Nora Weiß

Redakteurin Thema Vorarlberg

Foto: Weissengruber

Vom leeren Raum - Leerstand in Vorarlberg

Mai 2022

Das Thema Leerstand gewinnt in Zeiten stetig steigender Mietpreise und einer zunehmenden Wohnungsknappheit immer mehr an Bedeutung. Das Land Salzburg prüfte unlängst die Einführung einer Leerstandsabgabe.
Doch die Realität zeigt, dass dieses Thema deutlich komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Leerstand ist nicht gleich Leerstand – es braucht eine differenzierte Betrachtung. Denn neben Wohnungen, die nicht vermietet werden, werden auch Unternutzungen – wie etwa Zweitwohnsitze oder Feriendomizile in Tourismusgebieten unter diesem Begriff erfasst. Auch Wohnraum, der nicht dem aktuellen Standard entspricht und vor einer Vermietung eine Sanierung erfordern würde, wird zum Leerstand gerechnet.
Um Handlungsstrategien entwickeln zu können, führte das Land Vorarlberg in Kooperation mit der Eigentümervereinigung Vorarlberg (VEV) 2018 als erstes und bisher einziges Bundesland in Österreich eine Studie zum Thema Leerstand durch. Das Ergebnis: Die Erfassung von Leerstand ist schwierig. Einerseits wurden Melderegister, Verbrauchsdaten wie Strom und Wasser, andererseits die Aufzeichnungen von Gemeinden zur Analyse herangezogen. 
Dennoch lässt sich eine definitive Zahl nicht ermitteln, nicht zuletzt aufgrund des Datenschutzes. Die Schätzung der Studie ergab nach Abzug der Zweit- und Ferienwohnungen sowie der Einliegerwohnungen, die häufig nicht vermietet werden, einen tatsächlichen Leerstand von 8500 Wohnungen, wovon rund 2000 den aktuellen Wohnungsstandards entsprechen und kurzfristig dem Markt zugeführt werden könnten. 
Laut Wohnungsregister gab es 2018 zum Zeitpunkt der Studie rund 198.100 Wohnungen in Vorarlberg – der Leerstand entsprach also in etwa einem Prozent des Wohnbaubestandes und in etwa der Wohnbauleistung im Mehrwohnungsbau eines Jahres. Obgleich das Thema derzeit wieder breit diskutiert wird, wurde seit 2018 keine weitere Analyse mehr erstellt. 
„Wir haben zwar keine aktuellen statistischen Erhebungen, aber die Zahlen dürften sich nicht gravierend verändert haben in den vergangenen Jahren“, sagt der Präsident der Vorarlberger Eigentümervereinigung und Rechtsanwalt, Markus Hagen und führt aus: „Es zeigt sich aber, dass Leerstand im Einzelfall und meist aus persönlichen Situationen entsteht, oftmals durch ein Erbe oder ähnliches. Wohnungen, die von Bauträgern erbaut beziehungsweise im Eigentum von Unternehmen sind, stehen selten längerfristig leer.“

Das Mietrecht

„Viele Wohnungseigentümer lassen ihre Wohnungen lieber leer stehen, als sie zu vermieten, da die Rahmenbedingungen äußerst nachteilig sind, einerseits besteht die berechtigte Sorge, dass durch eine Vermietung Schäden am Objekt entstehen können und ein unbefristeter Mietvertrag entstehen, andererseits sind Aufwand und Kosten meist höher als der Ertrag, oft auch aufgrund steuerlicher Belastung gering”, erklärt Hagen. 
Der Aufwand, der mit einer Vermietung verbunden sei, rentiere sich laut vieler Wohnungsbesitzer einfach nicht: „Zudem ist das Mietrecht höchst kompliziert und man braucht fast schon einen Steuerberater, um nicht aus Versehen in die Liebhaberei oder andere steuerliche Nachteile zu schlittern“, betont Hagen: „Privatpersonen, die eine oder mehrere Wohnungen vermieten, werden wie Unternehmer gesehen und müssen dementsprechend Steuern zahlen. Allerdings können sie im Gegensatz zu Unternehmen keine steuerfreien Rücklagen bilden, die im Bedarfsfall für etwaige Reparaturen oder Instandsetzungen verwendet werden könnten.“ 
Gerade diese werden aber künftig fehlen, wenn etwa ein Heizungstausch durchgeführt werden muss. Hier könnte man ansetzen, sagt Hagen und fordert, den „kleinen“ Vermieter zusätzlich ins Mietrecht aufzunehmen. Ein paar Erleichterungen, wie etwa die Beseitigung der Gefahr eines unbefristeten Mietvertrages, würden den Leerstand bereits deutlich verbessern.

