Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Von wegen gleichberechtigt

Oktober 2014

Vorarlbergs Frauen und ihre faktische Gleichstellung: Verbesserungen in den vergangenen Jahren, aber nach wie vor krass unterrepräsentiert in Spitzenfunktionen. Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen ist in Vorarlberg österreichweit am größten.

Proteste hatte es gegeben und öffentliche Kritik an der fragwürdigen Entscheidung der Volkspartei, den ehemaligen Landesrat Harald Sonderegger zum Landtagspräsidenten zu machen und dafür die bisherige Präsidentin Gabriele Nussbaumer zu degradieren. Das Vorarlberger Frauennetzwerk hatte Landeshauptmann Markus Wallner einen offenen Brief geschrieben und darin festgehalten, dass man „verwundert und enttäuscht“ sei ob der Entscheidung, die Präsidentin ohne jede Begründung in die zweite Reihe abzuschieben. Doch die Landesregierung blieb bei ihrer Entscheidung, die politisch zweithöchste Funktion im Land einer Frau wegzunehmen und einem Mann zu geben. Publizistin Susanne Feigl, Autorin auch des aktuellen Vorarlberger Gleichstellungsberichts, will sich in die politische Debatte rund um den Fall Nussbaumer nicht einmischen. Sie sagt aber: „Es ist nicht toll, wenn Interessen der Männer immer Vorrang vor den Interessen der Frauen haben.“ Der Wechsel in Vorarlberg sei, auch österreichweit gesehen, kein Einzelfall: „Er ist vielmehr ein deutliches Zeichen, dass man von der faktischen Gleichstellung von Mann und Frau noch immer ein ganz weites Stück entfernt ist.“ Nussbaumers Degradierung ist jedenfalls ein fatales Zeichen an Vorarlbergs Frauen – und ein offenkundiger Widerspruch zur Regierungserklärung, in der Gleichstellung und Chancengleichheit von Frauen und Männern ein zentrales politisches Ziel genannt wird. Und skurril, im Lichte der Entscheidung, mutet die Absichtserklärung in besagtem Regierungsprogramm an, „Gremien ausgewogen besetzen“ zu wollen. Denn der Fall Nussbaumer zeigt, dass die Realität im Land Vorarlberg eine andere ist. Es gibt die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau – aber nicht die faktische. In Spitzenfunktionen sind Vorarlbergs Frauen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert, etwa im Landesdienst.

Viele Männer, wenige Frauen

So zeigt der Gleichstellungsbericht, dass zwar eine leichte Besserung gegenüber vergangenen Jahren zu verzeichnen ist, nach wie vor aber 90 Prozent der Leitungsfunktionen im Landesdienst mit Männern besetzt sind. „Je höher der Funktionsbereich in der Hierarchie ist und je höher damit auch das Einkommen“, heißt es in der Publikation, „desto weniger Frauen arbeiten in dem Bereich.“ Im Aufsichtsrat der VKW sitzt nur eine einzige Frau – Anita Blum, von der Arbeitnehmerseite entsendet –, im Aufsichtsrat der Illwerke gleich gar keine. Die Landeskrankenanstalten sind ein weiterer Beleg des Ungleichgewichts. Zwar ist das Gesundheitswesen mit einem Frauenanteil von 69 Prozent regelrecht eine weibliche Domäne. Doch auch hier sind „in den höchsten und bestbezahlten Funktionen“ Männer in der Mehrheit. Es gibt allerdings auch Positivbeispiele: Im Aufsichtsrat der Fachhochschule sitzen fünf Frauen sieben Männern gegenüber. Und der Anteil der Direktorinnen an Vorarlbergs Schulen ist seit dem Schuljahr 1999/2000 von 15,4 Prozent auf 44,8 Prozent gestiegen. Doch sind das nur die vielzitierten Ausnahmen, welche die Regel bestätigen. Denn die Chancengleichheit im Landesdienst und in Vorarlbergs Privatwirtschaft endet nach wie vor recht oft an der Stelle, wo das Spitzenmanagement beginnt. In der Wissenschaft wird in diesem Zusammenhang von der gläsernen Decke gesprochen und damit der Umstand beschrieben, dass qualifizierte Frauen kaum in die Top-Positionen in Unternehmen oder Organisationen vordringen, sondern spätestens auf der Ebene des mittleren Managements karrieretechnisch stagnieren.

