Robert Seeberger

* 1960 in Bludenz, Diplomstudium Physik an der Universität Innsbruck bis 1986, Dissertation 1994 (Universität Innsbruck und Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Deutschland), Wirtschaftsingenieurstudium in Liechtenstein bis 1994; Forschungsaufenthalte an Instituten und Observatorien in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien. Seit 1995 beim Arbeitsinspektorat Bregenz. 2000: Mitarbeit beim Zentralarbeitsinspektorat Wien und bei der Europäischen Agentur für Sicherheit in Bilbao, Spanien.

Großer Wagen – ein „Leitsternbild“

Juni 2021

Der Große Wagen ist von Vorarlberg aus das ganze Jahr über zu sehen. Zwei spezielle Sterne eignen sich als Sehtest. Fernrohrbeobachter tauchen in eine Welt interessanter Galaxien ein.

Welche Sternbilder kennen Sie? Der Große Wagen ist fast immer bei den Antworten dabei. Auffällig steht er in nördlicher Richtung und erinnert in seiner Gestalt an einen Handwagen mit Deichsel. Derzeit ist er, sobald es dunkel wird, fast senkrecht über unseren Köpfen, die Deichsel ist so orientiert, als würde der Wagen in Richtung Horizont gezogen. Im Herbst wiederum steht er tief am Nordhimmel, die Deichsel zeigt nach Westen. Tatsächlich dreht sich der Große Wagen um den Himmelsnordpol und sinkt bei unserer geografischen Breite nie unter den Horizont. Die meisten Sternbilder sind nur zu einer bestimmten Jahreszeit zu sehen – man spricht daher zum Beispiel von Sommersternbildern. Andere wiederum, wie das Kreuz des Südens, kann man von Vorarlberg aus nie sehen. Der Große Wagen gehört zu den zirkumpolaren „Sternbildern“. Verlängert man gedanklich die Drehachse der Erde, so zeigt sie zum Himmelsnordpol mit dem Polarstern. Die Lage von Polaris bleibt immer unverändert: 47,5 Grad über dem Nordhorizont.
Anhand des Großen Wagens kann man den weniger auffälligen Polarstern auffinden. Die Verbindungslinie der beiden hinteren Kastensterne des Wagens zeigt zum Polarstern. Die Strecke zwischen den Kastensternen Merak und Dubhe muss man dazu zirka fünfmal verlängern.

88 Sternbilder

Markante Sternformationen sind wahrscheinlich schon frühen Kulturen aufgefallen. Im antiken Griechenland wurden erst 44, dann 48 Sternbilder beschrieben. Durch die Jahrhunderte kamen neue dazu, Bezeichnungen wurden geändert und im 19. Jahrhundert gab man den Sternbildern des Südhimmels Namen. Die Internationale Astronomische Union sorgte auf ihrer Gründerversammlung im Jahr 1922 für Ordnung am Himmel. Es wurden 88 Sternbilder festgelegt, wenige Jahre später die genauen Sternbildgrenzen. Der Große Wagen ist ein sogenannter Asterismus, eine Gruppe von hellen Sternen, die zu einer auffälligen Figur zusammengefasst wird. Er ist ein Teil (der Rumpf und der Schwanz) des Sternbildes „Große Bärin“. Nicht alle Kulturen sehen im Asterismus aus den sieben Sternen einen Wagen. In Amerika spricht man von der Großen Schöpfkelle, in Frankreich von einer Kasserolle und in England von einem Pflug.

