Hans-Peter Metzler

Alt-Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: ©Markus Gmeiner)

Lasst uns diskutieren!

Juli 2018

Österreich hat Anfang Juli die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernommen; in einer Zeit, in der die Zustimmung der Menschen zu Europa dramatisch niedrig ist. Ein Vierteljahrhundert nach Beitritt ist die einstige Zustimmung erodiert, trotz der Tatsache, dass die Geschichte der Mitgliedschaft für Österreich die Geschichte eines Erfolges ist. Doch die Gegner suchen die Abschottung, sie wollen nicht mehr, sie wollen deutlich weniger Europa. Und da kann man argumentieren, was man will. Gabriel Felbermayr, ein renommierter Ökonom, hatte jüngst in Feldkirch gesagt, mitunter wüssten die Menschen nicht, woher der Wohlstand komme. Eines seiner Beispiele? „Wer in Österreich in einem Unternehmen arbeitet, das eine hohe Exportorientierung hat, bekommt höhere Löhne, laut Statistik bis zu einem Drittel.“ Aber Europa ist nicht nur Wirtschaft. Es ist viel mehr. Es ist Identität. Es ist Gemeinsamkeit. Es sollte auch Emotion sein.

Die Gegner verschweigen das. Diejenigen, die – in der Politik und in der Gesellschaft – der europäischen Sache mit Vorbehalten begegnen, sind gar nicht erst interessiert an einer Debatte. Vorgefasste Meinungen stoßen auf die Unkultur, sich partout nicht korrigieren zu wollen. Nichtwissen wird übertroffen von der Arroganz des Nichtwissen-Wollens, auch wenn man sich damit einer gemeinsamen Zukunft verschließt und der Mitbestimmung beraubt. Ein Spiel mit dem Feuer!

Denn so wichtig die Prinzipien des Föderalismus und der Subsidiarität auch sind: Die großen Fragen, die großen Herausforderungen der heutigen Zeit lassen sich nur gemeinsam im europäischen Verbund lösen. Nationaler Egoismus, das sagt EU-Parlamentarier Othmar Karas, hat uns noch kein Problem gelöst. Man könnte anfügen: gedankliche Abschottung schon gar nicht. Doch ist das ein Problem, das weit über die europäische Sache hinausreicht.

Es gibt in Österreich seit Langem schon keinen richtigen Diskurs mehr. Auch bestärkt durch einseitig positionierte öffentliche Akteure isoliert und sozialisiert sich eine zunehmende Anzahl nur noch in der eigenen Meinung. Vor allem in sozialen Medien sind keine alternativen Meinungen gefragt, keine neuen Argumente, und schon gar nicht die Debatte – sondern nur die Bestätigung eigener Vorurteile. Immer mehr Menschen schließen sich in den eigenen Informationsräumen ein. Sogenannte Dialogforen verdienen den Namen nicht. Der Monolog hat den Dialog ersetzt. Europa ist da nur ein Beispiel, es gibt viele andere. Aus dem römischen Recht stammt der Rechtsgrundsatz „audiatur et altera pars“. Man höre auch die andere Seite. Es ist kein Urteil zu fällen, bevor man den anderen gehört hat. Die Berücksichtigung dieses Prinzips wäre unserer Diskussionskultur nicht ganz abträglich.

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