Herbert Motter

Der Strompreiszone könnte das Licht ausgehen

Dezember 2015

Mit dem grenzüberschreitenden Stromhandel ist man dem Ziel eines einheitlichen europäischen Stromgroßhandelsmarktes ein gutes Stück näher gerückt. Besonders positives Beispiel: die deutsch-österreichische Preiszone. Doch die gerät nun in Gefahr.

Seit 2002 besteht zwischen Deutschland und Österreich eine gemeinsame Strompreiszone. Sie gilt als Erfolgsmodell, denn sie garantiert nicht nur eine nahezu hundertprozentige Stromversorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen, sie ist auch Voraussetzung für die Vollendung des europäischen Strombinnenmarktes.

Mit der Energiewende hat sich unser Nachbar ambitionierte Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien gesetzt. Nicht ohne Folgen, wie sich herausstellte: Die Stromversorgung wurde volatiler, Angebot und Nachfrage liegen damit zeitlich wie örtlich weit auseinander.

Das könnte nun auch unangenehme Auswirkungen für Österreichs Stromkunden haben: Wegen des schleppenden Netzausbaus von Nord- nach Süddeutschland muss nach Bayern und Österreich gelieferter Strom einen Umweg über Polen und Tschechien machen und gefährdet dort die Netzstabilität. Deutscher Windstrom und die daraus folgenden Überkapazitäten bringen regelmäßig die polnischen und tschechischen Netze quasi zum Glühen. Netzengpässe zwischen Nord und Süd machen sich durch sogenannte Ringflüsse („loop flows“) bemerkbar. Der Strom wählt den Weg des geringsten physikalischen Widerstands und fließt aufgrund der Engpässe über die östlichen Nachbarn weiter Richtung Süden. Dies kann die Netzstabilität der Nachbarländer gefährden und zwingt Übertragungsnetzbetreiber vor und hinter den jeweiligen nationalen Grenzen zunehmend, mit teils kostspieligen netzstabilisierenden Eingriffen („Redispatch“) gegenzusteuern.

Nachteile befürchtet

Netzbetreiber in Polen und Tschechien müssen regelmäßig in den Kraftwerkseinsatz eingreifen, um Überlastungen zu verhindern. Auf Antrag der beiden Länder prüft derzeit die EU-Behörde ACER, ob das gemeinsame Marktgebiet Österreich-Deutschland den EU-rechtlichen Regelungen entspricht. Deren Ziel: den gemeinsamen deutsch-österreichischen Strommarkt einzuschränken (Engpassmanagemnt) und zwei Gebotszonen einzuführen. Wirtschaftsforscher sind sich einig, dass „market splitting“ zwar eine Möglichkeit zur Lösung der angespannten Lage am Strommarkt darstellen könnte, sie rechnen allerdings mit erheblichen Nachteilen für die österreichische Volkswirtschaft.

Laut deutschen Studien würde sich in einer eigenen österreichischen Preiszone elektrische Energie hierzulande um sechs bis sieben Euro je Megawattstunde verteuern, also um etwa zehn Prozent. Das hätte für österreichische Konsumenten, Unternehmen und Energieversorger in jedem Fall nachteilige Folgen. Von bis zu 300 Millionen Euro Mehrkosten für die österreichischen Stromkunden ist die Rede, sollte eine Engpassbewirtschaftung an der Grenze zu Deutschland Realität werden.

Österreichs Position ist eine eindeutige: Eine Aufspaltung des bestehenden Marktgebiets wäre ein Rückschritt für die Vollendung des europäischen Strom-Binnenmarkts. Ein Kraftwerkseinsatz in kleineren Preiszonen wäre zudem weniger effizient. Das Resultat sind höhere Preise. Die Wirtschaft möchte vielmehr den Ausbau der Strom-Infrastruktur in Europa forcieren, statt eine funktionierende Preiszone aufzubrechen. Nur so bleibe ein sicherer, bezahlbarer und umweltverträglicher Strom gewährleistet.

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