Differenzierung notwendig

Abseits der Unterrepräsentation in Spitzenfunktionen hat sich laut Feigl aber durchaus einiges zum Positiven gewandelt, etwa in Sachen Bildung. „Frauen haben längst aufgeholt, der einst traditionelle Bildungsrückstand gehört der Vergangenheit an.“ Bereits seit 20 Jahren maturieren in Vorarlberg mehr Mädchen als Burschen, in der jüngeren Generation schließen ebenso viele Vorarlbergerinnen wie Vorarlberger ein Studium ab. „Der größte Fortschritt ist im Bereich Bildung zu verzeichnen“, sagt auch Frauenreferatsleiterin Monika Lindermayr. Auch hat sich der Anteil berufstätiger Frauen erhöht, die Erwerbstätigenquoten von Frauen (68,5 Prozent) und Männern (80,7 Prozent) nähern sich in Vorarlberg sukzessive an. „Es ist Ausdruck der sich verändernden Rolle der Frauen, die aufgrund qualifizierter Ausbildung immer weniger bereit sind, auf eigenständige Existenzsicherung völlig zu verzichten“, heißt es im Bericht selbst.

Restriktionen mit Folgen

Feigl, die sich seit Mitte der 1990er Jahre mit der hiesigen Situation beschäftigt, sagt: „Vorarlberg war bei der Kleinkinder- und Schülerbetreuung sehr lange Schlusslicht und liegt heute in beiden Bereichen über dem Österreichdurchschnitt.“ Und dennoch ist die Situation noch lange nicht optimal: „In Vorarlberg gibt es 48 Schließtage von Kindergärten, im Österreichdurchschnitt 28.“ Diese restriktiven Öffnungszeiten führen etwa dazu, dass die Wochenstundenzahl der teilzeitarbeitenden Frauen in Vorarlberg deutlich niedriger ist als im Österreichschnitt – 40 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen in Vorarlberg arbeiten weniger als 20 Wochenstunden. Kamila Simma, Frauenbeauftragte beim AMS Vorarlberg, sagt schlicht: „Kindergärten und Schulen ohne Mittags- und Nachmittagsbetreuung sind nicht mehr zeitgemäß.“ Zwar sagt auch Simma, dass sich vor allem in der Kleinkinderbetreuung in Vorarlberg viel getan habe. Vorarlberg hat mit 27,6 Prozent den höchsten Anteil an nur halbtägig geöffneten Einrichtungen, während dies im Österreichdurchschnitt nur zehn Prozent sind.

