Meisterleistung interdisziplinärer Zusammenarbeit
Ein interdisziplinäres Operationsteam hat am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch einen äußerst seltenen Eingriff erfolgreich gemeistert: Weil bei einem 48-jährigen Patienten nach behandeltem Kehlkopfkrebs neuerlich ein bösartiger Tumor aufgetreten war, musste unter anderem der obere Teil seiner Speiseröhre entfernt werden. Als Ersatz wurde dem Mann ein Teil des mittleren Abschnitts seines Dünndarms eingenäht. „Die radikale Tumorresektion mit Gewebeersatz und Gefäßanschluss war seine einzige Chance“, erklärt Primar Dr. Wolfgang Elsäßer die Motivation für den Eingriff. „Man kann es durchaus als eine Meisterleistung der interdisziplinären Zusammenarbeit bewerten“, resümiert der Leiter der HNO-Abteilung am LKH Feldkirch. An der rund zehnstündigen Operation waren Spezialisten und Spezialistinnen aus drei medizinischen Bereichen beteiligt: aus der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, der Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie sowie aus der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie. Der Eingriff selbst verlief komplikationslos, der Patient ist inzwischen beschwerdefrei. „Voraussetzung für so einen Eingriff ist eine entsprechend körperliche Fitness“, sagt Primar Prof. Dr. Ingmar Königsrainer, Leiter der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie. „Genauso wie viel Motivation, Vertrauen in das gesamte Betreuungsteam und Rückhalt durch die Familie“, ergänzt Primar Elsäßer.
Dünndarmteil als Ersatz
Um sicherzustellen, dass keine Tumorzellen im Körper verbleiben, müssen die Ärzte nicht nur den Tumor selbst, sondern – je nach Größe und Stadium – über dessen Grenzen hinaus Gewebe entfernen. Im konkreten Fall war es notwendig, den Schlund, die Schild- und Nebenschilddrüsen sowie den oberen Teil der Speiseröhre operativ zu entfernen. Das HNO-Team hat zunächst diese Tumorentnahme durchgeführt. Eine sofortige Gewebeanalyse noch während des Eingriffs hat ergeben, dass der Tumor vollständig entfernt werden konnte.
Danach galt es, den gesunden Teil der Speiseröhre wieder anzufügen. Die Speiseröhre verbindet den Schlund mit dem Magen, sie ist beim gesunden Menschen zwischen 25 und 35 Zentimeter lang. Um fehlende Abschnitte zu ersetzen, kann auf Teile des Magens, des Dick- oder Dünndarms zurückgegriffen werden. Die Ärzte in Feldkirch haben sich für eine Überbrückung mit einem Dünndarmsegment entschieden, eine Maßnahme, die äußerst selten zum Einsatz kommt: „Da es sich um einen Tumor im Halsbereich handelte, wäre die Strecke für einen Magenschlauch zu lang, und ein Dickdarminterponat wäre hier funktionell schlechter und mit eingeschränkteren Lebensqualität verbunden gewesen“, führt Primar Königsrainer aus: „Daher fiel unsere Wahl auf ein freies Dünndarminterponat.“
Sämtliche Eingriffe erfolgten innerhalb eines einzelnen Operationstermins: „Die sogenannte Schnitt-Naht-Zeit begann um 8.20 Uhr und endete um 15.50 Uhr“, blickt Primar Priv.-Doz. Dr. Gabriel Djedovic auf den intensiven OP-Tag zurück; der Mediziner leitet die Abteilung für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie. Alles in allem spannte sich die Operation samt Wundverschluss über zehn Stunden hinweg und war damit auch organisatorisch herausfordernd: „Die dafür in Frage kommenden Operateure mit entsprechend viel Erfahrung müssen am Tag X Zeit haben“, erläutert Primar Elsäßer. „Und an diesem Tag muss auch ein Intensivbett frei sein. Bis es überhaupt zur Operation kommt, leisten alle Beteiligten viel Vorarbeit: Tumorboard, Aufklärung, Bildgebung, Vorbesprechungen – nicht nur innerhalb der ärztlichen und pflegerischen Teams, sondern auch mit dem Patienten selbst und dessen Familie.“
Jeder Schritt ist entscheidend
Während des Eingriffs läuft die Zusammenarbeit der Spezialisten Hand in Hand nach einer exakt abgesprochenen Reihenfolge ab: Bei solch hochtechnischen Eingriffen ist jeder geplante Schritt entscheidend für den Erfolg der Operation:
›› Nach der Tumorentfernung durch die HNO-Spezialisten sorgte das Team der Allgemeinchirurgie zunächst für die Entnahme eines passenden Dünndarmteils: „Wir haben in einer Mini-Laparotomie ein Segment mit einer geeigneten und ausreichend langen Gefäß-Arkade gewonnen“, berichtet Primar Königsrainer. „Die beiden Dünndarmenden wurden anschließend wieder zusammengefügt und der Bauch verschlossen.“
›› Dann war das Team der Plastischen Chirurgie an der Reihe, um den Anschluss an den Halsgefäßen durchzuführen: „Nach der Einnaht des Dünndarminterponates durch Primar Königsrainer haben wir mit Hilfe einer Lupenbrille geeignete Anschlussgefäße gesucht, um die Durchblutung wiederherzustellen. Das war wegen der zahlreichen Voroperationen und der vorangegangenen Bestrahlung eine besondere Herausforderung“, erklärt Primar Djedovic. Unter dem Mikroskop wurden schließlich die passenden Dünndarmgefäße an die freigelegten Halsgefäße angeschlossen: „Hier werden Fäden eingesetzt, die dünner sind als das menschliche Haar“, verdeutlicht der Primar.
›› Nachdem die Durchblutung wiederhergestellt war, musste aufgrund der fehlenden Haut am Hals der große Brustmuskel auf der linken Seite abgehoben und auf den Hals hochgeschlagen werden: „Dabei wird der Muskel so weit abgesetzt, dass nur mehr die versorgenden Blutgefäße des Muskels eine Verbindung zum Brustkorb haben“, erklärt der plastische Chirurg. „Der Muskel selbst wird vollständig unter der Haut der Schlüsselbeinregion in die Halsregion hochgezogen, bis er das Dünndarminterponat bedeckt. Im Anschluss haben wir ein Hauttransplantat vom Oberschenkel über diesen Muskel gelegt.“
›› Nach sorgfältiger Einpassung und Vernähen des Hauttransplantates konnte das Fachteam abschließend eine Tracheostoma-Kanüle in die Luftröhre einsetzen.
Am 20. Tag nach der OP konnte der Patient das Spital bereits verlassen. „Und das mit ungestörtem Schluckakt, ohne Wundheilungsstörung und in einem sehr guten Allgemeinzustand. Er war gerade bei mir zur Kontrolle“, freut sich Primar Djedovic: „Es geht ihm sehr gut, er ist beschwerdefrei, er kann essen und trinken.“ Und obwohl eine neuerliche Stimmprothese nicht mehr eingesetzt werden kann, besteht laut Primar Elsäßer „mithilfe von Logopäden und speziellen Übungen die Möglichkeit, eine Ersatzsprache zu entwickeln“. Der Patient wolle jedenfalls bald wieder beruflich einsteigen: „Er ist voll motiviert und sehr zuversichtlich.“
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