David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Am Puls der Zeit

März 2023

Über Vorarlberger Weltmarktführer und Hidden Champions. Warum Selbstverantwortung stark macht.

Vorarlberg ist ein erfolgreicher Wirtschaftsraum. Mit Blick auf den Wohlstand seiner Einwohner und insbesondere die Wirtschaftsleistung pro Kopf rangiert es unter den Top-Regionen innerhalb der Europäischen Union. Es kann sich durchaus mit Zentren wie Antwerpen, Hamburg, Teilen der Île de France, mit Paris oder Stuttgart messen.
Im Österreich-Vergleich, bei dem Wien als Hauptstadt ein Sonderfall ist, wetteifert Vorarlberg im Regelfall mit Salzburg und Oberösterreich um die Spitzen-plätze. Nur Luxemburg, einige Spezialfälle wie das innere London, Kopenhagen oder Stockholm sowie viele Schweizer Kantone weisen eine Wirtschaftsleistung pro Kopf aus, die klar über jener Vorarl-bergs liegt.

Unscheinbare Top-Unternehmen
Vorarlberger Erfolgsgeschichten sind im täglichen Leben nicht immer sofort erkennbar. Doch wer einen Küchenkasten öffnet und die Beschläge genauer in Augenschein nimmt, wird vermutlich Produkte der Firma Blum finden. Die PET-Flasche, gefüllt mit Limonade oder Mineralwasser, stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von Alpla. Der Drahtkleiderbügel, den man aus der Reinigung mitbekommt, dürfte ein Werk von Mevo sein. Die Lkw der Gebrüder Weiss überholt man oft auf den Autobahnen Europas, Erleuchtung verschafft Zumtobel und Berge erklimmt man heute weltweit schnell und sicher mit Liften von Doppelmayr. Das ist nur ein kleiner Teil der größeren Erfolgsgeschichten. 
Daneben existieren noch höchst erfolgreiche Betriebe in den Bereichen Handwerk, Architektur, Baukunst, nicht zu unterschätzende IT-Unternehmen und viele mehr. Diese Unternehmen sind noch nicht Welt- oder Europamarktführer. Doch sind auch die heutigen Weltmarktführer häufig aus kleinen handwerklichen Betrieben hervorgegangen. Mit Blick auf die Zukunft gilt es daher nicht nur auf die bereits erfolgreichen Unternehmen zu schauen, sondern darauf zu achten, dass die Voraussetzungen für die zukünftige Entwicklung neuer und innovativer Unternehmen günstig bleiben.

Ursachen des Erfolgs
Es ist klar, dass der bestehende und vermutlich auch der zukünftige Erfolg Vorarlbergs nicht auf Bodenschätze, das Klima oder die Geografie zurückzuführen sind. 
Die Ausbeute von Bodenschätzen ist hierzulande bestenfalls mager – zum Glück! Mit der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen lässt sich selten langfristiger Erfolg erzielen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Existieren große Bestände natürlicher Ressourcen wie Öl, nehmen viele Regierungen im Regelfall schnell autoritäre Züge an und beuten nicht nur die Ressourcen aus, sondern die Bürger gleich noch mit. Mit Blick auf die Welt ist es leider so, dass mit Ausnahme bereits sehr demokratischer Staaten, wie zum Beispiel Norwegen, allzu oft nur eine kleine Elite von Bodenschätzen profitiert. Über die Relevanz des Klimas für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung lässt sich heutzutage vortrefflich streiten. Mit Blick auf die Vergangenheit würde aber wohl niemand ernsthaft behaupten wollen, Vorarlberg hätte sich deutlich besser oder schlechter entwickelt, wenn es hierzulande so kühl wie im schwedischen Lappland wäre oder so warm wie im schweizerischen Tessin. Andere geographische Eigenheiten Vorarlbergs waren nicht notwendigerweise vorteilhaft mit Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung. Historisch betrachtet waren gebirgige Regionen oft eher arm. „Natürliche“ Vorteile hat Vorarlberg also keine besonderen, insofern muss der Erfolg den Menschen geschuldet sein. 
Wohlstand ist menschlich gemacht und kann durch menschliches Tun gemehrt oder reduziert werden. Erfolgsentscheidend sind mitunter menschliche Qualitäten wie Fleiß, Offenheit, Selbstverantwortung und Risikobereitschaft. Doch was bedeutet das konkret? Sind die Vorarlberger und Vorarlbergerinnen einfach an sich „fleißiger“ oder „offener“ als beispielsweise die Bürger Lothringens, Sachsen-Anhalts oder Siziliens, die im Durchschnitt deutlich ärmer sind als die Bürger hierzulande? Oder verhalten sich die Bürger hierzulande andererseits weniger „selbstverantwortlich“ und sind sie weniger „risikobereit“ als jene der Kantone Zürich, Schwyz oder des Großherzogtums Luxemburg, die im Durchschnitt deutlich wohlhabender sind? Die erwähnten menschlichen Qualitäten sind nicht gottgegeben. Sie hängen selbst stark von den politischen Rahmenbedingungen ab. 

