Für mehr Resilienz in der Politik
In Wirtschaft und Politik wird gerne und viel über „Resilienz“ gesprochen. Politische Entscheidungsträger fordern dabei vermehrt, die Wirtschaft möge bitte resilienter werden. Doch zeichnet sich die Wirtschaft bereits als recht resilient aus. Das eigentliche Problem liegt oft in der Politik selbst, die durch Überregulierung unternehmerische Flexibilität verunmöglicht, Anpassung erschwert und so Resilienz hemmt. Dadurch verschlimmert sie Krisen oder befeuert diese.
Resilienz versus Risikovermeidung
Zu oft wird „Resilienz“ mit „Risikovermeidung“ verwechselt. Diese Verwechslung seitens politischer Entscheidungsträger, Medienschaffender aber auch mancher Unternehmer ist problematisch.
Bei Risikovermeidung geht es darum, Verluste möglichst zu vermeiden. Risikovermeidung ist häufig mit starren bürokratischen Regulierungen verbunden, die noch dazu nur vorhersehbare Risiken betreffen. Resilient sind ein Unternehmen, die Wirtschaft und die Gesellschaft ganz allgemein, wenn auch auf unvorhersehbare Risiken dynamisch und erfolgreich reagiert werden kann. Es geht also darum, unter Ungewissheit eine positive Dynamik zu erreichen, selbst wenn sich Risiken realisieren und es zu großen Verlusten kommt.
Resilienz bedeutet, im Falle einer Risikorealisierung und bei Verlusten wieder schnell auf einen Wachstumspfad zurückzukommen. Resilienz zielt bewusst nicht darauf ab, alle Risiken zu vermeiden. Risiken können eingegangen werden, doch wenn es schlecht ausgeht, soll dies keine besonders großen Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen oder wenigstens nicht für die Wirtschaft insgesamt und die Gesellschaft haben. Mehr noch: Risiken sollen sogar eingegangen werden, denn Risiken sind in aller Regel mit Chancen verbunden. Die Realisierung von Chancen bietet Mehrwert für alle und schafft Wohlstand. Wer Risiken aufgrund starrer bürokratischer Regulierungen vermeiden muss, kann Chancen nicht realisieren. Und wer Chancen nicht realisieren kann, landet auf einem tieferen Wachstumspfad und schafft damit mittelfristig nicht nur weniger Wohlstand, sondern gefährdet die eigene Resilienz.
Marktwirtschaft ist recht resilient
Die Marktwirtschaft als Wirtschaftssystem und die darin tätigen Unternehmen sind recht resilient. Dies haben sie in der Vergangenheit oft bewiesen. So schaffen es Unternehmen im Regelfall recht gut, sich an Schocks anzupassen, wie beispielsweise an steigende Gaspreise oder an eine Pandemie. Die Produktionsausfälle und Schließungen zu Beginn der COVID-19-Pandemie waren überwiegend staatlich verordneter Risikovermeidung zuzuschreiben. Die freie Wirtschaft insgesamt übersteht Krisen oft ohne langfristige Schäden. Dabei hilft das Preissystem der Marktwirtschaft. Preisänderungen von Materialien und den zu verkaufenden Produkten erlauben es, frühzeitig zu reagieren, zu spekulieren, umzuschwenken und gegebenenfalls einen ehemals eingeschlagenen Weg nicht bis zum Ende zu verfolgen.
Resiliente Unternehmen gehen zwar Risiken ein, zeigen aber Flexibilität und die Fähigkeit, Bestehendes zu substituieren. Wenn ein Produkt sich nicht mehr verkaufen lässt, kann ein resilientes Unternehmen dessen Produktion runterfahren und die freien Kapazitäten für jene Produkte nutzen, die sich weiterhin verkaufen lassen. Tut es das nicht, sorgt eine resiliente Wirtschaft dafür, dass ein Wettbewerber die bestehenden Strukturen übernimmt und die Kapazitäten für erfolgreichere Produkte nutzt.
In der Marktwirtschaft verhalten sich Unternehmer häufig ohne Zwang weitgehend resilient. Sie versuchen, sich viele Türen offen zu halten, sodass sie schnell reagieren können, wenn sich eine der Türen doch mal unerwartet schließt.
Das Problem der Resilienz in der Politik
In der Politik sieht es anders aus: Hier wird nicht nur Resilienz mit Risikovermeidung verwechselt. Politische Entscheidungsträger geben oft auch vor, Risiken immer ausgleichen zu können. Doch wer versucht, bei jeder kleinen Krise zu helfen, reduziert die Resilienz. Denn einerseits verursacht die Hilfe Kosten, sodass bei zukünftigen Krisen weniger „geholfen“ werden kann. Andererseits verzerrt es die Anreize in der Wirtschaft. Denn wer weiß, dass er bei Verlusten, die er selbst tragen könnte, immer Unterstützung erfährt, bemüht sich nicht um Resilienz, sodass selbst kleine Verluste dann tatsächlich zu großen Problemen führen. Daher braucht es in der Politik klare Prinzipien und Regeln.
Eine gute Grundregel ist, Freihandel zu erhalten: Oft betonen Politiker, Resilienz würde bedeuten, sich unabhängiger von internationalen Lieferanten zu machen. Doch damit liegen sie daneben. Handelsoffenheit erhöht die Resilienz, denn dank ihr ergeben sich viele Optionen, im Falle von Problemen auszuweichen. Wer Waren vor allem im eigenen Land bezieht, ist besonders abhängig von der Politik dort. Klug ist, auch die Abhängigkeit von „den eigenen“ nicht zu groß werden zu lassen.
Das Subsidiaritätsprinzip ist ebenfalls eine resiliente Grundregel: Zentralistische Vorgaben von oben fördern nicht die Resilienz, da ein Fehler weitreichende Auswirkungen auf alle haben kann. Föderalismus und Dezentralisierung erhöhen hingegen die Resilienz, denn die Krise in einem Bundesland kann durch neue Chancen in anderen Bundesländern aufgefangen werden.
Budgetregeln wie eine harte Schuldenbremse können der Politik helfen, besser aus Krisen auf einen Wachstumspfad zurückzukommen. Sie reduzieren die Erwartungshaltung aller, bei jeder kleineren Krise auf den Staat vertrauen zu können. Darüber hinaus erleichtern sie es den politischen Entscheidungsträgern, manche Begehren von Interessengruppen abzulehnen. Und weil Budgetregeln zu stabileren öffentlichen Finanzen beitragen, bestehen überhaupt ausreichend Mittel, eine wirklich schwere Notsituation meistern zu können.
Leider werden Regeln und Prinzipien von politischen Entscheidungsträgern gerne ignoriert. Denn sie können zu gut die Kosten der Regelmissachtung auf andere abwälzen, die hoffentlich „resilient“ genug sind, die Kosten zu tragen.
Business Summit
Im Rahmen des Business Summit am 6. Juni 2024 referiert unser Autor David Stadelmann an der Fachhochschule Vorarlberg zum Thema „Resiliente Wirtschaft, krisenanfällige Politik?“
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