Robert Seeberger

* 1960 in Bludenz, Diplomstudium Physik an der Universität Innsbruck bis 1986, Dissertation 1994 (Universität Innsbruck und Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Deutschland), Wirtschaftsingenieurstudium in Liechtenstein bis 1994; Forschungsaufenthalte an Instituten und Observatorien in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien. Seit 1995 beim Arbeitsinspektorat Bregenz. 2000: Mitarbeit beim Zentralarbeitsinspektorat Wien und bei der Europäischen Agentur für Sicherheit in Bilbao, Spanien.

Die Zeit verfließt gleichmäßig …

November 2018

… und ohne Beziehung auf äußere Gegenstände – so der große Physiker Sir Isaac Newton. Zeitsprünge, wie die soeben vollzogene Umstellung von der Sommerzeit auf Normalzeit haben in dieser Theorie keinen Platz. Die Erddrehung gibt ihren Rhythmus vor.
In willkürlichen Vereinbarungen haben wir uns auf Abweichungen davon geeinigt.

Für Newton war die Zeit – wie übrigens auch der Raum – absolut. In seinen „Mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie“ aus dem Jahre 1687 setzte er dies als Tatsache voraus, die nicht näher erläutert werden muss. Bekanntlich hat Albert Einstein seine Vorstellung von Zeit revidiert. In den beiden großen Theorien über Raum und Zeit hat er den Zeitablauf von der Geschwindigkeit eines bewegten Körpers abhängig gemacht. Außerdem ändert sich die Zeit in Schwerefeldern, sehr stark zum Beispiel bei der Annäherung an ein Schwarzes Loch.
Die Zeit auf der Erde wird durch den Tag-Nacht-Rhythmus, also der Drehung der Erde um ihre eigene Achse bestimmt. Auch die Position auf der jährlichen Bahn hat ihren Einfluss. Die Sonne geht im Osten auf und im Westen unter. Diese Schulweisheit ist nur an zwei Tagen im Jahr korrekt: zu Frühlings- und zu Herbstbeginn, wenn die Sonne genau zwölf Stunden über und gleich lang unter dem Horizont ist. Diese Tag- und Nachtgleiche gilt für jeden Ort der Welt. Im Winter geht die Sonne bei uns im Südosten und im Sommer im Nordosten auf. Ihr Tagesbogen variiert zwischen 109 und 253 Grad. Zu Sommerbeginn steht die Sonne in Vorarlberg fast 16 Stunden über dem Horizont, zu Winterbeginn nur gut halb so lang.

Zeitgleichung

Wenn wir wollen, dass die Sonne mittags um zwölf Uhr genau im Süden steht, können wir eine entsprechende Zeitvereinbarung treffen. Zu Zeiten, als Uhren noch selten und teuer waren, hat man Geländemarken als Sonnenzeiger verwendet: Bergbezeichnungen wie Mittags- und Zwölferspitze zeugen noch heute davon. In den Sextner Dolomiten wurde das Naturziffernblatt mit Neuner, Zehner, Elfer, Zwölfer und Einser auf die Spitze getrieben. Zur groben Orientierung ist diese „Sonnenuhr“ geeignet. 
Schauen wir genauer hin: Die Erde bewegt sich auf einer Ellipsenbahn um die Sonne. Johannes Kepler hat 1609 herausgefunden, dass die Umlaufgeschwindigkeit um die Sonne im nächsten Punkt, also im Winter, schneller ist als im Sommer. Die Zeitdauer zwischen zwei Süddurchgängen der Sonne hängt daher von der Jahreszeit ab. Wollte man das berücksichtigen, müssten die Uhren im Jahreslauf unterschiedlich schnell laufen. Abgesehen davon, das sich Isaac Newton im Grabe umdrehen würde, wäre das sehr unpraktisch. Astronomen haben daher eine „mittlere Sonnenzeit“ eingeführt, man tut so, als wäre die Erdumlaufbahn kreisförmig. Als Zeitgleichung wird die Differenz zwischen wahrer und mittlerer Sonnenzeit bezeichnet. Die Neigung der Erdachse liefert einen zusätzlichen Beitrag zur Zeitgleichung. Nach der mittleren Sonnenzeit richten sich unsere Uhren mit der Folge, dass der höchste Sonnenstand jährlich um bis zu 16 Minuten in beide Richtungen von zwölf Uhr abweichen kann. Das gilt im selben Maß für die Auf- und Untergangszeiten der Sonne. Jedes Jahr entsteht über die Hälfte der derzeit diskutierten Zeitdifferenz von Sommer- zu Normalzeit allein durch die Effekte der Zeitgleichung.