Teilzeit fast nie existenzsichernd

Das wirkt sich selbstredend aus. Abermals sei Simma zitiert: „In Vorarlberg arbeitet die Hälfte der erwerbstätigen Frauen Teilzeit. Doch Teilzeit ist fast nie existenzsichernd, schon gar nicht, wenn die Wochenstundenzahl gering ist.“ In unserem Land übernehmen Frauen zwei Drittel der Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung und 80 Prozent der innerfamiliären Pflege von Angehörigen. Ergo bleibt den Frauen weniger Zeit für die Erwerbsarbeit und damit ein existenzsicherndes Einkommen. „Die geringere Erwerbsbeteiligung und die viele Teilzeitarbeit haben wiederum Auswirkungen auf die Möglichkeit, finanziell unabhängig zu sein, auf die Höhe des Arbeitslosengeldes und auf die Höhe der Pension“, sagt Simma. Auch dadurch sei die Armutsgefährdung bei Frauen größer. Und: Infolge der Pensionsreform werden die Durchrechnungszeiten von den besten 15 Jahren auf die besten 40 Jahren schrittweise ausgedehnt. Pro Kind verkürzt sich dieser Durchrechnungszeitraum um drei Jahre. „Arbeitet eine Frau länger als drei Jahre pro Kind Teilzeit, hat dies negative Folgen für die Pension“, warnt Simma. Ihr Fazit? „Trotz rechtlicher Gleichstellung bestehen zwischen den Lebensrealitäten von Frauen und Männer viele Unterschiede.“ Es gibt im Land also nach wie vor massive Ungleichheiten – über die Unterrepräsentation in Spitzenfunktionen hinaus. Frauen leisten nach wie vor den Großteil der unbezahlten Arbeit, unterbrechen häufiger ihre Erwerbstätigkeit für Betreuungs- und Pflegetätigkeiten, arbeiten häufiger in Teilzeit und atypischen Beschäftigungsverhältnissen und haben eine deutlich geringere finanzielle Absicherung im Alter. Und sie verdienen deutlich weniger.

Eine unrühmliche Statistik

Der Equal Pay Day markiert diesen Unterschied: Am 10. Oktober hatten, statistisch gesehen, Österreichs Männer bereits jenes Einkommen erreicht, für das Frauen noch 83 Tage arbeiten müssen. Bis Jahresende arbeiten Frauen also gratis.

Laut Daten der Statistik Austria kamen ganzjährig vollzeitbeschäftigte Männer zuletzt auf 46.815 Euro brutto im Jahr, vollzeitbeschäftigte Frauen nur auf 36.165 Euro. Der Unterschied hierzulande ist bemerkenswert groß: Vorarlberg (30,8 Prozent Unterschied) liegt in dieser unrühmlichen Statistik auf Platz eins, vor Oberösterreich (27,1) und Tirol (25,8). Der Österreichschnitt liegt bei 22,7 Prozent. Nun kann man entgegenhalten, dass die österreichweit größten Einkommensunterschiede zum Teil darauf beruhen, dass in Vorarlberg Männer die höchsten Einkommen aller Bundesländer beziehen – aber eine Rechtfertigung ist das nun wirklich nicht, ganz im Gegenteil. Und man kann einwenden, dass in diesen Einkommensvergleichen nicht vergleichbare Arbeiten, sondern stets nur die Gesamteinkommen aus verschiedenen Berufen gegeneinander aufgewogen werden. Feigl aber sagt: „Ich missgönne den Männern ihr Einkommen nicht. Aber es ist nicht zu akzeptieren, dass Frauen so viel weniger verdienen.“

Lindermayr fügt an: „Ein zentrales Element auf dem Weg zur Gleichstellung von Frau und Mann ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Eine ausgewogenere Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern ist dafür Voraussetzung. Dazu gehört auch: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, wie es das Gesetz vorschreibt.“ Und: „Solange die unbezahlte Arbeit, also Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege, zwischen Frauen und Männern nicht einigermaßen fair verteilt ist, werden Frauen im Berufsleben und damit auch beim Einkommen benachteiligt sein. Denn der Tag hat auch für Frauen nur 24 Stunden.“

Bewusstsein schaffen

Eine Ursache der finanziellen Diskrepanz liegt übrigens in der Berufswahl. Obwohl es rund 200 verschiedene Lehrberufe gibt, entscheiden sich nach wie vor viele Mädchen für eine Lehre im Einzelhandel, als Bürokauffrau oder als Friseurin. Lindermayrs Fazit: „Wichtig ist vor allem, ein Bewusstsein für geschlechtsspezifische Diskriminierungen zu schaffen und die Problematik traditioneller Rollenbilder aufzuzeigen. Dieses Rollenverhalten ist ja nicht angeboren, sondern anerzogen.“ Besonders wichtig sei es, den Geschlechterstereotypen und den in unseren Köpfen vorhandenen Rollenbildern entgegenzuwirken: „Geschlechterstereotypen können die Wahlmöglichkeiten von Frauen und Männern in Bezug auf Berufswahl und Arbeitsplatz einschränken und eine ungleiche Aufteilung der Arbeitszeit, des Einkommens und der familiären Pflichten zwischen Mann und Frau bedingen.“ Und natürlich würden die Rollenklischees den beruflichen Aufstieg und die Besetzung von Führungspositionen hemmen. Lindermayrs Ansage: „Es ist in Sachen Gleichstellung zutiefst kontraproduktiv, Mädchen in die Rolle der Prinzessinnen zu drängen und Buben in die der wilden Kerle.“

