Simon Groß

Vorarlberger Gemeindeverband

Burnout, Drift und lange Gerade

Juni 2018

Der heimische Asphalt scheint eine Spielwiese für Bleifüße und illegale Straßenrennen zu sein – die auf Vorarlbergs Straßen verteilten Burnout- und Driftspuren geben zumindest Grund zur Annahme. „Thema Vorarlberg“ hat bei einer Verkehrspsychologin nachgefragt, wer so etwas macht und vor allem: aus welchem Grund.

Ein YouTube-Video mit dem Titel „Drift in Messe Dornbirn“. Der Messepark-Kreisverkehr in Dornbirn, nachts. Inspiriert von einschlägigen Hollywood-Streifen und ausgeführt fernab von Spezialeffekten und stunttauglicher Umgebung wird ein Auto mit quietschenden Reifen um den großen Kreisverkehr manövriert – und zwar im „Quertrieb“. Am Bildschirm ist deutlich zu erkennen, dass sich andere Verkehrs­teilnehmer dem Kreisverkehr nähern. Bald sind die Grenzen der „Fahrkünste“ erreicht, die Physik bringt das Auto schließlich entgegen der Fahrtrichtung zum Stillstand. Was in dem YouTube-Video zu sehen ist, nennt sich Drift. Dieses bewusste Übersteuern des Fahrzeuges in einer Kurve, ausgelöst durch kräftige Gasstöße und/oder die Betätigung der Handbremse vor dem Einlenken, ist eine beliebte „motorisierte Freizeitbeschäftigung“.

Anerkennung

Vom „Messepark-Drifter“ wurden auf YouTube gleich mehrere einschlägige Videos hochgeladen, und das sogar unter Klarnamen. In einem dieser Drift-Videos ist – dieses Mal von außen gefilmt – ein Kreisverkehr in Lochau Schauplatz der kläglichen, aber deswegen keinesfalls ungefährlichen Driftversuche. Kornelia Bauer, Leiterin des Instituts für Nachschulung und Fahrer-Rehabilitation (INFAR) in Feldkirch und Verkehrs­psychologin mit mehr als 20 Jahren Erfahrung, weiß, wer so etwas macht – und vor allem warum. „Meist kommen junge Männer zu uns in die Nachschulung. In der Regel sind sie beruflich nicht gut gestellt, haben ihre Ausbildung abgebrochen oder kommen aus einem bildungsfernen Umfeld. Zudem mangelt es oft noch an sozialen Kompetenzen“, hält Bauer fest.

Fahren um das Selbstwertgefühl

„Illegale Autorennen hat es immer schon gegeben. Und auch das Auto-Tuning hat immer schon eine Rolle gespielt“, betont die Verkehrspsychologin. Das Auto wird für besagte Personen zum Statussymbol. „Junge Männer haben mir schon erklärt, dass sie das Gefühl haben, jemand anderes zu sein, wenn sie in ihr Auto einsteigen. Das geht teilweise bis zur Verschmelzung von Person und Auto“, sagt Bauer. Sozialer Status, Ansehen und Selbstwertgefühl seien in diesem Zusammenhang zentraler Begriffe: Mit fahrerischem Können und der Kontrolle über das Auto werden niedrige soziale Kompetenz und schlechte berufliche Stellung und Bildung kompensiert. Das macht für derartiges Verhalten anfällig, weil die Personen denken, über das Auto, ihre Manöver oder gar ein Rennen Anerkennung zu bekommen. Zudem fehle es von vornherein oft an emotionaler Reife: Werden sie zu einem Rennen aufgefordert oder dazu provoziert, können sie oft nicht „Nein“ sagen, sie wollen es nicht auf sich sitzen lassen und sich unbedingt beweisen.

