Wolfgang Greber

* 1970 in Bregenz, Jurist, seit 2001 bei der „Presse“ in Wien, seit 2005 im Ressort Außenpolitik, Sub-Ressort Weltjournal. Er schreibt auch zu den Themen Technologie, Raumfahrt, Militärwesen und Geschichte.

Vom gefährlichen Tanz zwischen Journalisten und Spitzeln

September 2019

Der Wahnsinnsgehalt der Ibiza-Videos ist evident und ihre Publikation gerechtfertigt.
Die Methode dahinter aber ist rechtswidrig und darf nicht allgemein Schule machen.

Für einen trockenen Typen wie Landeshauptmann Markus Wallner ist es heftig, wie er im Mai nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos auf die darin gezeigten Vorgänge und Personen reagiert hat: Es habe sich „moralischer Abschaum“ offenbart, sagte er.
Das Video offenbart jedenfalls eine rechte Sauerei, Hybris, Gier, politische Messerstecherei, Neigung zu Korruption und dem Wunsch nach Unterwerfung von Medien. Wir schildern hier nicht den Inhalt: Die Vorgänge, die die im Juli 2017 in einer Villa auf Ibiza heimlich gedrehten Aufnahmen zeigen, sollten bekannt sein. Also was bei jenem Treffen zwischen dem damaligen FP-Chef HC Strache und FP-Klubobmann Johann Gudenus mit der angeblichen Nichte eines Russen-Milliardärs und deren Begleiter ablief, der in Wahrheit Detektiv mit zweifelhafter Vita ist und den FPÖlern eine Falle stellte – indem er vorgab, die Lady wolle sich mit ihrer Hilfe in Österreich „einkaufen“, dafür würde man halbseidene Leistungen austauschen. Und so weiter.
Was man in den Sequenzen, die die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Spiegel“ seit Mai veröffentlicht haben, sehen und hören kann, ist teils erschreckend. Manches ist schräg, manches zum Lachen. Zumindest bietet sich ein Einblick in die Hinterzimmer der Politik, wobei sich viele denken dürften, dass man es ja eh immer geahnt hat, dass Politik auch so laufen kann. Und dass so etwas bei anderen Parteien nicht zwingend undenkbar sein muss.
In strafrechtlicher Hinsicht gab es Ende August eine Überraschung, als die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mitteilte, dass man den Kernvorwurf – Korruption – nicht weiter verfolge. Grund: Die Männer waren damals keine Amtsträger in Positionen, ihre Andeutungen und Zusagen, etwa die Vergabe von Staatsaufträgen gegen Spenden, auch wirklich erfüllen zu können. Nun: Klingt nach Rechtslücke. Ermittelt wird indes noch wegen Untreue.
Schon zuvor hatten freilich Juristen gemeint, kein mögliches Delikt habe auch nur ein Versuchsstadium erreicht. Es gab in der Villa auch keine konkreten Deals mit der „Nichte“ und kein Folgetreffen. Im Buch „Die Ibiza-Affäre“, das die „Süddeutsche“-Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, denen das Video zugespielt worden war, publizierten, steht, dass Strache sich zierte, auf ein Geschäft einzugehen, und sagte, alles müsse „rechtmäßig ablaufen“.
Doch wie dem auch sei, eines war rechtswidrig: das Filmen und Abhören. Das soll vom Inhalt der Videos nicht ablenken, aber man muss sich nüchtern schon auch das Formale dahinter ansehen: ihr Zustandekommen, eine Privataktion ohne richterliches Zutun. Strache und Co. sprechen von „Spitzel-“ beziehunsgweise „Stasi“-Methoden. Haben sie damit so Unrecht?
Laut spanischem Verfassungsrecht ist Abhören und die Weitergabe der Daten verboten. Es gibt eine Ausnahme bei Amtsträgern, aber nur bei öffentlichen Auftritten. Laut Artikel 197 ff. des Strafgesetzes drohen ein bis vier Jahre Haft, auf Weitergabe der Daten zwei bis fünf Jahre. Ähnlich ist es in Deutschland und Österreich. § 201 des deutschen StGB sieht für heimliche Aufnahmen des nicht-öffentlichen Wortes und deren Weitergabe, ja sogar fürs bloße Abhören ohne Aufzeichnung bis zu drei Jahre Haft vor. Mit maximal einem Jahr kommt man laut § 120 unseres StGB dagegen milde davon.
Dass die reine Publikation der Videoausschnitte nach Gesetzen und Judikatur, nach Abwägung zwischen Schutz der Privatsphäre und Pressefreiheit zulässig war, steht auf einer höheren Ebene. Medien dürfen rechtswidrig erlangte Infos publizieren, sofern sie von überragendem öffentlichen Interesse sind. Gemeint ist ein „allgemeines Interesse“, nicht „voyeuristische Neugier“, so der Wiener Medienanwalt Thomas Höhne.
Die gerechtfertigte Berichterstattung macht aber das Bespitzeln nicht rückwirkend legal! Es ist illegal, selbst wenn es auf den Verdacht geschieht, etwas von öffentlichem Interesse ernten zu werden, und bleibt illegal, auch wenn etwas herauskommt.

