David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Wachstum vs. Klima?

Juli 2021

Nachdem der Klimawandel aufgrund des dringlicheren Corona-Notstands etwas aus dem Fokus der Politik gerückt war, dürfte der anstehende Sommer in vielfacher Hinsicht wieder normaler werden. So wird bei heißeren Temperaturen bald gewarnt werden, dass die nächsten Jahrzehnte ein „Klimanotstand“ drohe. An ehrgeizigen Klimazielen mangelt es der Politik nicht. So soll die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden, was weltweit eine massive Reduktion klimaschädlicher Emissionen nötig machen würde. Nur: Die tatsächlichen Emissionen steigen weltweit an. Was sind die Kosten höherer Temperaturen und was kann für die zukünftigen Generationen getan werden?

Kosten höherer Temperaturen

Die Armut der Welt konzentriert sich tendenziell in heißen, tropischen Ländern. Reichtum ist eher in Industriestaaten zu finden, deren Durchschnittstemperatur oft etwas kühler ausfällt. Und nun? 
Die anhaltende Armut, die mangelnde Gesundheitsversorgung, das schwache staatliche Sozialsystem und der daraus resultierende Migrationsdruck in vielen afrikanischen und teilweise auch südamerikanischen Ländern haben vorwiegend politische und historische Wurzeln. Dort, wo wirtschaftliche Reformen durchgeführt wurden, wie beispielsweise in Südostasien, nahm Wachstum schnell an Fahrt auf, und die Lebensbedingungen der Bürger verbesserten sich. Dank wirtschaftlicher Reformen nähern sich viele dieser Staaten schnell den westlichen Industrieländern an. Sie haben das geschafft, obwohl sie oft ein tropisches, heißes Klima haben. 
Ähnliches gilt aus historischer Perspektive für die heutigen Industriestaaten. Zwar hat sich seit der vorindustriellen Zeit die globale Mitteltemperatur um etwa 1,0 Grad erhöht und in Österreich um rund doppelt so viel. Trotz dieses Temperaturanstiegs würde nahezu niemand ernsthaft behaupten, dass Österreich bedeutend reicher und die Lebensqualität dementsprechend höher wäre, wenn die Temperatur seit der industriellen Revolution konstant geblieben wäre. Potenziell negative Effekte der vergangenen Temperaturerhöhung erscheinen im Vergleich zu anderen Veränderungen der letzten 150 Jahre nicht sehr relevant. Im direkten Vergleich zwischen Österreich und beispielsweise Norwegen käme vermutlich niemand auf die Idee zu behaupten, Österreich wäre bedeutend erfolgreicher als Norwegen, wenn es denn nur hierzulande so kühl wäre wie dort. Klima ist nicht Schicksal! 

Alles ist relativ

Trotzdem birgt die fortschreitende Erderwärmung das Potenzial für relevante gesellschaftliche und wirtschaftliche Kosten. So schätzte unlängst ein Bericht verschiedener US-Behörden die potenziellen Schäden um das Jahr 2100 allein in den Vereinigten Staaten auf mehrere 100 Milliarden Dollar. 
Je konkreter die Schadensschätzungen für die nächsten Jahrzehnte aufgrund des Klimawandels werden, desto stärker müssen die Nutzen und Kosten der derzeitigen Klimapolitik mit anderen wichtigen Problemen beispielsweise im Gesundheits-, Bildungs- oder Sicherheitsbereich verglichen werden. Selbst Klimaschäden von hunderten von Milliarden Dollar beeindrucken dann nicht mehr so stark. So beträgt die Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten heute über 20 Billionen Dollar jährlich, also über 20.000 Milliarden. Bis 2100 wird sie sich bei normalem Wirtschaftswachstum nochmals deutlich mehr als verdoppeln. Damit wären selbst große Klimaschäden von mehreren 100 Milliarden Doller noch im unteren einstelligen Prozentbereich im Vergleich zur gesamten Wirtschaftsleistung. Noch kleiner wirken die Schäden, wenn sie mit dem Wachstum selbst verglichen werden: So hätten um 2100 selbst Schäden von 5 Prozent der Wirtschaftsleistung etwa die gleiche Wirkung, wie wenn die Wirtschaft jetzt wenige Jahre nicht wachsen würde oder die jährliche Wachstumsrate ab jetzt bis 2100 um etwa 0,06 Prozentpunkte sinken würde. 
Daher muss Klimapolitik immer sehr stark effizienzorientiert sein. Denn wenn sie aufgrund von zu großen Einschränkungen und unrealistischen Klimazielen die zu erwartende Wachstumsrate dämpft, schadet sie den heutigen und den zukünftigen Bürgern weit mehr, als sie beiden nutzt. Neben Klimaschutz gibt es nämlich viele weitere Ziele in der Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Sie werden in der Panik des „Klimanotstands“ schnell vergessen. 

Wege zum Erfolg

Während die derzeitige Klimapolitik oft das wirtschaftliche Wachstum zu dämpfen droht, steht Wachstum selbst nicht notwendigerweise im Konflikt mit Klimaschutz und erst recht nicht mit den vielen anderen Wünschen sowie Bedürfnissen, die die Bürger haben. Wachstum ist mit Innovationen verbunden, die im Regelfall eine effizientere Ressourcennutzung ermöglichen. Innovationen helfen Emissionen zu reduzieren. Tatsächlich haben es viele Industrieländer geschafft, in den Jahren bis vor Corona wirtschaftlich zu wachsen, während gleichzeitig klimaschädliche Emissionen gesenkt wurden. 
Dank wirtschaftlichen Wachstums werden die zukünftigen Generationen nicht ärmer, sondern trotz des Klimawandels bedeutend reicher als die derzeitige Generation sein. Derzeit ist immer noch Armut und insofern zu tiefes Wachstum das große Übel unserer Welt. Der Wohlstand in vielen Ländern hängt weit weniger vom Klimawandel als von der Qualität der Regierungsarbeit ab, die durch die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt wird. Wer Klima über alles stellt, dürfte den heutigen und zukünftigen Generationen großen Schaden zufügen. Der Einsatz für gute internationale, nationale und lokale Politik in allen Bereichen, die den Bürgern wichtig sind, brächte hingegen eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen für die heutige und die zukünftige Generation. 

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