Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Kategorien des Lebens

Februar 2023

Johannes Schmidle, ehemaliger Fixpunkt der Vorarlberger Medienlandschaft, kann es nicht lassen. Nach seiner Pensionierung im Jahre 2019 betreibt der gebürtige Lauteracher einen Podcast, in dem Menschen in und um die Marktgemeinde zu Wort kommen. Bis dato wurden 15 Folgen veröffentlicht, die 16. mit Carlo Baumschlager steht bereits ante portas.

Im Podcast „Ineloso“, der auf der Webseite der Gemeinde Lauterach gestreamt werden kann, hat Schmidle zahlreiche Personen mit ganz besonderen Schicksalen und Ideen interviewt. Begonnen hat diese Reihe im Jahre 2021, also in Zeiten der Pandemie, als Rafaela Berger, damals Wirtin im „Johann“, auf Schmidle zugekommen ist. Ihre Idee: ein Interview mit Bürgermeister Elmar Rhomberg. Und so nahm die Geschichte ihren Lauf. „Der Schwerpunkt unserer Stories ist Lauterach. Wir suchen Menschen, die mit dem Leben in der Gemeinde verbunden sind“, erklärt Schmidle das einfache, aber griffige Konzept der Sendung.
Dass es dabei hochprofessionell zugeht, ist dem Anspruch aller Beteiligten geschuldet. So sind bei der Aufzeichnung neben Schmidle ein Kameramann und ein Tontechniker dabei, die das Interview in Bild und Ton festhalten. Die Idee dahinter: „Ein geraffte Version zu publizieren, denn die Wahrscheinlichkeit, dass jemand den gesamten Podcast – 40 bis 50 Minuten – ansieht, ist gering“, sagt der Journalist. Und dann treffen sich die Gesprächspartner an einem vorher festgelegten Ort, der variiert, um sich über die Gemeinde und das Leben zu unterhalten.

Nachgedacht, um jetzt zu sprechen
Eines der Interviews, das ihn besonders beeindruckt hat, war das Gespräch mit Schwester Theresia Maria Mangold (92 Jahre) vom „Klösterle“ der Redemptoristinnen mitten im Dorf. Sie ist für den großen Garten zuständig, in dem Gemüse, Obst und Beeren für den Eigengebrauch sowie Blumen für den Kirchenschmuck angepflanzt werden.
Lachend erzählt Schmidle über seine eigenen Verbindung zum „Klösterle“: „Ich habe dort das Ministrieren gelernt. Jahrzehnte später treffe ich eine der Frauen, für die ich den Kirchendienst geleistet habe. Die Messe begann um sechs Uhr, es war meist noch dunkel. In der Wand gab es einen Holzzylinder, der sich plötzlich drehte. Dann kamen Kelch, Wein, Wasser und die üblichen Messutensilien zum Vorschein. Wer diesen ominösen Zylinder drehte, war uns natürlich nicht bekannt, denn die Schwester hatten ein Schweigeglübde abgelegt und lebten in Abgeschiedenheit.“ Und weiter: „Mich hat beeindruckt, wie diese Schwestern in einem solchen Leben aufgehen, das wir uns nie vorstellen könnten. Schwester Theresia hat jahrzehntelang nachgedacht, jetzt konnte sie darüber sprechen.“ Und er erzählt eine weitere Anekdote: „Anlässlich eines Fernsehauftritts des Papstes brachte ein Fachhändler aus Lauterach ein TV-Gerät. Nach dem Segen ,Urbi et Orbi‘ wurde der Fernseher wieder abgeholt.“ Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde das Schweigegelübde gelockert, die Schwestern öffneten ihr Kloster schrittweise. 

