Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Die 1000-jährige Eibe von Tosters

Februar 2021

Quellen – Kulte – Zauberberge“: so lautete 2007 der Titel einer Ausstellung in der Vorarlberger Landesbibliothek, die sich der Landschaftsmythologie der Ostschweiz und Vorarlbergs widmete. Der Ort für die Veranstaltung hätte nicht besser gewählt werden können, ist doch das Areal rund um das Bregenzer Gallusstift einer der ältesten Kultplätze Vorarlbergs, dessen Bedeutung weit vor die christlich geprägte Zeit zurückreicht. Im Rahmen der Ausstellung führte eine Exkursion zur Kirche St. Corneli in Feldkirch-Tosters, ein Platz der an Tradition dem Areal rund um die Landesbibliothek um nichts nachsteht. Was die beiden Orte gemeinsam haben, ist jeweils eine stattliche Eibe, die beide zu den ältesten Bäumen Vorarlbergs zählen. Jene im Park der Landesbibliothek krönt eine kleine Geländekuppe im Südwesten des Parks, von wo sich der Blick auf das Rheintal und die Schweizer Berge öffnet. Die Bregenzer Eibe hat einen Stammumfang von fast drei Metern, was auf ein Alter von mehreren hundert Jahren schließen lässt. Aufgrund ihres überdurchschnittlichen Alters finden beide Bäume Erwähnung im Buch „Vorarlberger Naturdenkmale“, wo unter Schutz gestellte Bäume, Steine, Höhlen und andere landschaftliche Besonderheiten aufgelistet sind. Eiben finden dabei besondere Berücksichtigung, da sie in den mitteleuropäischen Wäldern selten sind und fast vollständig verdrängt wurden. Der wichtigste Grund für den schleichenden Rückgang dieses auffälligen Baumes liegt in der Giftigkeit seiner Nadeln für Pferde und Rinder, die sich zur Weide oder zu Transportzwecken im Wald aufhielten. Der Verlust einer Eibe im Wald war für die Bauern viel leichter zu verschmerzen, als der Verlust eines vergifteten Tieres. 
Während nur die wenigsten die uralte Eibe bei der Landesbibliothek kennen, ist jene in Tosters einer der bekanntesten Bäume Vorarlbergs. Es ist dem Lokalhistoriker Rainer Bayer vom Heimatkundeverein Feldkirch-Tosters zu verdanken, dass der imposante Baum in vielerlei Hinsicht untersucht wurde, sowohl was seine biologische als auch seine kulturhistorische Bedeutung angeht. Die „Tausendjährige Eibe“ wird im Volksmund schon lange so genannt, allerdings halten auch viele Fachleuten sie für den ältesten Baum Vorarlbergs. Eine geplante dendrochronologische Untersuchung, bei der mittels Jahresringanalyse das genau Alter hätte eruiert werden sollen, war nicht mehr möglich, da der Baum bis weit hinauf hohl ist. Vermutlich hatte ein Blitzschlag für eine dauerhafte Schädigung des Baumes gesorgt. Schon vor über 200 Jahren spekulierten Interessierte über das Alter der Eibe und pflanzten wenige Meter südlich der Kirche St. Corneli eine weitere, um mit deren Hilfe Wachstumsvergleiche anzustellen. Der damals gepflanzte Baum hat heute einen Umfang von rund zwei Metern, gegenüber den fünf Metern der „Tausendjährigen Eibe“, die schon in den 1970er Jahren in sich zusammenzubrechen drohte. Bei der umfassenden Sanierung wurde damals das vermoderte Innere ausgekratzt, mithilfe einer Stahlkonstruktion die Stabilität erhöht und der Pilzbefall bekämpft. Zudem haben Langzeit-Düngungen dazu beigetragen, dass die weitgehend hohle Eibe bis heute in der Lage ist, die Baumkrone mit der nötigen Feuchtigkeit zu versorgen.
Die Eibe von Tosters war wohl auch der Ausgangspunkt für die Gründung der Kirche St. Corneli auf einem abgeschiedenen Bergrücken, damals weit weg von jeder Siedlung. Als im 7. Jahrhundert Kolumban und Gallus den christlichen Glauben an den Bodensee brachten, wurden Kirchen oft an Stellen errichtet, die schon lange zuvor Kultstätten waren. Der heidnische Glauben wurde zwar verdrängt, die Lokalitäten für die Zeremonien blieben jedoch die gleichen. Die christliche Bedeutung von St. Corneli beruht auf einer alten Sage, wonach die Gottesmutter Maria auf dem Weg von Einsiedeln nach St. Gerold unter der „Tausendjährigen Eibe“ übernachtet habe. Seither wurde ihrem Holz und der Rinde eine besondere Kraft zugesprochen, die Schmerzen aller Art lindert, was St. Corneli schon im 17. Jahrhundert zu einem bedeutenden Wallfahrtsort machte. Unzählige Pilger versprachen sich schon damals durch das Kauen der Rinde eine Besserung ihrer Krankheiten. Das häufige Abbrechen der Rinde schadete dem Baum auf die Dauer so sehr, dass ihr Stamm zuerst durch einen Holzverschlag und später durch ein Eisengitter geschützt werden musste, um den Ruin des Naturdenkmals zu verhindern. Die Marienverehrung findet noch heute ihren Ausdruck in einem verglasten Schrein mit einer Marienstatue, der im hohlen Stamm der Eibe zu sehen ist.

Quellen

  • Bayer, Rainer: Jahrhundertalter Kraftort. In: Vorarlberger Kirchenblatt, Nr. 37, 2018, S. 9f.
  • Derungs, Kurt; Schlatter, Christina: Quellen – Kulte – Zauberberge. Landschaftsmythologie der Ostschweiz und Vorarlbergs. Grenchen 2005.

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