Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Kampf um Macht und Mandate

August 2014

Ein Passant betrachtet gerade mal ein, zwei Sekunden ein Wahlplakat. Viel Zeit bleibt den Parteistrategen da nicht, potenziellen Wählern den jeweiligen Kandidaten und dessen Botschaft schmackhaft zu machen. Und trotzdem sind Wahlplakate auch heute noch essenziell – 40 Jahre nach jener Landtagswahl, die als die erste moderne ihrer Art gilt.

Am 21. September wird der Landtag gewählt, in einer spannenden Wahl mit besonderen Vorzeichen – sichtbar auch an den vielen Wahlplakaten. Sind Plakate im 21. Jahrhundert aber noch ein probates Mittel, um dem Bürger Kandidaten und Botschaften näherzubringen? „Ja“, sagt Politologe Fritz Plasser. Gewiss komme es auf Form und Inhalt an, auf die richtige Botschaft. Aber insgesamt würden „Plakate sowohl der Aktivierung potenzieller Wähler als auch der Mobilisierung und Unterstützung der eigenen Funktionäre, Sympathisanten und Aktivisten dienen“. Auch das Demokratiezentrum Wien nennt das Plakat „ein Wahlkampfmittel, auf das auch heute noch keine Partei verzichten“ könne. Und der deutsche Kommunikationswissenschaftler Franz Brettschneider prognostiziert, dass Wahlplakate zwar etwas an Bedeutung verlieren werden, „aber der Anspruch an ihre Qualität wird wachsen“.

Die erste moderne Landtagswahl

Im Laufe der Jahre änderten sich die Wahlplakate freilich massiv. Dominierten in den Nachkriegsjahren ideologische Kämpfe, brachten die 1970er Jahre Änderungen. Unter Bruno Kreisky näherte sich die politische Werbung der kommerziellen Produktwerbung an. Spitzenkandidaten rückten auf Kosten der Parteien in den Vordergrund, neue visuelle und grafische Elemente wurden verwendet. Der zuvor vorherrschende aggressive Ton wich Positiv-Argumenten, Visionen wurden beworben, nicht mutmaßliche Fehler der Gegner kritisiert. „Von einer Entpolitisierung der Plakatwerbung wurde damals gesprochen“, sagt Plasser, „zu Unrecht.“ Vielmehr etablierte sich ein neuer Stil der politischen Kommunikation. Diesem neuen Werbe-Trend folgte, etwas zeitverzögert, auch die Vorarlberger Politik. „1974“, sagt der Dornbirner Historiker Wolfgang Weber, „wird zur ersten modernen Landtagswahl Vorarlbergs.“ Zwei Jahre nach der Einweihung des ORF-Landesstudios wird erstmals massiv auf Radiowerbung gesetzt. Erstmals bekommen die Parteien dank des Parteienförderungsgesetzes ihre Wahlkampfkosten ersetzt. Und auch inhaltlich werden neue Wege beschritten: „Zuvor war stets nur retrospektiv geworben und Bilanz gezogen worden. 1974 werden dagegen erstmals in die Zukunft weisende Slogans präsentiert.“ Was heute Usus ist, war damals ein Paradigmenwechsel: Der Vorgänger von Landeshauptmann Herbert Kessler, Ulrich Ilg (1945 bis 1969), hatte sich laut Weber noch geweigert, „eigene Wahlprogramme aufzustellen oder gar Zukunftsvisionen in Form von Regierungserklärungen abzugeben“.

Politiker privat – ein neuer Trend

In Sachen Personifizierung der Politik wird 1979 der nächste Schritt gesetzt. Ein Münchner Fotograf war engagiert worden, um Landeshauptmann Herbert Kessler privat in seinem Garten zu fotografieren. „Per Teleobjektiv, damit Kessler locker blieb“, erinnert sich Jürgen Weiss, der damalige ÖVP-Landesgeschäftsführer. In dieser Zeit waren Vorarlbergs Politiker den Umgang mit Fotografen schlichtweg nicht gewohnt und stellten sich, wenn überhaupt, eher unwillig in Pose. Doch blieb es nicht allein bei dieser visuellen Neuerung – auch mit dem Slogan „Ihm vertraut Vorarlberg – LH Dr. Herbert Kessler“ begab man sich auf unbekanntes Werbeterrain: den Landeshauptmann privat und gut gelaunt zu zeigen, garniert mit einem Slogan, der Nähe zu den Bürgern suggeriert. Was heute gang und gäbe ist, war damals neu.

Negativwerbung wird zum Erfolg

Die 1980er Jahre brachten weitere Änderungen – zunächst durch die Grünen, die mit ihrem Umweltthema 1984 erstmalig in den Landtag einzogen, 1989 auch durch die SPÖ, die ihren Kandidaten Arnulf Häfele mit roten Boxhandschuhen porträtieren ließ. Das Plakat sorgte für Aufregung, ein Konzept, das die Blauen schließlich im Sog der Erfolge von Jörg Haider zur Perfektion brachten. „Mit Haider“, sagt Plasser, „wird aus der Parteienwerbung eine Angriffswerbung, negativ, polarisierend, mit großem Mobilisierungs- und Emotionalisierungspotenzial.“ Diesem Trend zur Negativwerbung, der bis heute anhält, kann Plasser nichts abgewinnen: „Kann man mit Negativität tatsächlich mehr Potenzial aktivieren? Ich bin da skeptisch.“ Apropos Praktiker: Laut Plasser transportiert das ideale Wahlplakat in verdichteter Form die zentrale Botschaft des Kandidaten, ist visuell aber nicht überladen. Was simpel klingt, fällt Agenturen oft schwer. Die Bürger sind da unbarmherzig: Studien zufolge wird ein Plakat gerade mal ein bis zwei Sekunden gemustert. In dieser kurzen Zeitspanne wollen Kandidat und Botschaft beworben sein. Und wer sich trotzdem über den Plakatdschungel im Land ärgert, dem mag Loriots Erkenntnis ein Trost sein: „Der beste Platz für einen Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“

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