Die Sache mit der Quote

Zurück zur weiblichen Unterrepräsentation in Spitzenfunktionen und zur Frage, ob eine verpflichtende Frauenquote Besserung bringen könnte. In Deutschland hatte dieses Thema die Medien intensiv beschäftigt, wurde Für und Wider aufgelistet – dass etwa nur Druck helfe, um Chancen zu schaffen, andererseits eine Quote aber Falsche befördere und selbst zur Ungleichheit beitrage. Was hält Feigl von einer verpflichtenden Frauenquote, beispielsweise bei der Besetzung von Aufsichtsräten? Norwegen habe als erstes Land eine solche Quote gesetzlich festgeschrieben, und dort funktioniere es, wie mittlerweile auch in anderen Ländern: „Auch wenn die Umsetzung Reglementierung und Bürokratisierung bedeutet, ändert sich halt erst etwas, wenn es klare Vorgaben und verpflichtende Regelungen gibt.“ Die deutsche Schriftstellerin und Journalistin Amelie Fried hatte in der „Süddeutschen Zeitung“ das Thema übrigens recht entspannt kommentiert: „Es geht nicht um eine Bevorzugung von Frauen, weil sie Frauen sind. Es geht darum, bei gleicher Qualifikation Frauen gleiche Chancen einzuräumen, um eine jahrtausendealte Benachteiligung zu beenden. Selbst bei Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent hätten wir noch immer eine Männerquote von 70 Prozent. Das soll Diskriminierung sein?“. Wie aber könnte ein Schlusswort lauten? Die Qualifikation soll eine Rolle spielen und nicht das Geschlecht – weder in der Bevorzugung noch in der Diskriminierung.

Kommentare

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Wer heutzutage behauptet, Frauen seien immer und überall benachteiligt, der verschließt schon sehr fest die Augen vor der Realität. Im gesamten Familienrecht, bei Wehrpflicht und Pensionsalter: In allen diesen Feldern sind Männer nachweislich klar benachteiligt – nicht zufällig, nicht statistisch konstruiert, nein: Durch klaren Willen des Gesetzes. Doch diese Fakten sind nicht „politisch korrekt“, im Gegenteil: Frauen müssen als benachteiligt gelten. Ständig wird der niedere Verdienst von Frauen zitiert, doch: Die vielen Frauen, die unterhaltsberechtigt sind und früher in Rente gehen können, werden niemals so viel durch eigene Arbeit verdienen müssen wie Männer. Eine Frau, die sich durch Unterhalt vom Mann finanzieren lassen kann, wird natürlich nicht viel arbeiten und die Statistik der Frauenlöhne drücken. Doch auch hier steckt in Wahrheit eine Benachteiligung des unterhaltszahlenden Manns. Der Gipfel der Tatsachenverdrehung, dass alleine Frauen das Monopol auf den Benachteiligungsstatus hätten, ist die Argumentation für Frauenquoten. Eine Frauenquote heißt, einem zumindest gleich qualifizierten Mann den Job oder den Aufstieg zu verweigern, nur, weil er ein Mann ist. Es gibt keine einzige gesetzliche Benachteiligung von Frauen, doch viele für Männer, siehe Einleitung. Wer die Quote fordert, will eine zusätzliche Benachteiligung von Männern.