„Drei von der Reschte“
Weiter spannende Gespräche führte Schmidle mit den „Drei von der Reschte“ Silvana Jappel, Maria Heim und Peter Jappel, die im Bahnhofrestaurant wirteten, mit Elmar Fröweis, dem Lauteracher Heimatforscher und „Lautmaler“, dem Schifahrer Christian Hirschbühl und noch einigen mehr.
Für Johannes Schmidle ist die Podcast-Serie eine logische Fortsetzung seiner ursprünglichen Tätigkeit als Fernseh- und Radiomacher beim ORF. Bekannt wurde er einer breiten Öffentlichkeit vor allem durch seine beiden Radio Vorarlberg-Sendungen „Ansichten“ und „Focus“, die er 2009 von seinem Vorgänger Franz Josef Köb übernommen hatte.

Förderer Leo Haffner
Zum ORF kam Schmidle, der ursprünglich Medizin studieren wollte, über Umwege. Der Lauteracher inskribierte an der Theologischen Fakultät und schloss das Studium mit einer Arbeit über die Caritas ab, wo er dann auch kurz beschäftigt war. Auf einer Zugreise von Wien ins Ländle lernte er ORF-Mann Leo Haffner kennen. Sie kamen über dessen Werk „Die Kasiner: Vorarl­bergs Weg in den Konservativismus“ zu sprechen, bis Schmidle sich in Dornbirn ans Aussteigen machte. Haffner meinte, ob er sich eine Arbeit beim ORF vorstellen könne. Auf Schmidles Einwand, dass das Neuland für ihn sei, meinte Haffner, man könne das ja lernen. Und so heuerte Haffner den hoffnungsvollen Jungjournalisten für seine Abteilung an, bis dieser 2009 die Sendungen „Focus“ und „Ansichten“ übernahm. „Damals hatte ich viele spannende Gesprächspartner“, berichtet der Journalist.
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm Bischof Erwin Kräutler. „Anlässlich seines 70. Geburtstages gestalteten wir eine Reportage über ihn. Wir reisten also nach Brasilien, wo wir zwei Wochen drehten.“ Beeindruckt hat Schmidle, wie der Vorarlberger Bischof mit seinem Leben unter Polizeischutz umgegangen ist. Danach begleitete er Kräutler auch bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde in Salzburg 2009 und des „Alternativen Nobelpreises“ 2010 in Stockholm, um schlussendlich die Ehrenbürgerschaft in Kräutlers Heimatgemeinde Koblach, ebenfalls 2010, mitzuverfolgen.
Ein weiteres Highlight war für Schmidle das Treffen mit „Klavierflüsterer“ Arno Stocker. Stocker wurde 1956 in Offenbach mit einer spastischen Behinderung geboren. Sein Großvater habe ihn auf den Schultern in die Hamburger Oper getragen, was seine Liebe zur Musik entfachte. Unter anderem habe er Maria Callas kennengelernt. Als der Großvater ihm einen Plattenspieler gekauft hat, habe er die Musik nachgesungen und so seine sprachliche Lähmung verloren.
Am Ende besagten Vortrages sei ein Mann mit ähnlicher Behinderung auf Stocker zugekommen, um ihn um Ratschläge für sein Leben zu bitten. Stocker habe dabei unter anderem gemeint, es habe früher zwei Minuten gedauert, bis er den eigenen Namen herausbrachte.

Neue Kategorie des Lebens
Eine weitere Begegnung hatte Schmidle mit Viktor Staudt, einem mittlerweile verstorbenen Schriftsteller aus den Niederlanden, der seinem Leben ein Ende setzen wollte, den Suizidversuch aber überlebte. Staudt mussten jedoch beide Beine amputiert werden. Der Holländer sei über diese Erfahrung zu einer „neuen Kategorie des Lebens“ gekommen.
Und so gäbe es noch zahlreiche Geschichten von, mit und um Johannes Schmidle, der über seinen Beruf als Journalist meint: „Es gab kaum Tage, an denen ich nicht gerne arbeiten gegangen wäre.“ Was man dem begnadeten Storyteller gerne abnimmt.

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