Sicher vermieten

Um Eigentümern die Vermietung zu erleichtern, hat das Land Vorarlberg 2015 gemeinsam mit der VOGEWOSI und der VEV die Leerstandsinitiative „Sicher vermieten“ als Pilotprojekt für Dornbirn ins Leben gerufen, 2017 wurde es auf ganz Vorarlberg ausgeweitet. 
Diese ermöglicht den Vermietern eine Vermietung ohne Aufwand und Risiken und Mietern einen leistbaren Mietzins, der beispielsweise für Gemeinden ab 10.000 Einwohnern bei 8,03 Euro pro Quadratmeter liegt. Die Vorarlberger Eigentümervereinigung erstellt den Mietvertrag. Die Vogewosi übernimmt die Wohnungsübergabe, die Mietverwaltung und falls erforderlich, die Organisation und Kostentragung von gerichtlichen Verfahren. Bei Mietausfällen, übergebührlicher Abnützung und Kosten für gerichtliche Verfahren kommt die Landeshaftung zum Tragen, so wird der Vermieter vor finanziellen Risiken geschützt. 
„Mit 1. Mai 2022 werden es 165 Wohnungen sein, 20 davon sind Häuser, das entspricht circa zehn bis zwölf Kleinwohnanlagen beziehungsweise rund 13.500 Quadratmeter Wohnnutzfläche“, informiert Rudolf Erath, der die Initiative betreut: „520 Personen sind so zu einer leistbaren Wohnung gekommen. Aktuell sind zehn weitere Objekte in Vorbereitung.“ Gerade in Vorarlberg, wo der Platz für den Wohnbau beschränkt ist, sollte der Leerstand dringend dem Markt zugeführt werden. Im Vorjahr wurde die Leerstandsinitiative auch auf Einfamilienhäuser ausgeweitet. 

Liberalisierung und Dialog

„Um ungenutzten Wohnraum zugänglich zu machen, wird es künftig vielfältige Unterstützungsmaßnahmen sowie eine Liberalisierung des Mietrechts benötigen. Eine Leerstandsabgabe allein wird hingegen nicht ausreichend sein“, sagt Hagen. Das Verbot von Ölheizungen respektive in weiterer Folge auch von Gasheizungen könnte sich zudem negativ auf die Situation auswirken, da die Kosten für den Tausch oftmals nicht durch ein Mietverhältnis gedeckt werden können und dadurch die Rentabilität in Frage gestellt wird. Es gelte, den Dialog zu den Eigentümern zu suchen, deren mannigfaltige Beweggründe individuell zu erfassen und Lösungsvorschläge anzubieten. Initiativen wie „Sicher vermieten“ sollten ausgebaut und besser im Bewusstsein der Bevölkerung verankert werden. Die Zahl der Eigentümer, die sich bei Erath melden, nimmt bereits stetig zu: „Es gibt eine beachtliche Zahl an Wohnungseigentümern, die den gesellschaftlichen Nutzen am Projekt schätzen. Mit ihrer Teilnahme möchten sie selbst etwas gegen die ständig steigenden Wohnkosten unternehmen.“

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