Hans-Peter Metzler

Alt-Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: ©Markus Gmeiner)

Reformieren, nicht zerschlagen

November 2017

Es ist unbestritten, dass sich die Sozialpartnerschaft in Krisenzeiten bewährt hat; die europaweit geringste Anzahl an Streikminuten und der damit verbundene Arbeitsfrieden sind, international und national gesehen, wichtige Standorts- und Arbeitsplatzindikatoren. Aber dabei darf man es nicht belassen: Selbstverständlich müssen große Organisationen permanent hinterfragen, ob sie auch die Interessen ihrer Mitglieder wirksam vertreten. Nur sollte, und das wird in der aktuellen Debatte vergessen, auch weiterhin der Grundsatz gelten: So viel Freiheit wie möglich, aber auch so viel Solidarität wie notwendig. Und in dieser Hinsicht ist der zugegebenermaßen oftmals mühevolle Weg des Interessenausgleichs einem allmächtigen Staat allemal vorzuziehen. Was das mit der aktuellen Debatte zu tun hat? Kurz gesagt: Alles!

Denn den wenigsten Bürgern, die jetzt so lauthals die Abschaffung der Mitgliedschaft fordern, ist die Tatsache bewusst, dass ein Ende der Sozialpartnerschaft in ihrer bewährten Form zwangsläufig ein Mehr an Staat bringt. Die Mitgliedschaft ballt die Kraft gegenüber dem Staat. Einer Abschaffung der Selbstverwaltung würde also ein starker Staat folgen; das hatte vor Längerem schon der renommierte, mittlerweile verstorbene Verfassungsjurist Karl Korinek festgehalten. Es ist also bizarr, regelrecht ein Hohn, dass gerade jene Kräfte, jene Liberalisierungsfanatiker, ein Ende der Sozialpartnerschaft fordern, die ansonsten bei jeder Gelegenheit nach einem schwächeren Staat rufen.

Die Mitgliedschaft in den diversen Kammern ist in erster Linie eine Solidarmitgliedschaft, die zugegebenermaßen manchmal mühsam, letztlich aber immer erfolgreich um eine gemeinsame Lösung ringt. Ein Ende der Sozialpartnerschaft hieße auch ein Ende der Konsensfähigkeit. Konflikt würde Konsens ersetzen. Wenn es also auch zunehmend schwieriger wird, den Interessenausgleich zu verhandeln, haben letztlich immer noch alle von einem ausgewogenen solidarischen Ergebnis profitiert. Diese Solidarität sollten wir jetzt nicht dem politischen Augenblick und dem Zeitgeist opfern! Reformieren, nicht zerschlagen, das muss die Devise künftiger Bestrebungen und Verhandlungen sein. Die Selbstverwaltung hat dort Berechtigung, wo sie um Lösungen kämpft und muss dort abgeschafft werden, wo sie zur Selbstverwirklichung von Funktionären verkommen ist. Es ist allemal klüger, Bewährtes an die neue Zeit anzupassen, als Bewährtes der neuen Zeit ersatzlos zu opfern.

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