„Eine zusätzliche Chance für das exportstarke Vorarlberg“
Elisabeth Christen, Expertin für Außenwirtschaft und internationale Wirtschaftsbeziehungen beim Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), beantwortet vier Fragen zum in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten transatlantischen Freihandelsabkommen.
Verstehen sie den Protest gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen?
Die geäußerte Kritik gegenüber TTIP ist in gewissen Bereichen nachvollziehbar, da sie besonders sensible Bereiche wie den Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutz anspricht und in den USA die Standardsetzung generell nicht wie in der EU auf dem Vorsichtsprinzip beruht. Das Vorsichtsprinzip und der Erhalt der hohen Schutzniveaus in der EU sind aber im Verhandlungsmandat verankert, wodurch die Europäische Kommission versichert, diesen Forderungen in den Verhandlungen gerecht zu werden. Eine kritische Diskussion herrscht vor allem über den Investitionsschutz und die Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS), die einige Kritikpunkte aufweisen, die zu Recht moniert werden. Doch im Zuge des Verhandlungsprozesses und der durchgeführten Online-Konsultation besteht die Chance, diese Kritikpunkte bzw. Nachteile der bestehenden Verfahren noch anzupassen; so hat die EU bereits im Handelsabkommen mit Kanada (CETA) die Bestimmungen nachgeschärft.
Was ist das Ziel des Transatlantischen Freihandelsabkommens?
Das Ziel von TTIP ist es, den Handel und den Marktzugang zu erleichtern, wie auch eine Reduzierung der Zölle. Der Hauptfokus liegt auf der Reduktion der Mehrfachzertifizierungen, die nötig sind, wenn ein österreichisches Unternehmen auf dem amerikanischen Markt verkaufen will. Das betrifft zum Beispiel Sicherheitszertifikate, technische Standards und Normen. Diese machen einen Großteil der Handelskosten aus, die derzeit im Gespräch sind. Das durchschnittliche Zollniveau ist schon relativ gering – das wurde durch vorangegangene Abkommen schon erleichtert. Durch TTIP sollen die Lebensmittel- und Gesundheitsstandards nicht gelockert werden, unnötige Regulierungen wie Mehrfachzertifizierungen sollen hingegen abgebaut werden.
Welche volkswirtschaftlichen Effekte hätte TTIP?
Studien zeigen, dass durch die gegenseitige Anerkennung gemeinsamer Sicherheitsstandards vor allem kleine und mittlere Unternehmen durch den resultierenden Abbau von Kosten profitieren würden. Das ist gerade für Österreich spannend, weil die Mehrheit der Unternehmen im Land KMU sind. TTIP könnte also dazu führen, dass die Exportentscheidung von KMU positiv beeinflusst wird. Durch den Wegfall der Mehrfachzertifizierungen, die für Unternehmen, die in die USA exportieren, bisher nötig waren, würden viele von solchen Geschäften profitieren.
Würde Vorarlberg von TTIP profitieren?
98 Prozent der österreichischen Betriebe sind KMU, das gilt auch für Vorarlberg. Für ein so exportstarkes Bundesland wie Vorarlberg wäre TTIP eine zusätzliche Chance für einheimische Unternehmen, den amerikanischen Markt zu erschließen, denn die Fixkosten für den Export würden damit niedriger. Die Holzbranche etwa würde von gemeinsamen Standards und Normen profitieren, weil der derzeitige Mehraufwand durch zusätzliche Zertifizierungen für den US-Markt – zum Beispiel bei Möbeln und Türen – wegfiele. Aber auch für die Textilbranche in Vorarlberg wäre TTIP ein Vorteil, weil die Zölle dort höher sind als im Durchschnitt der Branchen. So würde TTIP zusätzliche Spielräume und Handelsvorteile für die KMU-Struktur im Land schaffen, aber auch die Vorarlberger Zulieferer für deutsche Unternehmen, die in die USA exportieren, begünstigen.
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