Nora Weiß

Redakteurin Thema Vorarlberg

Foto: Weissengruber

Die große Abhängigkeit

April 2022

Steigende Erdgaspreise und die Angst um Versorgungsengpässe sind seit Beginn der Ukraine-Krise in den Vordergrund gerückt – wie gravierend die Abhängigkeit vom Energielieferanten Russland ist, spürt die Bevölkerung aktuell deutlich. Ein weiterer rascher Ausbau erneuerbarer Energieträger ist alternativlos. Wünschenswert wäre zudem eine technologieoffenere Haltung, um Alternativen wie „Grünes Gas“, Wasserstoff und Co. forcieren zu können.

Status Quo

Die Vorarlberger Energielandschaft ist geprägt von einem Mix verschiedenster Energielieferanten, wie Simon Groß und Herbert Motter unlängst in „Die Wirtschaft“ skizzierten: „Was die heimischen Haushalte betrifft, zeigen Daten der Statistik Austria einen positiven Trend zu erneuerbaren Energieträgern: Für 2019/2020 zählt die Statistik 22.729 Haushalte, die mit Erdgas geheizt werden. Das ist zu früheren Jahren eine vergleichsweise geringe Anzahl, demgegenüber stehen 19.862 Haushalte mit Fernwärme, 31.781 Haushalte mit Photovoltaik und Wärmepumpen sowie 32.670 Haushalte mit Holz, Hackschnitzel, Pellets oder Holzbriketts. Der Anteil an Heizöl und Flüssiggas betrug 40.418 Haushalte, zehn Jahre zuvor waren das noch 57.392. Noch vor einem Jahr war Erdgas so billig wie vor 15 Jahren.“ Der günstige Preis hielt bisher viele Haubesitzer:innen davon ab, etwas an ihrem bisherigen Heizsystem zu verändern und auf ein umweltfreundlicheres, energieeffizienteres umzusteigen. Die Lage hat sich aber dramatisch geändert. Neben dem verpflichtenden Austausch von Ölheizungen bis spätestens 2035 feuern die Teuerungen für Erdgas diese Überlegungen wieder an. Wer aber einen Wechsel aus rein wirtschaftlichen Gründen anstrebt, wird enttäuscht sein: „Wer aus rein rechnerischem Kalkül eine Alternative zur Gasheizung sucht, wird nicht fündig werden. Denn der Umstieg allein aus Kostengründen lässt sich kaum darstellen, wenn die Gasheizung und das Gebäude vielleicht erst zehn oder 15 Jahre alt sind. Dafür ist die neue Heizung zu teuer – Pellets und Luftwärmepumpe derzeit in der Regel beginnend bei 25.000 Euro, Förderungen bereits abgezogen – und der Energieverbrauch zum Gegenrechnen zu niedrig. Auch wenn Alternativen zur Gasheizung derzeit attraktiv gefördert werden“, schreibt das Energieinstitut Vorarlberg auf dessen Homepage. 

Versorgungsengpass

Der Ukraine-Konflikt und die damit verbundenen Sanktionen gegenüber Russland verstärken die Sorge um einen potenziellen Versorgungsengpass – der Ruf nach einer höheren Erdgasbevorratung wird zunehmend lauter. Die in Österreich tätigen Energiespeicherbetreiber wie etwa die OMV haben hierfür laut Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie insgesamt eine Speicherkapazität von rund 8,085 Milliarden Kubikmetern Arbeitsgasvolumen. Allerdings nimmt Vorarlberg in dieser Hinsicht gemeinsam mit Tirol eine Sonderstellung ein: beide Bundesländer sind nicht an das österreichische Versorgungsnetz angeschlossen, sondern beziehen den gesamten Bedarf über Pipelines direkt aus Deutschland. Somit sind die österreichischen Lager für den heimischen Bedarf nicht beziehungsweise nur indirekt von Nutzen. Was passiert nun aber im Ernstfall, wenn der Erdgasfluss aus Russland versiegt? Andreas Neuhauser, Pressesprecher der Illwerke vkw, kann hier Entwarnung geben: „Die besondere Situation der Marktgebiete Vorarlberg und Tirol ist in dem vorliegenden Gesetzesentwurf zur strategischen Gasreserve berücksichtigt. Es sollen die Gasreserven demnach in jenen Gasspeichern angelegt werden, die für die Versorgung des jeweiligen Marktgebietes herangezogen werden können. Konkret könnte dies dadurch sichergestellt werden, dass die Gasreserven für Vorarlberg und Tirol in jenen österreichischen Gasspeichern angelegt werden, die direkt in das deutsche Netz ausspeisen.“ Zudem gebe es eine EU-rechtliche Verpflichtung, wonach jedes Mitgliedsland verpflichtet sei, die internationalen Gasflüsse aufrechtzuerhalten sowie im Falle eines Gasmangels solidarisch zu sein, erklärt Neuhauser und betont, dass im Falle eines Ausfalls der russischen Gaslieferungen die Versorgung der geschützten Kunden – Haushalte und soziale Einrichtungen – vorrangig sichergestellt werde. Wie lange die Versorgung aber gewährleistet werden könne, hänge stark vom Erdgasabsatz und den Speicherständen ab. Aus Sicht des Vorarlberger Energielieferanten illwerke vkw wäre es daher dringend erforderlich, sich präventiv mit Deutschland auf eine mögliche Vorgangsweise abzustimmen. Auch Markus Comploj, Industrie-Spartenobmann in der Wirtschaftskammer Vorarlberg, forderte dieser Tage die Regierung dazu auf, das Gespräch mit Deutschland zu suchen. „Der Ukraine-Krieg verursacht auch in Vorarlberg bereits erhebliche Schäden. Die Versorgungssicherheit bei Gas auch für die Industrie muss gewährleistet werden“, sagt Comploj und betont, dass die heimischen Betriebe dringend Planungssicherheit benötigen. Aktuell sei das Ausmaß der Bedrohung für den Industriestandort Vorarlberg noch unklar.

Weichen für die Zukunft stellen

Die Länder der EU hätten sich schon in den vergangenen Monaten alternative Lieferungen von Erdgas aus Norwegen und verflüssigtem Erdgas (LNG) aus den USA gesichert, sagt Andreas Neuhauser und führt aus, dass sich aktuell auch Deutschland und Österreich um alternative Lieferquellen bemühen würden. Denn derzeit liegt der Fokus darauf, genügend Erdgas zu bevorraten, um die kommende Heizperiode zu sichern. Die dazu notwendigen Gesetze sind bereits in Ausarbeitung. Um aber künftig aus der großen Abhängigkeit von Russland oder alternativen Erdgas- beziehungsweise Erdöllieferanten zu entkommen, braucht es einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Österreich plant darüber hinaus ein Erneuerbare-Wärmegesetz, das den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen unterstützen und beschleunigen soll. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass der Umstieg nicht sofort gelingen wird, daher braucht es zudem eine technologieoffenere Haltung, um umweltfreundlichere Alternativen wie etwa Biogas für die heimischen Haushalte möglichst einfach und rasch zugänglich zu machen.

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