Medienethisch ist Abhören laut österreichischem Ehrenkodex der Presse eine unlautere Methode. Der deutsche Kodex sieht das etwas liberaler: Verdeckte Recherche ist okay, wenn es Informationen von öffentlichem Interesse erbringt, die anders nicht zugänglich ist. Sie müssen aber wirklich erbracht worden sein: Erbringt die Recherche nichts, bleibt sie unlauter. Es kommt also aufs Ergebnis an, nicht auf die Absicht.
Wer etwa als getarnter Reporter Sportlern Dopingmittel anbietet und das mitschneidet, aber keiner greift zu, und dann die Gespräche veröffentlicht, betrieb unlautere Recherche.
Vor allem ist da aber dieses womöglich folgenschwere Kernproblem der Causa Ibiza: Man kann es anhand der Behauptung jenes Wiener Anwalts ermessen, der ein weiterer Drahtzieher der Falle ist und Gudenus mit der „Nichte“ erst zusammenbrachte. Der Mann, der als „umtriebig“ gilt, spricht von einem „zivilgesellschaftlich motivierten Projekt, bei dem investigativ-journalistische Wege beschritten wurden“, wegen „demokratiepolitischer Überlegungen“.
Nun klingt das sehr aktivistisch, politisch korrekt und nach „besorgter Bürger“, und weil die Belauschten sind, wer sie eben sind, mag das Applaus finden. Aber der Mann ist kein Journalist und hat jetzt Ärger mit der Rechtsanwaltskammer Wien: Deren Präsident ortet „Fehlverhalten“ und ein „Problem fürs Image der Anwaltschaft“.

Mit obiger Begründung könnte es Schule machen, unliebsame Menschen abzuhören, durch wen auch immer; eine Linke zu drehen, in der Hoffnung, es kommt was heraus, auf Verdacht oder gut Glück, mit oder ohne Agent Provocateur. Man könnte Politikern aller Parteien nachstellen, Gewerkschaftern, Behörden, Unternehmern, NGO-Leuten, Journalisten, bisweilen auch mit der Begründung, dass es ja um Themen von öffentlichem Interesse geht.
Die Chance, irgendwelche dumme, heikle, anrüchige, irritierende, verdrehbare, möglichst negativ verstehbare oder rechtlich tatsächlich verfängliche Sager einzufangen, ist oft nicht schlecht. (Wie sagte Kardinal Richelieu: „Gebt mir sechs Zeilen von der Hand des ehrlichsten Mannes, so werde ich etwas finden, um ihn an den Galgen zu bringen.“) Und findet sich für die Verwertung kein reguläres Medium, kann man’s ja anonym im Internet verbreiten …
Der frühere deutsche Geheimdienstchef Hans-Georg Maaßen fürchtet, die Methode könnte auch als Erpressung ein Geschäftsmodell werden. Sie trägt kafkaeske Züge. Wir Medien müssen extrem vorsichtig sein, wenn wir uns mit solchen Quellen einlassen. Auch dort könnte nämlich Abschaum dahinterstecken.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.