Vom Kiffen im Bregenzerwald vor 300 Jahren
Im Jahr 1698 beschlossen Landammann und Rat des Bregenzerwalds bei einer Versammlung auf der Bezegg unter anderem, dass das Kiffen in den Kirchen künftig bei Strafe von einem Pfund Wachs untersagt sein solle. Das schreckte jedoch nicht alle Leute langfristig davon ab, diesem Laster weiter zu frönen. Fast ein halbes Jahrhundert später, 1744, sah sich die Obrigkeit jedenfalls genötigt, das Verbot zu erneuern und sogar in den Landsbrauch, also in die regionale Gesetzessammlung, aufzunehmen. Gleichzeitig mit dem Kiffen wurde jeweils auch das Fressen in der Kirche untersagt. Aus den Gesetzestexten und Verordnungen der anderen österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg sind keine solchen Bestimmungen bekannt. Es scheint sich also um eine Besonderheit des Bregenzerwalds gehandelt zu haben.
Beide Verbote bezogen sich auf den Tabakgenuss, der sich nach dem Import aus der Neuen Welt in Vorarlberg im 17. Jahrhundert stark verbreitetet hatte. Tabak – zumeist „Tobak“ oder „Tubak“ genannt – wurde damals gekaut, geschnupft und ursprünglich getrunken. Diese Bezeichnung entsprach dem getränkeartigen Inhalieren des Rauchs. Später betonte man dessen Ausstoß und nannte diese Form des Tabakkonsums deshalb rauchen. Am billigsten und daher bei den gewöhnlichen Leuten am verbreitetsten war lange Zeit hindurch das Tabakkauen. Es bot überdies den nicht geringzuschätzenden Vorteil, dass damit keine Brandgefahr verbunden war.
Gekaut wird bekanntlich mit dem Ober- und Unterkiefer, die man im Vorarlbergischen als das „Kiff“ bezeichnete. Damit oder nur mit dem „Kiefel“ (Unterkiefer) konnte man nicht nur nagen, sondern auch zanken, fortwährend tadeln oder eben keifen. Während man im Montafon dafür „kieflen“ sagte, hieß es im Bregenzerwald „kiffen“. Jemand, der dauernd nörgelte oder etwas nagte beziehungsweise kaute, war ein „Kiffer“. Die heute gebrauchte gleichlautende Bezeichnung für das Rauchen von Haschisch oder Marihuana soll über das Englische auf den arabischen Begriff „Kaif“ mit der Bedeutung „Vergnügen“ oder „Wohlbefinden“ zurückzuführen sein.
Was aber hatte es mit dem 1698 und 1744 ebenfalls verbotenen Tabakfressen in der Kirche auf sich? Da es nicht ratsam war, den beim Kauen erzeugten Tabaksaft zu verschlucken, – er wurde bestenfalls in sogenannte Spucknäpfe entsorgt – ist davon auszugehen, dass mit „Fressen“ ebenso nur die beim Essen übliche Kautätigkeit, nicht jedoch der darauffolgende Verzehr gemeint war. Zur Wahl eines nobleren Ausdrucks sah sich die Bregenzerwälder Obrigkeit bei den Verboten des Tabakgenusses in den Kirchen nicht veranlasst. Wie im 20. Jahrhundert die Gegner des Kaugummis stellte sie ihre Kontrahenten damit verbal absichtlich dem lieben Vieh auf der Weide gleich.
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