Angelika Schwarz

* 1975 in Feldkirch, ist Journalistin, studierte Germanistin und Anglistin, langjährige ORF-Redakteurin und -Moderatorin (Radio und Fernsehen). Angelika Schwarz arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Landeskrankenhäuser Vorarlberg.

Roboterassistenz für Gynäkologie

November 2023

Seit rund zwei Jahren geht sich das OP-Team der Gynäkologie am Landeskrankenhaus Feldkirch nicht nur gegenseitig zur Hand, sondern wird zusätzlich von den drei Armen ihres jüngsten Neuzugangs unterstützt: Zwei Mal in der Woche hat der „Senhance OP-Roboter“ jeweils einen Tag lang Dienst und ist dann überwiegend bei Eingriffen an der Gebärmutter und den Eierstöcken im Einsatz. „Bei über 200 gynäkologischen Operationen hat uns der Roboter seither zuverlässig entlastet – und das hat Vorteile für Personal und Patientinnen gleichermaßen“, bilanziert DDr. Burghard Abendstein, Primar der Abteilungen „Gynäkologie und Geburtshilfe“ an den Landeskrankenhäusern Feldkirch und Bludenz. „In einer durchschnittlichen Woche führen wir vier roboterunterstützte Eingriffe durch. An diesen beiden OP-Tagen ist speziell geschultes Personal eingeteilt“, erklärt der Primar. „Feldkirch als Endometriose-Zentrum zählt in diesem Bereich natürlich entsprechend viele Einsätze, der Roboter unterstützt uns aber auch bei laparoskopischen Eingriffen an den Eierstöcken, bei Blasensenkungen und anderen gynäkologischen Leiden. Wir waren von Beginn an bemüht, unseren Roboterassistenten möglichst breit einzusetzen.“ Ausnahmen bilden Eingriffe bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen sowie medizinischen Gegebenheiten, die von vornherein eine offene Operation verlangen.

Minimale Einschnitte 
Generell unterstützen Medizinroboter die Operateure und Operateurinnen vor allem bei minimalinvasiven und laparoskopischen Eingriffen, bei denen mit möglichst kleinen Einschnitten und winzigen Kameras gearbeitet wird. „Und wir Gynäkologen sind traditionell Laparoskopiker“, bekräftigt Primar Burghard Abendstein: „Mittlerweile führen wir 90 Prozent aller Baucheingriffe mit der Operationsmethode Laparoskopie durch.“ Das „Senhance“-Modell orientiert sich am Verfahren einer Bauchspiegelung mittels Spezialendoskops, erklärt der Fachmann: „Es ist also wie geschaffen für unsere Zwecke im Bereich der Gynäkologie.
Dazu kommt, dass dieser Roboter Instrumente verwendet, die praktisch gleich aussehen wie jene, die wir für die herkömmliche Laparoskopie verwenden. Das heißt, der Umstieg auf den roboterassistieren Eingriff ist für den erfahrenen Operateur gut zu bewältigen.“ Als weiteren Vorteil wertet Abendstein, „dass der ,Senhance-Roboter‘ auch ein haptisches Gefühl vermittelt: Beim Operieren spüre ich den Zug am Gewebe, ich spüre beispielsweise auch beim Nähen, wann ein Knoten festsitzt. Zwar liefert das menschliche Auge gewisse Informationen an das Fingerspitzengefühl, aber tatsächlich etwas zu spüren, ist bei einer Operation eine wichtige Komponente! Und da kommt uns dieses Robotersystem sehr entgegen.“
 
Körperliche Entlastung
Im Vergleich zur herkömmlichen Laparoskopie kommen die Operateure beim roboterassistierten Eingriff in der Regel auch mit einem geringeren Innendruck auf den Bauchraum aus. Sprich: Es wird weniger CO2 benötigt, mit dem bei der Laparoskopie durch Aufblasen Platz zum Operieren geschaffen werden muss: Der Roboter benötigt weniger Raum und damit auch weniger Druck. Ein Vorteil, der den Patientinnen vor allem im Nachhinein zugutekommt: „Die Bauchdecke muss weniger gedehnt werden, was entsprechend weniger, beziehungsweise erträglichere Beschwerden nach der Operation zur Folge hat.“
Auch für den Operateur bringt der OP-Roboter körperliche Entlastung: „Ergonomisch ist der ,Senhance‘ für die Ärzteschaft eine riesige Erleichterung“, betont der Primar. „Denn in der Gynäkologie arbeiten wir naturgemäß mehrheitlich in der Region rund um den Unterbauch. Bei Operationen stehen wir also meist in einer recht verdrehten und dadurch auch sehr anstrengenden Position zur Patientin. Und das stundenlang und voll konzentriert über einer Arbeit, die millimetergenau sein muss. Ist der OP-Roboter im Einsatz, kann ich sitzend vor einem 3D-Bildschirm arbeiten und ich brauche meinen Körper nicht unnatürlich zu verdrehen, um einen Überblick zu haben. Mittlerweile untermauern auch Studien, dass die Operateure weit weniger schnell ermüden, wenn der Roboter körperliche Entlastung bringt.“
 
Menschliche Anweisung
Bei aller Erleichterung ist dem Primar wichtig zu betonen: Der Mensch ist und bleibt der wichtigste Faktor: „Der Roboter macht ohne Anweisung des Menschen nämlich gar nichts. Im Gegenteil – ich muss ein Pedal gedrückt halten, damit ich überhaupt steuern kann. Ein bisschen muss ich immer schmunzeln, wenn Patientinnen ihren Angehörigen erzählen, dass ein Roboter sie operiert. So ist es natürlich nicht ganz – denn der Roboter unterstützt nur und macht nichts ohne menschlichen Befehl!“
Und um diese Befehle erteilen zu können, müssen alle an der OP Beteiligten, also sämtliches ärztliches und pflegerisches Personal, sehr gut geschult sein. Das Team beteiligt sich zudem laufend an Register-Studien, an denen europaweit insgesamt 25 Kliniken mitwirken, die ebenfalls das OP-System „Senhance“ benutzen. „Zweimal im Jahr trifft man sich mit Operateuren, um sich auszutauschen und die nächsten Entwicklungsschritte zu besprechen – oder auch einmal einzubremsen“, ergänzt Primar Abendstein. „Es ist sehr spannend, wenn man solche Entwicklungen im Dienst der
Patientinnen von Beginn an miterleben und sogar -gestalten darf.“

Laparoskopie ist eine Untersuchungs- und/oder Operationsmethode, bei der die Bauchhöhle und die darin liegenden Organe mithilfe eines Laparoskops (spezielle Kamera) sichtbar gemacht werden.

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