J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Forschungsprojekte studieren die Vorarlberger Natur

Mai 2016

Dokumentationszentrale der Natur Vorarlberg – das klingt arbeitsintensiv, und so ist es auch. Alle Jahre wieder zwischen Piz Buin und Bodensee, zwischen Kleinwalsertal und Drei Schwestern die gesamte Tier-, Pflanzen- und Pilzwelt im Ländle zu erfassen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Sehr wohl möglich sind aber Studien, die einer speziellen Organismengruppe oder einem speziellen Gebiet gewidmet sind. Daher unterstützt die inatura auch heuer wieder eine Reihe von Forschungsvorhaben.

In der Museumslandschaft haben Naturmuseen eine Sonderstellung. Während sich kulturgeschichtliche Museen in ihren Inventardatenbanken auf die eigene Sammlung konzentrieren, können Naturmuseen nicht auf die Forschungsarbeit draußen im Gelände verzichten. Schon aus Naturschutzgründen wäre es unvertretbar, jedes Vorkommen einer Tier- oder Pflanzenart auch mit einem Museumsexemplar zu belegen. Die Wände der Studiensammlung sind eine weitere Schranke, die nur mit beträchtlichem finanziellen Aufwand überwunden werden könnte. Feldstudien sind aus unserer Museumsarbeit nicht mehr wegzudenken. Gesammelt aber werden weniger Belegexemplare, sondern Daten über Vorkommen und Verbreitung ausgewählter Organismengruppen. Über die regelmäßige Dokumentation des Ist-Zustandes können Veränderungen in der Zeit (etwa als Folge klimatischer Veränderungen) sichtbar gemacht werden.

Mit nur einem hauptamtlichen Sammlungskurator und einer freiberuflichen Mitarbeiterin wäre die inatura nicht einmal ansatzweise in der Lage, ihrem Dokumentationsauftrag nachzukommen. Um diese Aufgabe trotzdem erfüllen zu können, verfügt die inatura – und das ist eine einzigartige Situation in Österreich – über ein spezielles Forschungsbudget zur Förderung ausgewählter Projekte. Die einlangenden Anträge werden von einem externen Gremium begutachtet, und gelegentlich tritt die inatura auch selbst an Forscher heran mit der Bitte um ein Projektangebot.

Genauso divers wie die Interessengebiete der Forschenden sind die Themen der geförderten Projekte. An erster Stelle stehen naturgemäß Tiergruppen, die für den Naturschutz von hervorragender Bedeutung sind: Per Gesetz ist die inatura zur Erstellung von Roten Listen gefährdeter Arten verpflichtet. Ein Forschungsschwerpunkt gilt dabei den Libellen. Sie sind in ihrer Entwicklung ans Wasser gebunden und daher sehr gute Indikatoren für den Zustand aquatischer Lebensräume. Diese Tiergruppe wurde letztmalig in den 1990er-Jahren landesweit erfasst. Auch wenn inzwischen einige Einzel­publikationen hinzugekommen sind, wurden rund 80 Prozent der vorhandenen Daten vor dem Jahr 2000 meist in den Tallagen erhoben. Eine aktuelle Einstufung der Libellen hinsichtlich ihrer Gefährdung ist dringend notwendig. Bei Wanzen gilt der erste Gedanke dem „Kriasestinker“ und allenfalls noch den unliebsamen Gästen im Bett. Doch die Heteroptera haben mehr zu bieten als blutsaugende Bett- und stinkende Baumwanzen. Bereits in den vergangenen Jahren war diese Tiergruppe integraler Bestandteil mehrerer gebietsbezogener Forschungsvorhaben der inatura. Durch die Zusammenführung aller vorhandenen Daten als Vorarbeit für eine Rote Liste wurden die weißen Flecken auf der Wanzen-Landkarte Vorarlbergs sichtbar: Aus Gebirgsgegenden über 1500 Metern Seehöhe liegen bisher nur sehr spärliche Daten vor. Ein von der inatura gefördertes Forschungsprojekt soll dieses Defizit beheben.

Können Sie sich (ohne eine Internet-Suchmaschine beizuziehen) unter der Tierfamilie Pompilidae etwas vorstellen? Die deutsche Bezeichnung Wegwespen lässt immerhin Assoziationen über das Aussehen dieser Insekten zu. Sie sind unscheinbar und schwer zu bestimmen. Historische Daten über ihre Verbreitung in Vorarlberg fehlen. Doch ihre anspruchsvolle Bindung an spezielle Lebensräume macht diese Tiergruppe für den Naturschutz interessant. Auch wenn Wegwespen in bisherigen Projekten als Beifänge archiviert wurden, fand sich bis jetzt niemand für eine Bearbeitung der Funde. Dies soll sich nun ändern. Die Basiserhebung hat zum Ziel, anhand repräsentativer Lebensräume ein aktuelles Arteninventar zu erstellen.

Flechten sind so alltäglich, dass wir sie kaum wahrnehmen. Als Symbiose von Pilz und Alge sind sie an sich schon faszinierende Lebewesen. Sie sind sehr stark vom Untergrund abhängig, auf dem sie wachsen, und auch Wind und Wetter beeinflussen die Flechtengemeinschaften. Baumbewohnende Flechten sind vergleichsweise gut untersucht, aber über die Gesteinsbewohner ist wenig bekannt. Eine spezielle Gesteinseinheit im Ländle zeigt ein sehr breites Spektrum vom kalkarmen Sandstein bis hin zum kalkig-tonigen Mergel. Ihre unterschiedlichen Flechtengesellschaften in Abhängigkeit von Gestein und Lage zu erarbeiten, ist Ziel einer weiteren Studie.

Auch die Pflanzen sollen nicht zu kurz kommen. Moore sind prägende Landschaftselemente (nicht nur) des Kleinwalsertals. Dort werden ihre Pflanzengesellschaften im Detail erfasst und deren Standortbedingungen analysiert. Die Rekonstruktion der kurz- bis langfristigen Entwicklungsgeschichte dient dazu, die Moore im Kleinwalsertal hinsichtlich ihrer Naturnähe zu beurteilen. Darauf aufbauend werden fundierte Empfehlungen für ihre Erhaltung und Entwicklung möglich.

Alle von der inatura geförderten Forschungsvorhaben hier aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Seite sprengen. Ihre Ergebnisse werden nach Abschluss des jeweiligen Projekts auf der Webseite der inatura im Rahmen der Plattform „inatura – Forschung online“ veröffentlicht (www.inatura.at » Forschung). Schon jetzt dort zu finden sind Publikationen aus früheren Studien – von Kurzmitteilungen über Neufunde bis hin zu umfangreichen Fachpublikationen. Auch dies ist Teil des Dokumentationsauftrags der inatura.

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