Treffpunkte

Ob Salzburger Straße in Linz oder Triester Straße in Wien: Hotspots für illegale Straßenrennen und waghalsige Manöver scheinen über ganz Österreich verteilt zu sein. Ob es in Vorarlberg eine organisierte Szene für illegale Rennen gibt, ist für Bauer schwer zu beurteilen. Wie sie aber aus Gesprächen mit Nachschulungsteilnehmern weiß, gibt es offensichtlich Orte und Plätze – speziell Tankstellen- oder Diskoparkplätze – wo man sich zum Austausch trifft und sich teilweise auch zum illegalen Wettrennen verabredet. Welche Orte das konkret sind, hänge meistens davon ab, wo die Exekutive gerade Kontrollen durchführt. Insofern können sich solche Treffpunkte schnell verlagern oder leeren. Überhaupt brauche es für Rennen keine fixen Ausgangsorte, erklärt Bauer: So kommt es auch vor, dass für ein Rennen direkt auf der Straße Kontakt aufgenommen wird – vor allem über die Lichthupe, deren Aufforderung in der Regel ganz deutlich verstanden werde: „Willst du mit mir um die Wette fahren?“

Reiz des Verbotenen

Nachschulungen und Bußgelder aufgrund überhöhter Geschwindigkeit können zwar empfindlich sein, müssen aber nicht unbedingt abschreckend wirken. Auch Vernunft und Selbsteinschätzung stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Junge Autofahrer überschätzen ihre Fahrkünste meist und denken, dass schon nichts passieren wird, sagt Bauer. Und trotz ihrer langen Berufserfahrung wird die Expertin immer wieder aufs Neue überrascht: „Wir hatten es auch schon mit Leuten zu tun, die keinen Hehl daraus gemacht haben, dass es ihnen ‚wurscht‘ sei, wenn etwas passiert ist oder passiert wäre. Sie haben das einfach in Kauf genommen und mögliche Konsequenzen nicht mitgedacht.“ Leider müssen immer wieder Menschen dafür bezahlen, dass manche ihrem Spieltrieb nicht auf legalem Wege, etwa mit einem Ausflug auf die Rennstrecke, nachkommen. Jungen Menschen wird zudem über Filme oder mehr oder weniger professionelle Events unreflektiert vorgelebt, was recht einfach nachzuahmen ist. „Problematisch ist dabei, dass es kaum Möglichkeiten gibt, unter kontrollierten Bedingungen auf eigens dafür eingerichteten Plätzen und Arealen das Driften auszuleben. Und dann wird es kurzerhand auf den öffentlichen Straßenverkehr verlagert“, führt Bauer aus. Und selbst wenn es entsprechende Alternativen gebe, dürfe man eines eben nicht vergessen: Die besonderen Reize liegen oft einfach im Verbotenen.

Ein YouTube-Video mit dem Titel „Drift in Messe Dornbirn“. Der Messepark-Kreisverkehr in Dornbirn, nachts. Inspiriert von einschlägigen Hollywood-Streifen und ausgeführt fernab von Spezialeffekten und stunttauglicher Umgebung wird ein Auto mit quietschenden Reifen um den großen Kreisverkehr manövriert – und zwar im „Quertrieb“. Am Bildschirm ist deutlich zu erkennen, dass sich andere Verkehrs­teilnehmer dem Kreisverkehr nähern. Bald sind die Grenzen der „Fahrkünste“ erreicht, die Physik bringt das Auto schließlich entgegen der Fahrtrichtung zum Stillstand. Was in dem YouTube-Video zu sehen ist, nennt sich Drift. Dieses bewusste Übersteuern des Fahrzeuges in einer Kurve, ausgelöst durch kräftige Gasstöße und/oder die Betätigung der Handbremse vor dem Einlenken, ist eine beliebte „motorisierte Freizeitbeschäftigung“.

Anerkennung

Vom „Messepark-Drifter“ wurden auf YouTube gleich mehrere einschlägige Videos hochgeladen, und das sogar unter Klarnamen. In einem dieser Drift-Videos ist – dieses Mal von außen gefilmt – ein Kreisverkehr in Lochau Schauplatz der kläglichen, aber deswegen keinesfalls ungefährlichen Driftversuche. Kornelia Bauer, Leiterin des Instituts für Nachschulung und Fahrer-Rehabilitation (INFAR) in Feldkirch und Verkehrs­psychologin mit mehr als 20 Jahren Erfahrung, weiß, wer so etwas macht – und vor allem warum. „Meist kommen junge Männer zu uns in die Nachschulung. In der Regel sind sie beruflich nicht gut gestellt, haben ihre Ausbildung abgebrochen oder kommen aus einem bildungsfernen Umfeld. Zudem mangelt es oft noch an sozialen Kompetenzen“, hält Bauer fest.

