Alfons Dür

* 1948 in Lauterach, Studium der Rechts­wissenschaften in Wien, Richter, von 1998 bis 2008 Präsident des Landesgerichtes Feldkirch. Forschungen zur NS-Justiz und zu Fragen der Rechts- und Justiz­geschichte Vorarlbergs.

Die Fraueneinkaufstaxe – ein Schutzzoll für einheimische Frauen?

März 2023

Nach der Revolution von 1848 wurde die Gemeinde zum zentralen Element der territorialen Staatsgliederung. Das Provisorische Gemeindegesetz vom 17. März 1849 bezeichnete die Gemeinde als „Grundfeste des Staates“ und das Gemeindeverfassungsgesetz von 1862 legte fest, dass jeder Staatsbürger in einer Gemeinde heimatberechtigt sein solle. Das „Heimatrecht“ wurde 1863 in einem eigenen Gesetz als selbstständiges Recht statuiert. Es gewährte ungestörten Aufenthalt in der Gemeinde und das Recht auf Armenversorgung. Nur Staatsbürger konnten es erwerben. Neben dem Heimatrecht und der Staatsbürgerschaft war das Bürgerrecht in einer Gemeinde rechtlich von zentraler Bedeutung. Dieses garantierte die Teilhabe am Vermögen und an den Nutzungsrechten der Gemeinde. Wer das Bürgerrecht nicht besaß, galt als „Auswärtiger“ und war von derartigen Nutzungen ausgeschlossen.
Das Bürgerrecht konnte durch Abstammung, Einkauf oder Verleihung erworben werden. Neben der Abstammung war der Kauf die häufigste Erwerbsform. Viele Gemeinden in Vorarlberg verlangten schon seit Jahrhunderten von zuziehenden Personen ein sogenanntes Einkaufsgeld. Auch in anderen Ländern war dies üblich. Das Einkaufsgeld war ein Äquivalent für die Teilnahme an den Gemeindenutzungen und sollte vornehmlich der Armenversorgung zukommen. Einige Gemeinden verlangten für die Einbürgerung von Männern und Kindern keine Gebühren. Für die Einbürgerung von Frauen wurden hingegen überall Gebühren verlangt. 
Heiratete ein Gemeindebürger eine Nichtbürgerin, so erhielt diese zwar gemäß § 7 des Heimatrechtsgesetzes das Heimatrecht ihres Mannes, das Bürgerrecht war damit aber noch nicht verbunden. Dieses musste gesondert „eingekauft“ werden. Und obwohl die Frau durch diesen „Einkauf“ das Bürgerrecht erlangte, traf die Zahlungspflicht für die Einkaufstaxe den Mann. So verlangte es die patriarchale Ordnung der damaligen Zeit, die im § 91 ABGB den Mann ausdrücklich zum „Haupt der Familie“ erkor. In der Gemeindeordnung von 1864 wurde diese Gebühr noch als „Bürger­einkaufstaxe“, bald darauf aber wurde sie landauf landab nur mehr als „Frauen­einkaufstaxe“ bezeichnet. 
Die Fraueneinkaufstaxe war umstritten und unbeliebt. Sie erschwerte Eheschließungen. Der Vorarlberger Landesausschuss musste sich wiederholt mit ihr befassen. Alle Gemeinden des Landes verlangten für das Bürgerrecht Gebühren. Gemäß einer Aufstellung aus dem Jahr 1895 betrug die Bürgereinkaufstaxe in Bregenz für Männer 400 Kronen, für Frauen 52 ½ Kronen, dies aber nur, wenn sie heirateten. „Frauenspersonen“, die ohne zu heiraten, Bürgerinnen werden wollten, mussten 200 Kronen zahlen. In Altenstadt betrug die Fraueneinkaufstaxe 100 Kronen, Männer und Kinder mussten dort für das Bürgerrecht überhaupt nichts zahlen. Bludesch verlangte für Frauen ebenfalls 100 Kronen, für das Bürgerrecht von Männern hingegen 1000 Kronen. In Feldkirch bestand nur für Frauen eine Einkaufsgebühr. Mit 87 ½ Kronen war sie relativ hoch. 
Die Gemeinden verwiesen zur Rechtfertigung der teils sehr hohen Einkaufstaxen auf die damit verbundenen Nutzungsrechte. „In Altach bestehen diese Nutzungen in der Nutznießung eines Gemeindetheiles und im Bezug des Holzbedarfes aus den Holzwaldungen; in der Gemeinde Altenstadt in der Nutznießung von 2500 Klafter Acker-Streuboden, in Benützung von Alpen und Gemeindeauen und im Bezuge des Bedarfes an Holz und Torf; in der Gemeinde Fraxern in der Nutznießung von Gemeindetheilen und im Bezuge des Holzbedarfes und in der Gemeinde Hohenems in der Benützung von drei vorzüglichen Alpen“, heißt es in einem Antrag an den Landesausschuss. Fontanella hingegen rechtfertigte die Fraueneinkaufstaxe damit, dass der „ohnehin ärmeren Gemeinde durch fremde Frauenspersonen öfter noch größere Lasten aufgebürdet“ würden.
Es waren nicht nur fiskalische Aspekte, die die Fraueneinkaufstaxe zu einem beliebten Bestandteil der Kommunalpolitik machten. Der Landtagsabgeordnete Dr. Karl Drexel erblickte darin auch ein „erziehliches Moment“, weil „am Ende doch hie und da ein Freier abgehalten werde, seine Schritte nach auswärts zu lenken“. Ein Nebeneffekt der Fraueneinkaufstaxe bestand zweifellos darin, Gemeindebürger abzuhalten, „auswärtige“ Frauen zu heiraten. In Zeitungsberichten wurde sie deshalb als „Weiber-Einfuhrzoll“ bezeichnet, die „Illustrierte Kronen-Zeitung“ nannte sie 1905 gar einen „Schutzzoll für einheimische Frauen“. 
Als Mittel gegen die Konkurrenz auswärtiger Bräute empfahl das Vorarlberger Volksblatt die Erhöhung der Frauen­einkaufstaxe: „Unter 65 im Jahre 1895 in Dornbirn erfolgten Eheanmeldungen“, heißt es dort in einem Beitrag vom 8. Januar 1896, „befanden sich nicht weniger als 32 auswärtige Bräute. Aus den 2 Zahlen 65 und 32 wird unsere Damenwelt schon ihre Consequenzen ziehen und um dieser großartigen Concurrenz einigermaßen vorzubeugen, den Antrag stellen, die Fraueneinkaufstaxe höher hin­aufzuschrauben.“
Als sie der Verwaltungsgerichtshof die Fraueneinkaufstaxe am 20. April 1906 aufhob, schrieb das Vorarlberger Volksblatt: „Nun ist also für heiratslustige Junggesellen die Bahn frei.“ Ganz so einfach war es aber dennoch nicht. Denn abgesehen davon, dass auch eine heiratslustige Braut gebraucht wurde, war in Vorarlberg bis 1923 für den Abschluss einer Ehe die Zustimmung der Gemeinde, der sogenannte „politische Ehekonsens“ notwendig, der nur erteilt wurde, wenn das Brautpaar über ein zur Sicherung der Existenz einer Familie hinreichendes Vermögen verfügte. Der Wegfall der Fraueneinkaufstaxe führte aber zu einer spürbaren finanziellen Entlastung heiratswilliger Paare und erleichterte die Integration „Auswärtiger“. Die Gemeinden wurden insgesamt offener.

 

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