Robert Seeberger

* 1960 in Bludenz, Diplomstudium Physik an der Universität Innsbruck bis 1986, Dissertation 1994 (Universität Innsbruck und Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Deutschland), Wirtschaftsingenieurstudium in Liechtenstein bis 1994; Forschungsaufenthalte an Instituten und Observatorien in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien. Seit 1995 beim Arbeitsinspektorat Bregenz. 2000: Mitarbeit beim Zentralarbeitsinspektorat Wien und bei der Europäischen Agentur für Sicherheit in Bilbao, Spanien.

Voyager 3 – Was unsere Welt ausmacht

Oktober 2019

Bis zum Jahresende 1972 hatten zwölf Astronauten den Mond betreten. Danach flog die NASA weiter entfernte Ziele mit unbemannten Sonden an. Pioneer 10 und 11 passierten die Gasplaneten Jupiter und Saturn und haben inzwischen das Sonnensystem verlassen. Mit an Bord der Sonden ist eine Botschaft an außerirdische Zivilisationen. Mögliche intelligente Lebensformen sollten etwas über die Menschen und ihre Position im Universum erfahren. Die US-Astronomen Carl Sagan und Frank Drake befassten sich mit der Suche nach außerirdischen Lebensformen und Möglichkeiten der interstellaren Kommunikation. Die Aussicht, dass die Botschaft irgendwann gesehen wird, ist extrem gering, dennoch stimmte die NASA zu, und die beiden Astrophysiker entwarfen eine neun mal sechs Zoll große, vergoldete Aluminiumplatte. Darauf sind ein Mann und eine Frau neben der Pioneer-Sonde als Größenvergleich zu sehen. Eine Skizze zeigt die Position der Sonne im Vergleich zum Zentrum der Milchstraße und zur Lage von 14 Pulsaren. Als Längenmaß dient die Wellenlänge von 21 Zentimetern, die einen Übergang des Wasserstoffatoms darstellt. Auch die Flugroute durch das Sonnensystem wurde aufgezeichnet. Die Darstellungen auf der Plakette wurden heftig kritisiert. Sie seien zu sehr auf den Menschen bezogen und für andere Lebensformen schwer oder gar nicht zu verstehen. Sogar Forscher, denen die Pioneer-Plaketten gezeigt wurden, konnten nicht alle Informationen richtig deuten. Die Plakette will einige ausgewählte Fakten über uns erzählen: Unser Aussehen und unser Wissen über Pulsare, die Milchstraße, das Sonnensystem und das Wasserstoffatom mit dem so genannten Feinstrukturübergang.
1977 wurden die zwei Voyager-Sonden gestartet, die das äußere Sonnensystem erforschten und phantastische Bilder zur Erde funkten. Voyager 1 entdeckte, dass auch Jupiter von einem Ringsystem aus feinsten Staubteilchen umgeben ist. Beim Vorbeiflug am Jupitermond Io gelangen Fotos von neun aktiven Vulkanen. Zwei neue Monde und heftige Gewitterblitze in der Jupiteratmosphäre waren weitere Überraschungen auf den 17.000 Bildern des Jupitersystems. Die Reise ging weiter zum Saturn, wo innerhalb der Ringe zahlreiche kleine Monde gefunden wurden. Voyager 2 untersuchte zusätzlich die beiden äußeren Planeten Uranus und Neptun. Beide Sonden rasen mittlerweile durch den interstellaren Raum. Zurzeit ist Voyager 1 22 Milliarden Kilometer entfernt. Die Sonde ist mittlerweile das am weitesten von der Erde entfernte Objekt, das von Menschenhand gebaut wurde. 
Wieder war es Carl Sagan, der Botschaften an außerirdische Zivilisationen auf den Voyager-Sonden platzierte. „Voyager Golden Records“ wurden die beiden Bild- und Tondatenplatten genannt. Die Informationen sollen 500 Millionen Jahre lang abrufbar bleiben. Auch in fernster Zukunft könnten die Platten außerirdischen Zivilisationen davon berichten, dass es einst Menschen gegeben hat. Ähnlich wie auf den Pioneer-Plaketten wird die Herkunft der Sonde erklärt. Der „Golden Record“ selbst ist eine 30 cm große, vergoldete Kupferplatte. Die Daten beginnen mit 115 Bildern: Himmelskörper, die DNA, Tiere, die Anatomie des Menschen, die Golden Gate Bridge, Radioteleskope, Raketen, eine Violine, Handwerker …
Der Rest sind Audiodaten, Grußbotschaften in 55 Sprachen, Geräusche von Wind und Donner, Tierlaute, z.B. von Vögeln, Fröschen, Schimpansen, 90 Minuten ausgewählte Musik von Klassik bis zu senegalesischen Schlaginstrumenten. Der damalige UN-Generalsekretär Kurt Waldheim sprach eine Grußbotschaft im Namen der Völker des Planeten. 
Klarerweise wurde auch die Auswahl auf den Records kritisiert. Den Außerirdischen würde eine verzerrte, geschönte Darstellung geboten. Weder Krieg noch Hunger noch Geräusche von sterbenden Walen kämen vor.
Die Botschaften auf den Pioneer- und Voyager-Sonden können keine objektive Beschreibung des Planeten Erde und der Menschheit sein. Wahrscheinlich sagen sie viel über das Selbstverständnis der Gestalter der Botschaften aus. Es wäre verlockend, heute einen neuen „Golden Record“ zusammenzustellen. Was hätte darauf Platz, welche Auswahl würden wir treffen, wie sehen wir uns und die Welt?
Der Schweizer Musiker Michael Flury lädt in seine Musik- und Reflexionsprogramme „Voyager 3“ jeweils einen künstlerischen und einen intellektuellen Gast ein. Gemeinsam und unter Mitwirkung des Publikums wird ein neuer „Golden Record“ für eine fiktive Voyager 3-Sonde erarbeitet.
Am Abschlusstag der 69. Lindauer Tagung der Nobelpreisträger 2019 trat im Lindauer Zeughaus auch der Astrophysiker John Cromwell Mather als Fachexperte in „Voyager 3“ auf. Er erhielt 2006 den Nobelpreis für Physik für Arbeiten über die kosmische Hintergrundstrahlung. Mit Satellitendaten untersuchte Mather die räumliche Verteilung dieser Strahlung, die ein wesentlicher Beweis für die Urknalltheorie ist. Diese Theorie beschreibt die Entstehung des Universums vor 13,7 Milliarden Jahren. Auf die Frage, welche Bilder er auf „Voyager 3“ haben möchte, schlug Mather „power oft ten“ vor. Dabei handelt es sich um eine Bildfolge, die mit einem Picknick in Chicago startet und jedes folgende Bild einen um den Faktor 10 größeren oder kleineren Ausschnitt zeigt. In kürzester Zeit durchlaufen wir eine Darstellung von der atomaren Skala über unsere Alltagswelt bis zu den größten Strukturen im Universum. Als Audiodatei wurde an diesem Abend die gleichzeitige Verlesung der Charta der Menschenrechte in verschiedenen Sprachen aufgenommen. Man braucht nicht Nobelpreisträger für Physik zu sein, um Vorschläge für Voyager 3 zu machen. Wie würden Sie unsere Erde einem Außerirdischen mit Bild- und Audiodateien näherbringen wollen?

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.