Ulrike Delacher

Die gebürtige Tirolerin studierte Germanistik und Integrierte Kommunikation. Sie leitet die Unternehmenskommunikation bei der Vlbg. Krankenhaus-Betriebsgesellschaft.

(Foto: © Matthias Weissengruber)

Die „süße Rache“ des Lebensstils Wohlstandskrankheit Diabetes

April 2016

Diabetes mellitus ist griechisch und bedeutet „honigsüßer Durchfluss“. Klingt eigentlich nicht so gefährlich, aber: Diabetes ist die Ursache für viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schädigungen des Körpers. Die Stoffwechselerkrankung nimmt zudem rasant zu und tritt laut dem Vorarlberger Medizinexperten Primar Heinz Drexel vor allem in Wohlstandsländern auf. In Vorarlberg leben rund 19.000 Typ-II-Diabetiker.

Zuckerkrankheit – im Fachausdruck Diabetes – ist gekennzeichnet durch die chronische Erhöhung des Blutzuckers. Dies kann beispielsweise zur Schädigung von Augen, Nieren und Nerven führen. Zudem ist Typ-II-Diabetes auch für die Atherosklerose, die Erkrankung der Arterien, verantwortlich. Die Folgen: gesteigertes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und die Schaufensterkrankheit. „Moderne Behandlung vereinfacht heute den Umgang mit Diabetes, die Lebensgefahr ist also nicht mehr akut, für den richtigen Umgang mit Diabetes sind allerdings bewusste Lebenshaltung und Kenntnis der Erkrankung notwendig“, mahnt Heinz Drexel, international anerkannter Forschungsexperte, Vorstand von Vorarlbergs Forschungszentrum VIVIT und Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie am LKH Feldkirch.

Eine Stoffwechselstörung – zwei Erkrankungen

Wenn aus der Nahrung Zucker ins Blut gelangt, produzieren die sogenannten Betazellen in der Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin. Insulin spielt eine wichtige Rolle im Stoffwechsel: Es steuert die Verteilung des Zuckers in die Gewebe, etwa Leber, Muskel oder Fettgewebe, und bewirkt, dass die Gewebe Zucker aufnehmen und verbrennen können. Im normalen Organismus folgt auf einen Glukoseanstieg im Blut eine Insulinfreisetzung.

Bei Diabetikern ist dieser Prozess jedoch gestört: Beim selteneren Typ-I-Dia­betes zerstört der Organismus in Form einer Immunattacke seine Insulin produzierenden Betazellen. Die betroffene Person kann kein eigenes Insulin mehr bilden und freisetzen, die Blutglukose steigt massiv an. Bis 1920, als das Insulin erstmals auch künstlich zugeführt werden konnte, sind Menschen an dieser Erkrankung sehr rasch verstorben. Typ-I-Diabetes ist selten (0,5 Prozent der Bevölkerung).

Der Typ-II-Diabetes hingegen ist verantwortlich für die weltweite Diabetesepidemie, besonders in den industrialisierten Ländern. Die Ursache liegt in einer angeborenen oder erworbenen Insulinunempfindlichkeit (Insulinresistenz). So nimmt die Wirkung von Insulin etwa durch Übergewicht und Bewegungsmangel ab, der Blutzucker steigt. Beides bewirkt, dass der Körper mehr Insulin produzieren muss, was zu einer Erschöpfung der Betazellen führt. Rund 5 Prozent der Bevölkerung ist an Diabetes Typ II erkrankt, das betrifft rund 425.000 Österreicher bzw. 19.000 Vorarlberger. Der Nachweis von Diabetes erfolgt durch eine Blutzuckerbestimmung.

Coca-Colonization und Bewegungsarmut

„Bei Betroffenen ist grundsätzlich ein genetischer Faktor gegeben, nämlich, dass zu wenig Insulin produziert wird. Der zweite Faktor ist erworben und hängt mit dem ungesunden Lebensstil zusammen, der die Insulinwirkung erschwert“, signalisiert Prof. Drexel, dass Diabetiker sehr wohl Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen können. So sind für die Diabetesentstehung Ernährungsgewohnheiten typisch, die man heute gerne mit „Coca-Colonization“ bezeichnet, „nämlich übermäßiger Konsum von zuckerhaltiger Flüssigkeit und fettreicher Ernährung wie im typischen Fast Food. Kommt noch die moderne Bewegungsarmut hinzu, entsteht bei genetischem Hintergrund Diabetes mellitus.“

Zuckerhaushalt im Griff

Bei Typ-I-Diabetes ist die Therapie der Wahl eine Insulinverabreichung. Allgemeine Maßnahmen wie eine gesunde Lebensführung, welche die Insulinresistenz und die Überproduktion von Insulin eindämmen, helfen Typ-II-Diabetikern am Beginn der Erkrankung. Reicht dies nicht mehr, werden Antidiabetika (blutzuckersenkende Medikamente) eingesetzt – bis es bei erhöhter Behandlungsnotwendigkeit zur Insulingabe kommt.

„Ganz aktuell geht Diabetesforschung in eine neue Richtung“, informiert Prof. Drexel, „nämlich Glukose aus dem Körper über den Harn zu entfernen. Dies wird nun durch sogenannte SGLT2-Hemmer ermöglicht. Langfristig kann so die Senkung von Herzversagen und Herztod erzielt werden, kurzfristig senken sich Blutzucker, Blutdruck und Gewicht. Diese Sensation wurde erst im vergangenen Jahr publiziert und steht nun im Zentrum der Diabetesüberlegungen.“

Internationale Anerkennung für Vorarlberger Forschung

Der Erforschung sowie Therapie von Diabetes haben sich das VIVIT-Institut gemeinsam mit der Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie am LKH Feldkirch verschrieben. Das VIVIT gehört weltweit zu den führenden Diabeteszentren. Sämtliche neuen Therapien, so auch die SGLT2-Hemmer, wurden hier erstmalig eingesetzt, in Großstudien zeigten die Vorarlberger Forscher viele Risiken für Diabetespatienten auf und beschleunigten Therapiemöglichkeiten. Das Institut findet auch in der Wirtschaft immer wieder Sponsoren, die die wichtige Forschungsarbeit unterstützen und auch Arbeitsplätze schaffen.

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