Herbert Motter

Vom wieder erwachten persischen Tiger

Oktober 2015

Die Einigung im Atomstreit mit dem Iran nährt die Hoffnungen der europäischen Exportwirtschaften auf neue Geschäfte. Österreich darf sich aufgrund historisch gewachsener Verbindungen in der „Pole-Position“ wähnen.

Mit dem Iran ist ein Schlüsselmarkt für Österreich zurück, und das nach zehn mehr oder weniger verlorenen Jahren“, so Karl Hartleb, stellvertretender Leiter der Außenwirtschaft Austria, nach der Unterzeichnung des Atomvertrags mit dem Iran in Wien. Potenzial und Nachholbedarf seien aber gleichermaßen groß.

Historisch gewachsene Beziehung

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Iran und Österreich reichen bis in die Habsburgerzeit zurück. Persien, wie das Land damals noch hieß, war stets an einem antitürkischen Bündnis mit den Habsburgern interessiert. Einen ersten Höhepunkt erreichten die Bindungen im  19. Jahrhundert. Der Iran entwickelte sich zu einem der wichtigsten Handelspartner Österreichs im Osten. Noch um 1850 wurden iranische Häfen von nahezu gleich vielen öster­reichischen wie britischen Schiffen angelaufen. Mit dem wachsenden Engagement Russlands und vor allem Großbritanniens verminderte sich jedoch der österreichische Einfluss rasch wieder.

Österreich blieb aber im Iran auch in der Folgezeit als Handelspartner und im Bereich der Wissenschaft hoch angesehen. Die erste medizinische Ausbildungsstätte im Iran nach westlichem Muster wurde vom Österreicher Dr. Polak begründet, die erste kartografische Vermessung Teherans hatte ein österreichischer Pionieroffizier vorgenommen. Und auch im Straßenbau waren österreichische Ingenieure führend tätig, ebenso bei der Reorganisation des Post- und Münzwesens. Besonders im Energie- und im Maschinenbaubereich war der Iran bis zum Aufstieg Chinas für viele Unternehmen einer der wichtigsten Märkte überhaupt im asiatischen Raum.

Nach der Revolution im Jahr 1979 erfuhren die bilateralen Handelsgeschäfte einen Dämpfer, wenngleich die politischen Beziehungen weiter gut blieben. So wurden in Österreich während des Iran-Irak-Kriegs als erstem westlichen Land iranische Giftgasopfer behandelt. Gleichzeitig gab es Aktionen wie die Belieferung beider Parteien im Iran-Irak-Krieg durch die Verstaatlichte, die Österreich in ein moralisch bedenkliches Licht rückten.

Höhepunkt Anfang des 21. Jahrhunderts

Einen Höhepunkt der Wirtschaftsbeziehungen bildete die Zeit zwischen dem Ende des Iran-Irak Kriegs und 2004 (Ende der Regierung Mohammad Khatami). Das bilaterale Handelsvolumen erreichte 2004 fast eine Milliarde Euro, 2004 erfolgte auch der (bis zum historischen Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer im September 2015) letzte Staatsbesuch eines westlichen Staatsoberhaupts durch den damaligen österreichischen Präsidenten Thomas Klestil. Aktuell liegt das Handelsvolumen Österreichs in den Iran nur mehr bei etwa 230 Millionen Euro.

Vorarlberger Unternehmen exportierten 2014 Waren im Wert von 8,8 Millionen Euro in den Iran. Das bedeutet ein Plus gegenüber 2013 um über 25 Prozent. Allerdings lag das Volumen in den vergangenen Jahren um vieles höher, 2011 etwa bei rund 26 Millionen Euro.

„Der Iran leidet sanktionsbedingt unter einem massiven Investitionsrückstau in allen Bereichen. Die Industrie ist zu einem großen Teil überaltert, dazu kommt durch die Bevölkerungsexplosion der letzten Jahrzehnte ein großer Bedarf an moderner Infrastruktur, besonders in den Bereichen Straßen- und Schienenbau, Kraftwerksbau, Umwelttechnologie und Gesundheitswesen. Im produzierenden Bereich wird europäische Technologie hoch geschätzt und der asiatischen Konkurrenz vorgezogen“, sieht der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Teheran, Georg Weingartner, enormes Potenzial für die heimische Wirtschaft.  

Die explosionsartige Bevölkerungsentwicklung gehe mit großen Herausforderungen für das Land einher. Stetig wachsende Urbanisierung, steigendes Verkehrsaufkommen, die daraus resultierende Umweltbelastung und die Abfallproblematik haben das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und nachhaltige Stadtentwicklung im Iran gestärkt.

Bedarf in den Ballungszentren

„In den Ballungszentren, allen voran in der Hauptstadt Teheran mit weit über 12 Millionen Einwohnern, ist der Bedarf an neuen Konzepten für moderne Stadt- und Infrastrukturentwicklung sowie Know-how für die diversifizierende Industrie gefragt.“ Diese Rahmenbedingungen, verbunden mit der Größe des Landes und der Bevölkerung von rund 77 Millionen Einwohnern und der (noch) geringen Präsenz westlicher Unternehmen machen den Iran zu einem der vielversprechendsten Märkte weltweit. Gegenwärtig geben sich im Iran Delegationen vor allem aus Europa die Klinke in die Hand.

„Österreich hat aufgrund der kon­stant positiven und jahrhundertelangen Geschichte aber einen besonderen Platz im Herzen der Iraner. Anders als etwa Russland, Frankreich und Großbritannien trat Österreich auch nie als Kolonialmacht in der Region auf. Unsere Unternehmen haben daher im Iran einen Startvorteil, den es zu nutzen gilt“, betont Weingartner.

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