Matthias Sutter

*1968 in Hard, arbeitet auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomik, ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und lehrt an den Universitäten Köln und Innsbruck. Der Harder war davor auch an der Universität Göteborg und am European University Institute (EUI) in Florenz tätig.

Soziale Netzwerke sind hilfreich bei der Stellensuche

Februar 2023

Der Start ins Berufsleben ist wohl einer der spannendsten Abschnitte im Leben. Nach langen Jahren hinter der Schulbank ist dann der Moment gekommen, das Erlernte in der Praxis umzusetzen. Aber nicht für alle verläuft dieser Start ohne Rückschläge, weil das Finden einer Arbeitsstelle gar nicht so einfach ist. Dabei können soziale Netzwerke aber wesentlich zu einem erfolgreichen Start beitragen.

Unzweifelhaft ist eine gute Ausbildung die Basis für eine erfolgreiche Berufslaufbahn. Arbeitsmarktdaten aus verschiedenen OECD-Staaten belegen eindeutig, dass Personen mit einer höheren Ausbildung in der Regel ein höheres Einkommen und ein geringeres Risiko für Arbeitslosigkeit haben. Beispielsweise lag die Arbeitslosenrate im gesamten OECD-Raum im Jahr 2021 bei knapp über zehn Prozent für Personen ohne Mittelschulabschluss, bei etwa sechs bis sieben Prozent bei Personen mit Mittelschulabschluss und bei vier Prozent für Personen mit einer tertiären Ausbildung (etwa auf einer Universität).
Wenn man amerikanische Einkommensdaten vom US Bureau of Labor Statistics anschaut, liegen die jährlichen Durchschnittsgehälter für Personen mit einem Highschool-Abschluss bei circa 37.000 Dollar, für jene mit einem Bachelor-Abschluss bei circa 60.000 Dollar und für Personen mit einem Doktorat bei 90.000 Dollar. Bildung zahlt sich im Berufsleben also in der Regel aus. Natürlich beziehen sich die hier genannten Zahlen auf Personen, die bereits im Berufsleben sind, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt schon geschafft haben. Wie dieser Einstieg gelingt, lässt sich anhand dieser Zahlen nicht erschließen. Allerdings ist der Einstieg die erste – und wichtige – Hürde auf dem Weg zu beruflichem Erfolg.
In den Vereinigten Staaten geben etwa 20 Prozent der Menschen an, dass sie Familie und Verwandte bei der Suche nach einer Arbeitsstelle um Rat und Hilfe fragen. Über 50 Prozent geben an, dass sie ihre Arbeitsstelle über ihre sozialen Netzwerke gefunden haben. Dazu passt, dass viele Firmen sogenannte Mitarbeiterempfehlungsprogramme haben, bei denen bereits in der Firma arbeitende Personen um Empfehlungen gebeten werden, wer für eine offene Stelle geeignet sein könnte. Soziale Netzwerke spielen also bei der Vermittlung oder beim Finden von Arbeitsstellen eine entscheidende Rolle. Dies lässt sich auch mit empirischen Daten belegen.
Laura Gee von der Tufts University hat mit Co-Autoren über sechs Millionen Facebook-Konten untersucht und dabei überprüft, ob dieses soziale Netzwerk eine Rolle spielt, wo man eine Arbeitsstelle findet, und ob es bedeutend ist, ob man dafür engere oder weniger enge Verbindungen zu den anderen Personen im eigenen Netzwerk hat. Die Stärke der Verbindung lässt sich beispielsweise anhand der Häufigkeit messen, mit der zwei Personen miteinander Nachrichten austauschen, aber auch anhand der Zahl gemeinsamer Kontakte („friends“). Die Autoren konnten nun zeigen, dass mit zunehmender Stärke der Verbindung die Wahrscheinlichkeit steigt, mit der zwei Personen in derselben Firma arbeiten. Enge Verbindungen haben demnach einen starken Einfluss, bei einer bestimmten Firma einen Arbeitsplatz zu finden. 
Interessant ist jedoch, dass in Summe die meisten Menschen über Kontakte, die relativ schwach sind (mit wenig Austausch und wenig gemeinsamen Freunden), ihre Arbeitsstellen finden. Was auf den ersten Blick wie ein Paradox aussieht – dass nämlich engere Verbindungen viel stärker wirken, aber schwächere Verbindungen in Summe mehr Gewicht haben – lässt sich dadurch erklären, dass die allermeisten Menschen nur einige wenige sehr enge und damit starke Kontakte haben, aber sehr viele relativ schwache. Über letztere bekommt man aufgrund der größeren sozialen Distanz vor allem auch Informationen, zu denen man selbst noch keinen Zugang hatte. Daraus ergibt sich, dass in Summe auch schwächere Kontakte eine Bedeutung beim Finden von Arbeitsplätzen haben.
Eine andere Studie von Laurel Wheeler von der University of Alberta und Co-Autoren zeigt, dass soziale Netzwerke vor allem schlechter gebildeten und ärmeren Menschen helfen können, eine Arbeit zu finden. 
Wheeler führte mit ihren Co-Autoren eine kontrollierte Feldstudie durch, bei der Arbeitssuchende (in armen Vierteln in südafrikanischen Städten) im Rahmen eines sechs- bis achtwöchigen Berufseinstiegsprogramms zufällig in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Eine Gruppe wurde in den sechs bis acht Wochen in Summe vier Stunden lang in das weltweit größte Berufsnetzwerk LinkedIn eingeführt; beispielsweise, wie man einen Account eröffnet, sich mit anderen verlinkt, Beiträge verfasst, Qualifikationen gut beschreibt und von anderen bestätigt bekommt. Die andere Gruppe erhielt keine solche Schulung (wobei trotzdem fast die Hälfte dieser Gruppe einen Account bei LinkedIn hatte). Das Training für die erste Gruppe ging einher mit einer etwa zehn Prozent höheren Wahrscheinlichkeit, nach dem Programm eine Arbeitsstelle zu bekommen. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen war selbst ein Jahr nach dem Programmende noch immer fast gleich groß. Die Ursachen für das bessere Abschneiden der Gruppen mit dem Training in LinkedIn dürften vielfältig sein. 
Diese Gruppe zeigte eine stärkere und breitere Suche nach Arbeitsstellen, studierte die Berufsprofile anderer Personen (die ja mögliche Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt sind) intensiver, erstellte für sich selbst aussagekräftigere Profile und hatte ein größeres Netzwerk an Kontakten. Letzteres ist allein schon deshalb hilfreich, weil ein nicht unbedeutender Anteil an offenen Stellen durch Empfehlungen von bereits in einem Unternehmen tätigen Personen besetzt werden.

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