Sehtest

Die einzelnen Sterne eines Sternbildes gehören physikalisch nicht zusammen. Sie sind weder durch die Schwerkraft aneinander gebunden, noch sind sie gleich weit von uns entfernt. Das gilt auch für die Große Bärin. Die Sterne des Großen Wagens allerdings weisen eine Besonderheit auf: Sie sind mit 80 bis 100 Lichtjahren alle gleich weit weg. Das ist durch ihre gemeinsame Entstehung vor etwa 500 Millionen Jahren aus einer Gas- und Staubwolke zu erklären. So gesehen ist der Große Wagen ein offener Sternhaufen.
Mit dem mittleren Deichselstern des Großen Wagens kann man die eigene Sehkraft überprüfen. Knapp oberhalb des Sterns Mizar müsste ein etwas schwächerer Stern, der Reiterlein genannt wird, zu sehen sein. 12 Bogenminuten trennen die beiden Sterne. Der Test sollte bei klaren Sichtbedingungen leicht zu bewältigen sein.

Der Eulennebel

Sterne entstehen und vergehen. Wenn ein Stern eine vergleichbare Masse wie unsere Sonne hat, beginnt er zu pulsieren, nachdem er den Großteil seines Brennstoffvorrats aufgebraucht hat. Im Zentrum bleibt ein weißer Zwergstern übrig. Um ihn herum bildet sich eine Gaswolke, die ähnlich wie ein Planet ausschaut. Daher nennt man diese Sternüberreste auch „Planetarische Nebel“. Zusätzlich zu einer Katalogbezeichnung (M 97) haben die helleren phantasievolle Namen erhalten. Der Eulennebel im Großen Wagen ist zirka 2000 Lichtjahre entfernt und kann durch ein etwas größeres Amateurfernrohr betrachtet werden. Zwei dunkle Flecken im Nebel erinnern an Eulenaugen.

Die Welt der Galaxien

Paul Baumgartner betreibt in Krumbach im Bregenzerwald eine Sternwarte, die er auch Besuchern zugänglich macht (www.spacepage.at/). Seine Begeisterung für die Welt der Sterne und die Astrofotografie ist ansteckend. Auf meine Frage, welche Himmelsobjekte er besonders gerne betrachtet und fotografiert, meint er: „Auf einer meiner Aufnahmen des Kugelsternhaufens M13 habe ich bei der Auswertung Galaxien im Hintergrund entdeckt. Aus Katalogen war zu entnehmen, dass diese Objekte zwischen 50 und 480 Millionen Lichtjahre entfernt sind. Phantastisch, wie tief ein 14 Zoll-Gerät (Durchmesser des Teleskopspiegels 35 cm) das Universum abbildet.“
Galaxien bestehen aus Milliarden von Sternen, dazwischen liegen Gas und Staubmassen. Viele der Sterne sind von Planeten umgeben. Galaxien sind riesige Welteninseln, vergleichbar mit unserer Milchstraße. Im Sternbild „Große Bärin“ findet man das Galaxienpaar M81/M82. M82 sieht etwas ungleichmäßig aus. Die Schwerkraft von M81 zerrte an der Nachbargalaxie, als sie vor zirka 200 Millionen Jahren aneinander vorbeigezogen sind. Dabei wurde die Entstehung neuer Sterne angeregt. Beide Galaxien sind durch eine Gasbrücke miteinander verbunden. Sie sind elf Millionen Lichtjahre von uns entfernt und die hellsten Exemplare einer Gruppe von zwölf Galaxien. 
Eine weitere Spiralgalaxie, M108, liegt in der Nähe eines Ecksterns (Merak) des Großen Wagens. Die Galaxie ist zirka 34 Millionen Lichtjahre entfernt. Wir blicken ziemlich genau von der Seite auf die Spiralgalaxie, die daher als längliches dünnes Objekt erscheint. 
Sehr bekannt ist die Whirlpool- oder Strudelgalaxie. Zwei Galaxien sind sich zu nahe gekommen, was Gasausbrüche und das Entstehen neuer Sterne zur Folge hatte. Die Phänomene sind schön anzuschauen und für Astrophysiker höchst spannend. Genaugenommen haben wir jetzt die Grenze der Großen Bärin überschritten, denn die Whirlpool Galaxie liegt nach der Definition der Sternbildgrenzen schon knapp in den „Jagdhunden“.

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