medien eine Debatte über eine Impfpflicht für Lehrpersonen geführt. Einer kleinen Minderheit von Impfskeptikern und einer noch kleineren von Testverweigerern wird eine große Plattform gegeben. Ist diese (geschürte) Aufregung auf diese Frage beschränkt oder Teil einer allgemeinen Skepsis gegenüber diesem Berufsstand in der Medienwelt? Betrachtet man die Berichterstattung über Lehrpersonen, die Aussagen mancher Politiker und einige Schlagzeilen in den vergangenen 20 Jahren, dann kann man die These vertreten, dass es eher um die undifferenzierte Abwertung eines Berufsstands geht. Jedenfalls schadet diese negative Tendenz den Lehrpersonen und letztlich der Schulqualität und man fragt sich, warum die Debatte bei Berufsgruppen in ähnlicher Situation nicht in gleicher Form geführt wird. Es fehlt die Wertschätzung für die Lehrpersonen in der veröffentlichten Meinung und in Teilen der Bevölkerung. Und das hat Folgen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es sich beim erwähnten Beispiel über die Impfpflicht für die Lehrpersonen um eine allgemeine Situation handelt. Dazu seien weitere Beispiele angeführt.

›› Ein jüngstes Beispiel mangelnder Wertschätzung durch den Dienstgeber ist die Sommerschule. Ein Leiter dieser „Sommerschule“ erhält für seine Arbeit 300 (in Worten dreihundert) Euro brutto, für circa 70 Stunden zusätzlicher Arbeit in der unterrichtsfreien Zeit. Es liegt uns fern, Berufsgruppen zu vergleichen, aber ein Arzt erhält denselben Betrag für zwei Stunden impfen.

›› Wir klagen über eine zunehmende Zahl von Eltern, die ihre Kinder von der Schule abmelden. Dabei sind sich die Experten einig: Dies hat fatale Folgen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, weil der soziale Kontakt fehlt und weil der Unterricht großteils von Laien durchgeführt wird. Offensichtlich trauen diese Eltern den Lehrpersonen nicht zu, die Arbeit ordentlich zu erledigen.

›› Nach unserer Erfahrung hinterfragt ebenfalls eine zunehmende Zahl von Eltern die Notengebung auch von sehr guten Lehrpersonen. Sie sehen sich in ihrer kritischen Haltung gestärkt, durch ständiges Klagen über das „Schulsystem“, das, ihrer Meinung nach, veraltet und unbeweglich sei.

›› Wird in unterschiedlichen Medien darüber diskutiert, was denn bei verschiedenen Problemen – beispielsweise im Umgang mit Corona – in der Schule getan werden könnte, werden meist Personen eingeladen, die noch nie eine „normale“ Unterrichtsstunde gehalten haben. Man traut den Lehrpersonen offensichtlich nicht zu, eine differenzierte Meinung zu vertreten.

Es ließe sich noch eine große Zahl an Beispielen mangelnder Wertschätzung anführen. Ganz im Gegensatz zur veröffentlichen Meinung steht das grundsätzliche Ansehen der Berufsgruppe in großen Teilen der Bevölkerung, das in verschiedenen Umfragen als sehr hoch angesehen wird. Dabei ist durchaus auch zuzugestehen, dass es Gründe gibt, eine kritische Haltung einzunehmen. Nicht alles läuft und lief in den Schulen perfekt. So ist beispielsweise die Haltung der Gewerkschaft gegenüber Reformen manches Mal schwer nachzuvollziehen.
Psychiater Reinhard Haller betont die Bedeutung von Wertschätzung für die Menschen. Er schlägt vor, dass (auch Lehrpersonen) zugehört werden sollte, Feedback konkret und konstruktiv sein sollte und dass Menschen (auch Lehrpersonen) ein gerechter Umgang zugestanden werden sollte. In den (veröffentlichten) Meinungen und Kommentaren erfährt man oft Gegensätzliches.
Lehrpersonen sollen durchaus gefordert werden. Führungsexperte Reinhard Sprenger schlägt zwei zentrale Strategien der Führung vor: 

1. Demotivierung vermeiden

Geringe Wertschätzung gegenüber der Arbeit eines Berufsstandes führt ganz sicher zur Demotivierung. Findet ein großes Engagement von Lehrpersonen nicht eine entsprechende Beachtung, ist das demotivierend.
Sprenger schlägt vor, besser ganz Konkretes zu loben als ein allgemeines Lob auszusprechen, das wirklich engagierte Lehrpersonen eher ärgert als freut. Da sind auch Aktionen, wie die Wahl der „Lehrperson des Jahres“, wenig hilfreich, weil der Auswahlprozess aufgrund der großen Menge an Lehrpersonen immer unvollständig sein wird.

2. Fordern statt Verführen

Erwartungen an Lehrpersonen sollen klar formuliert und Fehlverhalten angesprochen werden. Wenn beispielsweise alle(!) Lehrpersonen gelobt haben, dass sie sich an die Vorgaben des Dienstgebers halten, dann sollte dies auch eingefordert werden. Gleichzeitig sollen Selbstverantwortung und Professionalität gefördert werden. Das ginge beispielsweise dann, wenn der Expertenstatus von Lehrpersonen anerkannt und gestärkt werden würde. Bewusste und organisierte Entwicklung findet in einem reflexiven Prozess statt. Es geht also darum, die Betroffenen (Lehrpersonen) zu Beteiligten zu machen.
Wir vertrauen der Schule und damit den Lehrpersonen das Wichtigste an, was wir haben, nämlich unsere Kinder. Deshalb müssen wir es ihnen zutrauen, dass sie die Aufgabe gut erledigen, ihre Arbeit wertschätzen und sie unterstützen.

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