Wilfried Hopfner

Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Herausgeber Thema Vorarlberg

Entbürokratisierung ist unabdingbar

Mai 2024

Brief des Herausgebers

Wir leben in einer spannenden und durchaus herausfordernden Zeitepoche. Noch keine Generation vor uns war wohl informierter, wissender, gesünder und wohlhabender. Gleichzeitig gab es aber wahrscheinlich auch keine Zeit vor uns, in welcher die Transformationsprozesse so umfangreich und vor allem so schnell das Leben und Wirtschaften bestimmen. Wahrscheinlich vor allem deswegen, weil wir so viel wissen, sind wir oft verunsichert, unzufrieden und sogar perspektivlos.
Dabei haben gerade wir Europäer so viel erreicht. Wir können stolz auf das Erarbeitete sein und dürfen auch durchaus zuversichtlich in die Zukunft blicken. Dieser Blick in eine positive Zukunft wird uns aber nicht einfach gemacht und ist kein Geschenk. Daran müssen wir alle aktiv und engagiert arbeiten. Mit „alle“ meine ich Politik, Wirtschaft und Bevölkerung.
Staat und Politik müssen sich auf ihre ureigenste Aufgabe konzentrieren, nämlich Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich Unternehmen und Menschen entwickeln können, in welchen Anreizsysteme und nicht Verbote und Gebote lenken und damit zukunftsfähige und nachhaltige Innovationen möglich werden. Nichts, was wir heute mit hoher Selbstverständlichkeit tagtäglich nutzen, ist einfach entstanden. Es hat sich aus Kundenbedürfnissen und/oder innovativer unternehmerischer Tätigkeit entwickelt und damit unser Leben vereinfacht und verbessert. 
Vieles davon verdanken wir auch der langjährigen Aufbruchstimmung und Wachstumsphase und vor allem auch einer Zeit, in der nicht alles bis ins letzte Detail geregelt war. Da durften kreative Ideen umgesetzt und mutige Entscheidungen getroffen werden, ohne dass Vorschriften und Regeln vieles bereits im Keim erstickt haben. Vieles von diesem „Pioniergeist“, dem gegenseitigen Vertrauen, weil es nur Miteinander und nicht Gegeneinander geht, und einem positiven Anreizsystem, welches ermöglicht und nicht verhindert, würden wir auch heute wieder brauchen, damit sich unser Wirtschaftsstandort positiv entwickeln kann. Wir sollten die heutigen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, damit mehr Privat und weniger Staat Prozesse vereinfacht und Verfahren verkürzt.
Ich bin überzeugt, dass wir ohne Leistung, Eigenverantwortung und Engagement unseren hart erarbeiteten Wohlstand nicht prolongieren können. Ich halte es mit John F. Kennedy, der gesagt hat: „Frage nicht nur, was dein Land für dich tun kann, sondern frage, was du für dein Land tun kannst.“ Daher müssen auch Wirtschaft und Bevölkerung ihren Beitrag leisten. In dem Wissen um die gegebene Abhängigkeit – ohne Menschen funktioniert Wirtschaft nicht und ohne Wirtschaft gibt es keinen attraktiven Lebensraum – müsste es uns doch gelingen, dass wir wieder – vor allem auch getragen von gegenseitigem Vertrauen – eine leistungsorientierte Gesellschaft werden, in der sich Arbeit lohnt und diese auch sicherstellt, dass die wohlerworbenen Leistungen unseres Sozialstaates aufrechterhalten werden können. 
Auch Entbürokratisierung kann bei uns selbst beginnen. Wenn wir nicht immer gleich nach einer Regelung rufen, die unser Zusammenleben organisieren soll, sondern mit gegenseitigem Verständnis und gelebter Wertschätzung agieren würden, könnten viele Vereinfachungen umgesetzt werden.
Ich wünsche mir, dass die künftigen politischen Vertretungen auf EU-, Bundes- und Landesebene in ihrer Arbeit einen bestmöglichen Interessensausgleich finden, damit eine ökonomisch und ökologisch funktionierende Wirtschaft Rahmenbedingungen dafür vorfindet, welche ein nachhaltiges Wachstum unseres Wirtschafts- und Lebensraumes sicherstellt. Deshalb ist es in diesem Wahljahr auch wichtig, dass alle Gruppen und Interessen in den politischen Entscheidungen Platz finden. Jedenfalls muss die EU Rahmenbedingungen schaffen, dass Europa wirtschaftlich im internationalen Kontext nicht weiter an Boden verliert. Ein europäisches Bürokratiemonster macht nicht nur uns das Leben schwer, sondern es verbessert umgekehrt auch nicht die restliche Welt!
Und ich wünsche mir auch, dass es der künftigen Bundes- und Landesregierung gelingt, ein Anreizsystem zu schaffen, in welchem bürokratische Hürden konsequent abgebaut werden und neue nicht mehr entstehen. Zur Sicherstellung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist Entbürokratisierung unabdingbar.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.