Lea Putz-Erath

* 1980 in Niederösterreich, studierte Tourismus- Management, Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaften. Lea Putz-Erath ist seit 2016 Lehrbeauftragte an der FHV im Studiengang Soziale Arbeit und seit 2017 Geschäftsführerin femail FrauenInformations­zentrum Vorarlberg (zur Zeit in Karenz). Davor mehrjährige berufliche Stationen als Sozialarbeiterin in Deutschland und den USA.

Unsichtbare Frauen – die Männerwelt an der Front

Oktober 2020

Wenn Sie mich jetzt fragen: „Haben Sie denn keine andere Sorgen?“ Dann muss ich Ihnen antworten: „Ja, die habe ich! Ich sorge mich darum, wie sich arbeitslose Menschen in der aktuellen Perspektivlosigkeit fühlen und wie sie Mut und Hoffnung finden können. Ich sorge mich darum, was getan werden kann und muss, damit möglichst alle Kinder von der Schule profitieren können und in der Mitte der Gesellschaft ihren Platz finden. Ich sorge mich darum, wie wir Frauen vor Beziehungsgewalt schützen können.“

Täglich werden wir mit Berichten versorgt, die uns vermitteln sollen: „Keine Sorge, wir kümmern uns! Wir haben die Situation im Griff und arbeiten Tag und Nacht daran, wie wir unser Bundesland auch in der Krise nach der Krise wieder zu einem chancenreichen Lebensraum für alle Kinder im Jahr 2035 machen.“
Mir fällt dabei vor allem eins auf (und ich bin damit nicht allein): „Ich kam. Ich sah. Männer.“ (Entschuldigung an Vorarlberg Tourismus, aber das ist einfach zu aufgelegt hier.) Um jetzt nicht ungerecht zu sein: Wir im Ländle sind in guter Gesellschaft. So hat für Deutschland die MaLisa Stiftung die Berichterstattung während der Corona-Pandemie untersucht und der Frauenanteil bei Expert:innen war nur circa 20 Prozent. Die Geschlechterverhältnisse in Politik und Wirtschaft sind ebenfalls hinlänglich bekannt.
Warum es mich dennoch sorgsam macht, in den Medien so wenige Frauen zu sehen?
Die Unsichtbarkeit der Frauen zeigt vor allem eines auf: Frauen machen zwar 50 Prozent der Bevölkerung aus, haben jedoch nur in einem sehr geringen Ausmaß Sichtbarkeit und Entscheidungsmacht.
„Halt!“ werden Sie vielleicht ausrufen (falls Sie eine Leserin sind): „Ich will ja gar nicht sichtbar sein. Das passt schon so für mich, da vorne sollen doch die anderen stehen, die den Rücken frei haben und sich aufs Problemlösen konzentrieren können. Und außerdem (hier kommt vielleicht auch ein Leser zu Wort) jetzt gibt es wirklich viele Frauen in politischen Spitzenämtern.“
Ihre Argumente sehe ich. Ich bleibe bei meiner Klage: Denn wer denkt denn die für die anderen 50 Prozent der Bevölkerung praktikablen Lösungsansätze mit? Werden mit den Lösungen Rollenstereotype bestärkt oder aufgeweicht? Wer hinterfragt, warum viele Frauen in Österreich so eingedeckt sind mit Sorgearbeit, dass sie eben nicht an vorderster Front (schon wieder dieser militärische Begriff, aber das passt ja zur aktuellen Sprache sehr gut) Lösungen mitentwickeln, präsentieren und umsetzen können?
Nicht nur sind Gesellschaften wirtschaftlich stabiler, wenn möglichst viele Menschen am Erwerbsleben in vollzeitnahem Ausmaß partizipieren, auch Familien sind krisenfester, wenn Eltern die Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich teilen. Wenn sich hier hartnäckig nichts bewegt, bleibt für mich doch schließlich nur der Rückschluss: Kein Rütteln an den Rollen – kein Rütteln an der Macht.
Das Wirtschaftsbuch der Financial Times des Jahres 2019 ist übrigens: „Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert“ von Caroline Criado-Perez.

Zur Person Lea Putz-Erath

* 1980 in Niederösterreich, studierte Tourismus- Management, Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaften. Lea Putz-Erath ist seit 2016 Lehrbeauftragte an der FHV im Studiengang Soziale Arbeit und seit 2017 Geschäftsführerin femail FrauenInformations­zentrum Vorarlberg. Davor mehrjährige berufliche Stationen als Sozialarbeiterin in Deutschland und den USA. Sie lebt seit 2017 mit ihrer Familie in Vorarlberg.

 

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