Unterschätzte Rahmenbedingungen
Vorarlberg muss sich direkt mit anderen attraktiven Regionen in Teilen Nord-Italiens und Südtirols, Westösterreichs, der Schweiz bis nach Süddeutschland messen. Für erfolgreiche Unternehmen und damit auch Wohlstand braucht es insbesondere gute politische Rahmenbedingungen, die diesen gesamten Wirtschaftsraum mehr oder weniger stark kennzeichnen. Gute Rahmenbedingungen setzen die richtigen Anreize, mit Fleiß an die Arbeit zu gehen, offen gegenüber Neuem zu sein, selbstverantwortlich zu handeln und dabei auch ein gewisses Risiko einzugehen, um sich im Wettbewerb durchzusetzen. Gute Rahmenbedingungen sind – neben einem demokratischen Rechtsstaat mit einer gewissen sozialen Absicherung in einer ansonsten weitgehend freien Marktwirtschaft – insbesondere auch Dezentralisierung und Föderalismus. 
Dezentralisierung fördert Wohlstand und Wachstum durch föderalistischen Wettbewerb mit echter lokaler Eigenverantwortung. Sie trägt dazu bei, den sparsamen Umgang mit knappen öffentlichen Mitteln zu fördern, die Steuermoral der Bürger zu erhöhen, übermäßiges Wachstum des Staatsapparates zu verhindern und politische Entscheidungsträger dazu zu motivieren, die Wirtschaft vernünftig zu regulieren. In föderalistischen Staaten gibt es viele Politiker mit einem nachvollziehbaren Leistungsausweis, was auch auf nationaler Ebene zu problemorientierteren Debatten beiträgt, die im Gegensatz zu zentralisierten Staaten etwas weniger von hohlen Versprechungen geprägt sind. 

Globalisierung erfordert mehr Dezentralisierung
Im Zuge der zunehmenden Globalisierung werden aus Wien und Brüssel vermehrt Stimmen laut, die fordern, Entscheidungen zentral zu treffen. Doch diese Forderung geht in die völlig falsche Richtung. Globalisierung bedeutet eine gesteigerte Mobilität von Arbeit und Kapital sowie mehr Handel. Durch die erhöhte Mobilität der Produktionsfaktoren wird der regionale Standortwettbewerb immer wichtiger und eine einheitliche, zentrale Politik immer unpassender.
Im Standortwettbewerb steigt die Bedeutung für Regionen, eine möglichst eigenständige Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben zu können. Globalisierung erfordert daher einen starken Föderalismus, denn, um den Erfolg zu halten, müssen Regionen wie Vorarlberg in Zukunft noch schneller, flexibler und individuell angepasster in der Lage sein, sich an globale Veränderungen anzupassen.  Tatsächlich ist der deutschsprachige Raum wirtschaftlich besonders erfolgreich, genau weil er im Vergleich zu anderen Sprachräumen in Europa in mehrere und teils kleine unabhängige, dezentrale Staaten aufgeteilt ist: Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein und am Rande Luxemburg sowie die Niederlande. Auch deshalb sind hier Weltmarktführer eher daheim als anderswo.

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