David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Grüße aus der Zukunft

Juli 2024

Vorarlberg als autonome Region – Zum Jubiläum von Thema Vorarlberg versetzt sich unser Autor in die Zukunft in das Jahr 2040 und berichtet, warum sich das Land Vorarlberg außergewöhnlich gut entwickelt hat. 

Vorarlberg steht im Jahr 2040 glänzend da. Durchschnittslöhne und Gehälter gehören zu den höchsten der Welt – vergleichbar mit dem benachbarten Liechtenstein. Das kleine Bundesland hat sich in eineinhalb Jahrzehnten an die Weltspitze katapultiert und ist rund 60 Prozent wohlhabender pro Kopf als der österreichische Durchschnitt. Auch viele Schweizer Kantone hat es wirtschaftlich in den vergangenen 15 Jahren hinter sich gelassen, und die eher lahmenden Regionen Deutschlands sowieso. Wie kam es zu dieser bemerkenswerten Entwicklung?

Der Weg zur Autonomie
Nach einem heißen Sommer im Jahr 2024 formierte sich eine ambitionierte Gruppe aus Bürgern, Unternehmern und Politikern, die ein Konzept mit dem Titel „Vorarlberg als autonome Region“ vorantrieben. Die Grundidee war, dass Vorarlberg eine umfassende Steuer-, Ausgaben- und Regulierungsautonomie erhält. Es ging nicht um Eigenstaatlichkeit, sondern um Eigenverantwortung in relevanten Politikbereichen. Erstaunlicherweise gelang es den Vorarlbergern bereits 2025, die angestrebte Autonomie als „Modellregion“ zu gewinnen. Das lag an einem genialen Schachzug der Autonomiebefürworter, die vorschlugen, der Rest Österreichs solle jährlich 15 Prozent des gesamten Steueraufkommens des autonomen Vorarlbergs erhalten, während 85 Prozent im Land blieben. Für manche klang das wie ein schlechter Deal für Vorarlberg, doch das Gegenteil war der Fall.

Einfache, kluge Reformen
Mit der Gewinnung der Autonomie im Steuer-, Ausgaben und Regulierungsbereich setzte eine außerordentliche Entwicklung nach wenigen einfachen, aber klugen Reformen ein. 
Das Steuersystem wurde effizienzorientiert umgestaltet, um insbesondere zusätzliche Arbeit zu belohnen. Die bestehenden Steuern auf die Normalarbeitszeit wurden nicht gesenkt. Doch wer mehr als 40 Stunden pro Woche arbeitete, musste auf das zusätzliche Einkommen nur noch pauschal zehn Prozent Steuern zahlen. Ebenso wurde eingeführt, dass angehende Pensionisten, die sich entschieden, weiter zu arbeiteten, ebenfalls nur pauschal zehn Prozent Steuern auf ihr gesamtes erwirtschaftetes Arbeitseinkommen zahlen. Viele Arbeitnehmer arbeiteten gerne deutlich mehr Stunden, weil sie auf die zusätzlichen Stunden fast keine Steuern mehr zahlen mussten. Fast alle vor der Pensionierung stehenden Bürger entschieden sich, noch ein paar Jahre weiter zu arbeiten, wenigstens zu 60 Prozent, denn auch sie wollten von den niedrigen Steuern profitieren. So blieb das Steueraufkommen im Land hoch und es stieg sogar etwas. Das Pensionssystem wurde nachhaltiger. Der Fachkräftemangel war nach den Steuerreformen weitgehend behoben.
Da nach diesem Anfangserfolg alle politischen Entscheidungsträger die Relevanz von Steuern als Anreize für Arbeit verstanden hatten, erfolgte eine weitere Reform. Das Land führte eine konsequente Bepreisung von Umweltbelastungen nach dem Verursacherprinzip ein. Wer die Umwelt belastete, sei es im Verkehr, im Bau oder in der Industrie, musste dafür zahlen. Der zu zahlende Betrag orientierte sich am Prinzip der Kostenwahrheit und war damit weder exorbitant hoch noch zu niedrig, sondern entsprach den bewerteten monetären Kosten der Umweltbelastungen. Bürger, Industrie und Gewerbe reduzierten umweltbelastende Aktivitäten daraufhin etwas, weniger schädliche und umweltfreundliche Aktivitäten wurden stark ausgedehnt. So kam es zu einer kostengünstigen und dauerhaften Verbesserung der Umwelt- und Lebensqualität. 
Das eingenommene Geld aus der Bepreisung von Umweltbelastungen wurde nicht für neue Staatsausgaben in Vorarlberg verwendet, sondern direkt an die Bürger durch eine Senkung der Einkommenssteuern zurückgegeben. So setzte das Land Anreize, die Umwelt zu schonen, während Arbeit belohnt wurde. 
Eine einfache Einsicht erwies sich bei dieser Reform als besonders wichtig: Wenn bereits für Umweltbelastungen dank Kostenwahrheit bezahlt wird, muss im Umweltbereich nicht zusätzlich bürokratisch reguliert werden. Da das Land voll auf eine konsequente Bepreisung von Umweltbelastungen setzte, konnte es Umweltregulierungen – und so große Teile der damit verbunden Bürokratie – abbauen. Die Vorarlberger krönten ihre Strategie, indem sie alle zuvor bestehenden Subventionen im Umweltbereich vollständig einstellten, da die Umweltbelastungen ja bereits über die Bepreisung abgedeckt waren und es daher auch keiner Subventionierung von umweltfreundlichem Verhalten mehr bedurfte. 
Dieses Vorgehen führte zu einem riesigen und für viele unerwarteten, dauerhaften Wachstumsschub bei gleichzeitiger Schonung der Umwelt. Neue Firmen aus dem Ausland siedelten sich im Land an, und dies nicht wegen niedriger Unternehmenssteuern, wie es in manchen Schweizer Kantonen der Fall ist, sondern wegen der geringen Regulierungen, der auf Kostenwahrheit basierenden Vorgehensweise beim Umweltschutz, der vorhandenen Fachkräfte und der resultierenden hervorragenden Lebensbedingungen.

Der Bürger als Treiber des Fortschritts
Die Vorarlberger ruhen sich jedoch bis 2040 nicht auf ihren Reformerfolgen aus. Die Bürger realisierten, dass sie dank der gewonnenen Autonomie viel besser als zuvor über ihren Standort mitentscheiden konnten, da 85 Prozent des Steueraufkommens im Land blieben und sie dieses Geld sinnvoll zum Wohl im eigenen Land einsetzen wollten. So verzichteten sie auf einen Großteil der unsinnigen Verschwendung durch Subventionen und investierten stattdessen in Infrastruktur und Bildung, wozu selbstverständlich auch die Lehre zählte. Zur weiteren Verbesserung und Ideengenerierung wurde ein Benchmarking der erfolgreichsten Regionen weltweit eingeführt, und Vorarlberg orientierte sich an internationalen Best-Practice-Beispielen in verschiedenen Politikbereichen.
Erstaunlicherweise stieß der große Erfolg von Vorarlberg in anderen österreichischen Bundesländern und insbesondere in Wien auf wenig Neid. Das lag vor allem daran, dass immer mehr Geld aus Vorarlberg in den Rest Österreichs floss. Die 15 Prozent des Steueraufkommens aus Vorarlberg, die aufgrund des Wachstums stetig stiegen, bedeuteten für den Rest Österreichs dauernd steigende Transfers. Nur in Tirol fragten sich die Bürger, ob sie nicht vielleicht ebenfalls den Weg Vorarlbergs gehen und zusammen mit Südtirol ein autonomes Tirol schaffen sollten.

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