Ortszeit

Jeder Punkt auf der Welt hat seine eigene Ortszeit. Pro Längengrad ändert sie sich um vier Minuten. Die Ortszeiten von Bregenz und Eisenstadt unterscheiden sich um 28 Minuten, schon innerhalb Vorarlbergs beträgt die Differenz 2,4 Minuten. Wenn wir niemals reisen würden, wäre die Ortszeit gut brauchbar. Aber spätestens mit dem Bau der Eisenbahnlinien wurden Zeitstandards notwendig. Man orientierte sich anfangs an Städten wie Berlin, München und Genf.

Zeitzonen

Mittlerweile hat man eine bessere Lösung gefunden. Die Weltkugel wird in 24 Zeitzonen mit jeweils 15 Grad Breite unterteilt. Der Nullmeridian läuft durch Greenwich bei London, dem Standort einer historischen Sternwarte. Die westeuropäische Zeit oder auch Weltzeit (UT) genannt, erstreckt sich 7,5 Grad westlich und östlich dieses Meridians. In Europa gibt es zudem die mitteleuropäische und die osteuropäische Zeit. Um eine Stunde kann die mittlere Sonnenzeit von der jeweiligen Zonenzeit abweichen. Betrachtet man die Sonnenstände, so hat ein Bewohner an der Westgrenze der Zonenzeit ständig Normalzeit und einer an der Ostgrenze ständig Sommerzeit.
Tatsächlich können die Abweichungen viel größer sein, denn die Zonengrenzen orientieren sich nicht genau an den Längengraden, sondern auch an den Staatsgrenzen. Frankreich und Spanien haben die mitteleuropäische Zeit eingeführt, obwohl sie geografisch zur westeuropäischen Zeitzone zählen. Portugal und der Nordwesten Spaniens liegen auf derselben geografischen Länge, haben aber eine Stunde Zeitdifferenz.
Weltweit werden die Zonenzeiten recht unterschiedlich behandelt. Das Territorium der Volksrepublik China erstreckt sich über fünf Zeitzonen (UT+5 bis UT+9 Stunden). Man hat eine Zone festgelegt, die gut für Peking und Schanghai passt. Folglich ist im Westen Chinas um 15 Uhr und im Osten Chinas um 11 Uhr Mittag. Indien und Venezuela haben eine halbstündige Zonenzeit eingeführt.

Dämmerung

Bei der Diskussion um die Sommerzeit in Österreich wird die Dunkelheit entweder am Abend oder morgens ins Treffen geführt. Nun ist es nicht sofort, nachdem die Sonne unter dem Horizont ist, dunkel. Man unterscheidet drei Dämmerungsbegriffe: Ist die Sonne weniger als sechs Grad unter dem Horizont, spricht man von bürgerlicher Dämmerung, bei der man sogar noch Lesen kann. Während der nautischen Dämmerung ist die Sonne zwischen sechs und zwölf Grad unter dem Horizont. Man sieht den Horizont noch und auch schon die hellsten Sterne. Bei der astronomischen Dämmerung sinkt die Sonne bis zu 18 Grad unter den Horizont.
Die nautische Dämmerung setzt in Österreich abhängig von der Jahreszeit zwischen einer Stunde zehn Minuten und einer Stunde 50 Minuten nach Sonnenuntergang ein. 
Fachlich erlaube ich mir nicht, die derzeit diskutierten Auswirkungen von jährlichen Zeitumstellungen (Mini-Jetlag, Bio-Rhythmus) zu bewerten. Allerdings sollten die beschriebenen himmelsmechanischen Fakten in die Diskussionen einfließen. Persönlich genieße ich längere Sommerabende bei Tageslicht sehr. Die derzeitige Regelung verlängert diesen Genuss um eine Stunde. Wenn sich die Politik für eine dauerhafte Sommerzeit entscheiden würde, ginge die Sonne zu Winterbeginn erst um 9.08 Uhr auf und um 17.29 Uhr unter; bei einer dauerhaften Normalzeit passiert beides eine Stunde früher.

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