Fahren um das Selbstwertgefühl

„Illegale Autorennen hat es immer schon gegeben. Und auch das Auto-Tuning hat immer schon eine Rolle gespielt“, betont die Verkehrspsychologin. Das Auto wird für besagte Personen zum Statussymbol. „Junge Männer haben mir schon erklärt, dass sie das Gefühl haben, jemand anderes zu sein, wenn sie in ihr Auto einsteigen. Das geht teilweise bis zur Verschmelzung von Person und Auto“, sagt Bauer. Sozialer Status, Ansehen und Selbstwertgefühl seien in diesem Zusammenhang zentraler Begriffe: Mit fahrerischem Können und der Kontrolle über das Auto werden niedrige soziale Kompetenz und schlechte berufliche Stellung und Bildung kompensiert. Das macht für derartiges Verhalten anfällig, weil die Personen denken, über das Auto, ihre Manöver oder gar ein Rennen Anerkennung zu bekommen. Zudem fehle es von vornherein oft an emotionaler Reife: Werden sie zu einem Rennen aufgefordert oder dazu provoziert, können sie oft nicht „Nein“ sagen, sie wollen es nicht auf sich sitzen lassen und sich unbedingt beweisen.

Treffpunkte

Ob Salzburger Straße in Linz oder Triester Straße in Wien: Hotspots für illegale Straßenrennen und waghalsige Manöver scheinen über ganz Österreich verteilt zu sein. Ob es in Vorarlberg eine organisierte Szene für illegale Rennen gibt, ist für Bauer schwer zu beurteilen. Wie sie aber aus Gesprächen mit Nachschulungsteilnehmern weiß, gibt es offensichtlich Orte und Plätze – speziell Tankstellen- oder Diskoparkplätze – wo man sich zum Austausch trifft und sich teilweise auch zum illegalen Wettrennen verabredet. Welche Orte das konkret sind, hänge meistens davon ab, wo die Exekutive gerade Kontrollen durchführt. Insofern können sich solche Treffpunkte schnell verlagern oder leeren. Überhaupt brauche es für Rennen keine fixen Ausgangsorte, erklärt Bauer: So kommt es auch vor, dass für ein Rennen direkt auf der Straße Kontakt aufgenommen wird – vor allem über die Lichthupe, deren Aufforderung in der Regel ganz deutlich verstanden werde: „Willst du mit mir um die Wette fahren?“

Reiz des Verbotenen

Nachschulungen und Bußgelder aufgrund überhöhter Geschwindigkeit können zwar empfindlich sein, müssen aber nicht unbedingt abschreckend wirken. Auch Vernunft und Selbsteinschätzung stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Junge Autofahrer überschätzen ihre Fahrkünste meist und denken, dass schon nichts passieren wird, sagt Bauer. Und trotz ihrer langen Berufserfahrung wird die Expertin immer wieder aufs Neue überrascht: „Wir hatten es auch schon mit Leuten zu tun, die keinen Hehl daraus gemacht haben, dass es ihnen ‚wurscht‘ sei, wenn etwas passiert ist oder passiert wäre. Sie haben das einfach in Kauf genommen und mögliche Konsequenzen nicht mitgedacht.“ Leider müssen immer wieder Menschen dafür bezahlen, dass manche ihrem Spieltrieb nicht auf legalem Wege, etwa mit einem Ausflug auf die Rennstrecke, nachkommen. Jungen Menschen wird zudem über Filme oder mehr oder weniger professionelle Events unreflektiert vorgelebt, was recht einfach nachzuahmen ist. „Problematisch ist dabei, dass es kaum Möglichkeiten gibt, unter kontrollierten Bedingungen auf eigens dafür eingerichteten Plätzen und Arealen das Driften auszuleben. Und dann wird es kurzerhand auf den öffentlichen Straßenverkehr verlagert“, führt Bauer aus. Und selbst wenn es entsprechende Alternativen gebe, dürfe man eines eben nicht vergessen: Die besonderen Reize liegen oft einfach im Verbotenen.

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