Kurt Bereuter

geboren 1963, studierte BWL, Philosophie und Politikwissenschaften. Organisationsberater und -entwickler, freier Journalist und Moderator, betreibt in Alberschwende das Vorholz-Institut für praktische Philosophie.

Regionale Produkte auf verlorenem Posten?

Oktober 2025

Seit Monaten wird über die Lebensmittelteuerung in den Medien berichtet. Die „Vorarlberg Milch“ wurde an die NÖM (Niederösterreichische Molkerei reg. Gen. mbH) verkauft und nun wird dort das regionale Sortiment gestutzt.  

Die Marke „Vorarlberg Milch“ gewann bei der jährlichen Erhebung „Vorarlbergs Beste Marke 2025“ in der Kategorie „Unverzichtbare Marken in Vorarlberg“ den ersten Platz. Die Vorarlberger Lebensmittelkunden bewiesen damit nicht nur ihr Markenbewusstsein, sondern auch, dass ihnen regionale Marken etwas bedeuten. Es zeige sich, dass „regionale Unternehmen mit tiefen Wurzeln, hoher Qualität und starker Identität“ das Vertrauen der Kunden genieße. Nachhaltigkeit und Regionalität spielten eine immer größere Rolle bei der Markenwahrnehmung, so zumindest das für die Befragung zuständige Institut. Und wenige Wochen später ging die „Vorarlberg Milch“ samt der Marke in die Hand der NÖM. Wie es nun mit der Marke und dem Markenkern – nämlich Milch und Milchprodukte aus Vorarlberg – weitergeht, wird sich weisen. Und wie Konsumenten darauf reagieren, auch. Untrüglich „abgestimmt“ wird bekanntlich am Ladentisch, und dort zeigt sich, dass Regionalität mit zwei Kaufargumenten im harten Wettbewerb steht.

Billig und Convenience 
Auch im Vorarlberger Lebensmittelhandel steigen die Marktanteile von „billigen“ Lebensmitteln, besonders mit den Eigenmarken. Laut Strukturerhebung der Vorarlberger Wirtschaftskammer vom Jänner greifen die Kunden bei den Vollsortimentern verstärkt zu diesen Preiseinstiegsmarken und zu Aktionen, was zu einer Senkung der durchschnittlichen Einkaufssumme führe. „Billig“ scheint das Motto zu sein und daneben gibt es einen weiteren Trend: Convenience. Darunter versteht man Lebensmittel, die weiterverarbeitet wurden, bis zum Fertigprodukt, das nur mehr erwärmt oder ausgepackt werden muss: von der Pizza bis zum essfertigen marinierten Salat. Das geht einher mit lebensmitteltechnischen Maßnahmen, um die Verarbeitung und Konservierung zu ermöglichen. Produkte werden mit diversen Zusatzstoffen angereichert, und das geht auf Kosten der Frische und der naturnahen Ernährung mit Folgen, die von der Medizin immer wieder aufgezeigt werden. Gleichzeitig erfordert diese Entwicklung für lokale landwirtschaftliche Produzenten einen oder gleich mehrere Schritte weg von der Urproduktion hin zur Lebensmittelverarbeitung. Das können und/oder wollen viele kleine Betriebe nicht. Das ist ein Schritt in die Industrialisierung, den Vorarlberger Milchbauern vor Jahrzehnten mit einer gemeinsamen Großmolkerei gegangen waren und sich jetzt verkauft haben.

Ein Ausweg? Bio und Regional
Wer Bio- und regionale Lebensmittel einkauft, tut sich nicht nur für seine Ernährungsgesundheit und die seiner Familie etwas Gutes, sondern auch für die Nutztiere in unserer Region, haben die doch wesentlich bessere vorgeschriebene und überwachte Lebensbedingungen in der Bio-Landwirtschaft als in der konventionellen Landwirtschaft. Auch wenn ausdrücklich gesagt sein soll, dass viele kleinere bäuerliche Betriebe abseits von Bio auch tiergerechtere Standards leisten. Aber vorgeschrieben und überwacht sind sie dahingehend nicht. Zusätzlich ist Bio-Landwirtschaft naturnähere Landwirtschaft und muss nicht nur auf bestimmtes Futter für die Tiere verzichten, sondern auch auf bestimmte Düngemittel und Medikamente. Das hilft unserem Boden und schützt unser Trinkwasser wie auch das Klima. Für den Ackerbau gilt das gleichermaßen. Tatsächlich werden aber die meisten Bio-Produkte nicht als regionale Produkte verkauft, wie (noch) die Ländle-Bio-Milch, sondern über die großen Eigenmarken der Lebensmittelketten. Das könnte eine vertane Chance sein. 

Regionale Produkte sichern regionale wirtschaftliche und soziale Strukturen
Dass regional produzierte Lebensmittel mit kürzeren Transportwegen klimaschonender sind, versteht sich von selbst. Dass hinter kurzen Transportwegen auch weniger „Konservierung“ der Lebensmittel auf Kosten der Frische nötig sind, auch. Dass bei regionalen Produkten kleine, in der Region ansässige landwirtschaftliche Betriebe ihr wirtschaftliches (Über-)Leben erst sichern können, ebenso. Und dahinter stehen Arbeitsplätze für die regionale Bevölkerung mit Steuer- und Sozialversicherungsabgaben, ohne auf die Landschaftspflege und die Ernährungssicherheit zu vergessen. Dass regional und biologisch erzeugte Lebensmittel für die Natur, die Gesundheit und regionale Strukturen das Optimum sind, sollte jedem Konsumenten beim täglichen Einkauf bewusst sein. 

Wo Region und Bio draufsteht, muss auch Region und Bio drin sein
Es ist also vernünftig und moralisch gut – sofern Sie dem Natur- und Klimaschutz, kleinen Strukturen, gesundheitlichen und sozialen Überlegungen folgen können, wenn Sie weiter auf Bio und Regional setzen. Dass biologische und regionale, in kleinen Strukturen produzierte Lebensmittel teurer sind, erschließt sich aus dem ökonomischen Wissen. Wem also Bio und Regio wichtig sind – und es sich leisten kann – sollte darauf zurückgreifen. Die Verbrauchsausgaben für Lebensmittel in Vorarlberg sind laut Kaufkraftstromanalyse 2022 von 2010 bis 2022 von 14 auf 11,4 Prozent gesunken. Da ist also noch Potenzial vorhanden. Die Produzenten und Händler aus der Region sind angehalten, das Versprechen für Bio und Regional einzuhalten und für ihre regionalen Produkte faire Preise zu bieten. Fair für Konsumenten, Produzenten und Händler. Dann können regionale Produzenten, regionale Händler und kleine naturnahe, ökologische, biologische, soziale und regionale Strukturen überleben. Wenn Ländle-Milch nicht mehr vom Ländle kommt, sollte sie auch nicht mehr so heißen, sonst wird tatsächlich die Marke „Ländle“ beschädigt und damit auch das Vertrauen in „regional“.

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