Kurt Bereuter

56, studierte BWL, Philosophie und Politikwissenschaften. Organisationsberater und -entwickler, freier Journalist und Moderator, betreibt in Alberschwende das Vorholz-Institut für praktische Philosophie.

Polizei: Ein schöner und guter Beruf?

Dezember 2022

Zuletzt berichteten Vorarlbergs Medien über Probleme im Bereich der Polizei Vorarlbergs wegen überdurchschnittlich vieler Kündigungen. In keinem Bundesland gibt es eine dermaßen hohe Fluktuation. Was ist los, fragt sich wohl nicht nur der Journalismus. Kurt Bereuter sprach mit dem Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft in Vorarlberg. Von Kurt Bereuter

Sandro Wehinger ist seit 2018 Vorsitzender der Polizeigewerkschaft Vorarlberg und seit drei Jahren freigestellter Personalvertreter bei der Polizei. Davor versah er seit 2003 auf der Polizeiinspektion Lustenau seinen Dienst und ist jetzt als Personalvertreter für die 950 Exekutivbeamten des Landes im Einsatz.
Neben den rund 30 Pensionierungen bis Oktober 2022 gab es zusätzlich 60 Austritte, acht davon Schüler und Schülerinnen des Polizeiausbildungszentrums in Feldkirch. Das ist österreichweit der höchste Wert bei Ausgebildeten und der niedrigste bei den zu Schulenden. Verantwortlich seien in Vor­arlberg auch höhere Lebenshaltungskosten bei österreichweit gleichen Löhnen und eine starke Wirtschaft, die immer wieder Polizeipersonal erfolgreich abwerbe – und die österreichweit höchste Dichte an Sicherheitswachen der Gemeinden und Städte, die Polizeikräfte abwerben.
Aber in anderen Bundesländern gibt es teilweise auch andere Dienstsysteme, die eine bessere Planbarkeit für die Polizeiangestellten ermögliche. In Vorarlberg wird das sogenannte Wechseldienstsystem praktiziert, bei dem spätestens vier Tage vor Monatsbeginn der neue Dienstplan für den nächsten Monat verlautbart wird. Das macht eine Planung für Familien- und Freizeitangelegenheiten eher schwierig. Dies ist aber auch dem Ministerium und der Landespolizeidirektion geschuldet, die ihrerseits erst bis zum 20. eines Monats ihre Sondereinsätze den Polizeiinspektionen bekanntgeben müssen. Klar können Dienstplanwünsche deponiert und meistens berücksichtigt werden. Ein Gruppendienst-System wie in Wien hingegen sieht fixe Gruppen und langfristig klare Dienstpläne vor. Was besser sei, hänge von persönlichen Präferenzen ab. Gerade für jüngere Menschen mit Hobbys und/oder Familie seien die vielen Stunden und die „flexiblen“ Dienstzeiten öfter Thema. Das erfährt der Polizeigewerkschafter immer wieder bei den Austrittsgesprächen, die von ihm persönlich und vertraulich geführt werden. Und bei hoher Fluktuation und Personalengpässen seien zusätzliche Überstunden unvermeidbar, was die Situation weiters verschärfe und die Spirale setze sich fort. 
Die Hierarchie im Polizeiapparat sei hingegen kaum ein Kritikpunkt, hier sei Vorarlberg schon sehr moderat. „Was hingegen immer wieder kritisiert wird, ist die mangelnde Wertschätzung“, sagt Wehinger. Nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch intern. Da gäbe es noch Verbesserungsbedarf in der wertschätzenden Kommunikation bis zu den einzelnen Mitgliedern der Beamtenschaft auf den Polizeiinspektionen hinunter. Zur Ebene der Landespolizeidirektion werde eine Kluft empfunden, die man mit besserer und wertschätzenderer Kommunikation verkleinern könnte: „Gerade für junge Polizeikräfte wäre es gut und wichtig, Lob zu bekommen.“ 
Das Senioritätsprinzip gibt es laut Wehinger auch in der Polizei, also dass ältere Mitarbeitende Vorzüge wie mehr Urlaub oder weniger Nachtdienste genießen. Aber das hänge auch mit dem manchmal körperlich anstrengenden Beruf zusammen und klar sei auch, dass auf eine Mutter mit Kindern auf der Polizeiinspektion geachtet wird. Für diese Gruppe wären Überstunden immer schwieriger zu leisten und schön wäre, wenn es mehr Teilzeitstellen gäbe. Das sei im Stellenplan aber schwer unterzubringen und bräuchte tatsächlich Änderungen durch die zuständigen Bundesministerien BMI und BMKÖS: „Hier sollte und könnte die Landespolizeidirektion noch mehr Druck machen, denn das aktuelle System ist veraltet und gehört reformiert.“ Und wenn so ein System angepasst würde, müsste „auch das Gehaltssystem, das auf vielen Zulagen aufgebaut ist, modernisiert werden“. Im Land selbst gelte es an den Stellschrauben der Dienstpläne und Dienstzeitregeln zu drehen und das liege in den Händen der Polizeiinspektion-Kommandanten sowie der Landespolizeidirektion. Klar auch durch eine bessere Kommunikation und mehr Wertschätzung von ganz oben bis ganz unten. Auch wäre eine weitere Verwaltungsvereinfachung teilweise im Lande zu schaffen, denn die Qualität des Berichtswesens sei in Vorarlberg, wie die Aufklärungsquote, sehr hoch. 
Sehr lobend erwähnt der Polizeigewerkschafter die neuen Angebote für Coaching von Einzelpersonen und von Teams. Das sei neu, wirke und müsse weiter ausgebaut und genützt werden, was im Land zu leisten sei. Als sehr gut bezeichnet er die internen Karrieremöglichkeiten und das vielfältige Angebot, das die Polizeiarbeit biete. 
Dass eher Jüngere den Dienst quittierten, hängt für Wehinger schon auch ein Stück weit damit zusammen, dass junge Polizeikräfte ins „kalte Wasser“ geworfen werden und von Anfang an einer hohen Überstundenbelastung ausgesetzt seien. Auch sollten in belastenden Situationen oder Erlebnissen Mitarbeitende deutlich mehr Unterstützung erhalten. Es gebe zwar die Peer-Dienste, aber interne psychologische Unterstützung müsse aus Tirol oder Wien eigens angefordert werden. Dass Einsteiger „verheizt“ werden, möchte der Personalvertreter nicht so formulieren. Dass sich Menschen über Generationen verändern und die Generation „Z“ eine andere Einstellung zu Beruf, Freizeit und Familie habe, sei der Fall. Dem müsse Rechnung getragen werden. 
Die Ausbildung in der „Polizeischule“ in Feldkirch genieße einen sehr guten Ruf, sagt Wehinger. Bei den Auswahlverfahren wäre für ihn eine weitere Lockerung im Bereich Sport vorstellbar und dafür in die Ausbildung zu integrieren. Denn auf die Qualität der Polizei habe es kaum Auswirkungen, ob jemand zwei Sekunden schneller laufe oder nicht. 
Es gäbe also durchaus Stellschrauben am System in Vorarlberg, an denen von der Landespolizeidirektion zu drehen wäre, um die Situation in Vorarlberg im Polizeibereich zu verbessern. Die sollten genützt werden, denn es sei „ein schöner, ein abwechslungsreicher und guter Beruf“, ist Sandro Wehinger überzeugt.

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