Das Handels- und Genossenschaftsregister
Eine Fundgrube für die Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte Vorarlbergs.
Die wirtschaftliche Entwicklung und die aufkommende Industrialisierung führten im frühen 19. Jahrhundert zu zahlreichen Bestrebungen, das Handelsrecht zu vereinheitlichen und zu kodifizieren. Österreich unternahm dazu ab 1809 mehrere Versuche, die Arbeiten gelangten jedoch nie zu einem Abschluss. Als Mitglied des Deutschen Bundes übernahm es schließlich einen von der deutschen Bundesversammlung ausgearbeiteten Entwurf eines Allgemeinen Handelsgesetzbuches, das am 1. Juli 1863 in Österreich in Kraft trat. Dieses sah die Einführung eines Handelsregisters vor, in das die für den Rechtsverkehr wichtigen Verhältnisse der Kaufleute und Unternehmen eingetragen werden sollten. Es sollte vor allem Klarheit und Rechtssicherheit über die Eigentums- und Haftungsverhältnisse von Betrieben und Unternehmen und deren Vertretung schaffen. Mit der Führung der Handelsregister wurden in großen Städten wie Wien eigene Handelsgerichte, ansonsten aber die Landes- und Kreisgerichte betraut. In Vorarlberg war dies das Kreisgericht Feldkirch, das 1919 die Bezeichnung Landesgericht bekam.
Feldkirch erhielt schon 1817 eine Zuständigkeit in Handelssachen. Dem neu geschaffenen Collegialgericht wurde die Führung von Wechselprozessen übertragen. Wechsel waren damals für den Zahlungsverkehr von Unternehmen von großer Bedeutung. Diese und weitere Zuständigkeiten in Handelssachen wurden nach der bürgerlichen Revolution des Jahres 1848 dem Landes- bzw. Kreisgericht Feldkirch zugewiesen. Bis heute hat das Landesgericht Feldkirch eine Sonderzuständigkeit in Handelssachen.
Schon vor der Einführung des Handelsregisters im Jahr 1863 wurden gerichtliche Handlungs-Protokolle geführt, in die „Handelsleute“, „Fabriksbesitzer“ und „Gewerbeunternehmer, welche ihr Unternehmen mit Gesellschaftern betreiben und eine Gesellschaftsfirma führen“, eingetragen wurden. Auch Ansprüche von Ehegattinnen aus „Ehepacten“ sowie Vollmachten vertretungsbefugter Organe wurden in diese Handlungs-Protokolle eingetragen.
1873 kam das Genossenschaftsregister dazu. Genossenschaften erlebten gegen Mitte des 19. Jahrhunderts einen enormen Aufschwung. Sozialreformer wie Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze Delitzsch propagierten sie als Hilfe zur Selbsthilfe. In Österreich überwogen Vorschuss- und Kreditvereine sowie Konsumgenossenschaften. Graf Karl Belrupt-Tissak, von 1878 bis 1890 Landeshauptmann von Vorarlberg, sah in landwirtschaftlichen Genossenschaften ein wichtiges Instrument zur Vereinigung der Kräfte und Verminderung der Betriebskosten. 1861 hatte er den Vorarlberger Landwirtschaftsverein gegründet. Er setzte sich vor allem für die Errichtung von Käserei- und Molkereigenossenschaften ein, die auch ab den 1870er Jahren in vielen Gemeinden Vorarlbergs gegründet wurden. Später kamen Sennerei-, Viehzucht-, Metzgerei-, Kübler-, Torfgewinnungs-, Futtertrocknungs-, Konsum- und Brauereigenossenschaften hinzu. Es folgten Rohstoff-, Transport- und Elektrizitätsversorgungsgenossenschaften sowie Wohnbau- und Siedlungsgenossenschaften. Lagerhäuser, Magazine und Kühlhäuser, die in Genossenschaftsform betrieben wurden, trugen wesentlich zur Entwicklung der Infrastruktur bei. Insgesamt leistete das Genossenschaftswesen einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinden und zur Förderung des Gemeinwohls.
Zur Kontrolle der Genossenschaften wurde 1903 eine Revisionspflicht eingeführt. Die Erfüllung dieser Pflicht wurde vom Registergericht überwacht, das ab diesem Zeitpunkt auch ein eigenes Revisionsregister führte. Dies alles fiel in die Zuständigkeit des Landes- bzw. Kreisgerichtes Feldkirch, das bis zu der 1993 erfolgten Umstellung auf das elektronisch geführte Firmenbuch für das Handels- und Genossenschaftsregister zuständig war. Lediglich in der NS-Zeit war statt des Landesgerichtes das Amtsgericht [heute Bezirksgericht] Feldkirch hierfür zuständig.
Die 106 Bände des historischen Handels- und Genossenschaftsregister befinden sich heute im Vorarlberger Landesarchiv in Bregenz. Sie stellen eine wichtige Quelle für die Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte des Landes dar. Sie geben Einblick in die Entwicklung der Industrie, des Handels und des Gewerbes und die persönlichen Verhältnisse von Firmeninhabern und Gesellschaftern. Da finden sich auch Eintragungen, wer wann „mit Tod abgegangen“ oder „wegen ausgebrochenen Wahnsinns“ unter Kuratel gestellt worden ist. Das Handels- und Genossenschaftsregister spiegelt die Entwicklung des Handels- und Gesellschaftsrechts und seiner Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur des Landes wider. So führten beispielsweise Änderungen im Aktienrecht dazu, dass 1873 das „Hotel und Pension Pfänder“ in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft gegründet wurde. Und das 1906 neu geschaffene Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung führte im Laufe der Jahre zu einer grundlegenden Veränderung der Firmenstrukturen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden sogar „Gefolgschaftsfirmen“ zur Unterstützung von Betriebsangehörigen in der Rechtsform von Gesellschaften mit beschränkter Haftung errichtet.
Dass bei der „Volksbank Rankweil eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ am 8. Oktober 1951 als Zweck der Genossenschaft der Betrieb von Bank- und Sparkassengeschäften aller Art ausdrücklich „unter Ausschluss aller spekulativen Geschäfte“ eingetragen wurde, während dieser Ausschluss bei anderen Banken und Kreditgenossenschaften nicht erfolgte, ist ein bemerkenswertes Beispiel für überraschende Funde, die im Handels- und Genossenschaftsregister gemacht werden können. Es ist das wirtschaftliche Erbe unseres Landes, das darin ein bleibendes Archiv gefunden hat.
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