Sabine Barbisch

Ursula Ott: „Ich will Konfliktsituationen lösen und Kooperationspotenzial finden“

April 2019

Als Universitätsprofessorin an der Nottingham Trent University beschäftigt sich die Feldkircherin Ursula Ott mit internationalen Wirtschaftsbeziehungen, Strategien und Entscheidungsbildung. In „Thema Vorarlberg“ erklärt sie, wie das Verständnis dieser Prozesse hilft, aus Konfliktsituationen herauszukommen und warum es ihr wichtig ist, Kooperationspotenzial zu finden.

Mein Kindheitstraum war, die Welt und ihre Völker kennenzulernen. In meinem Beruf komme ich diesem Traum sehr nahe – allerdings auf einem etwas höheren Niveau als in der Kindheit ausgemalt“, erklärt Ursula Ott lachend. Die gebürtige Feldkircherin ist seit 2018 Universitätsprofessorin an der Nottingham Trent University in Großbritannien und Leiterin der Forschungsgruppe für Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Strategien und Entscheidungsbildung. Nachdem sie ihr Studium der Handelswissenschaften und den Exportlehrgang an der Wirtschaftsuniversität Wien und anschließend ihr Doktorrat der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien absolviert hatte, begann ihre wissenschaftliche Karriere 1994 als Universitätsassistentin und Lektorin an der Universität Wien. Zwischen 1997 und 2000 bekam sie ein Erwin-Schrödinger-Stipendium an der London School of Economics und wechselte dann für 15 Jahre als Dozentin an die Loughborough University, bevor sie 2016 Universitätsprofessorin an der Kingston University in London wurde. Dort gründete und leitete sie das Zentrum für Experimentelle Forschung im internationalen Geschäft.

Als ordentliche Universitätsprofessorin und Leiterin der Forschungsabteilung ist Ursula Ott seit vergangenem Jahr die ranghöchste Akademikerin an einem Universitätslehrstuhl. Ihre Tätigkeit beinhaltet die Leitung von Forschungsprojekten, Vorlesungen, Diplom- und Doktoratsstudien, das Verfassen und die Begutachtung von Publikationen und internationalen Konferenzbeiträgen sowie die Umsetzung von Forschungsergebnissen in Wirtschaft und Politik: „Ich leite eine Forschungsgruppe von 20 internationalen Forschern und bin mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt in Programmen verbunden. In England besteht ein direkter Kontakt zwischen Studenten und Professoren, um im Tutoringsystem Studenten in akademischen, aber auch persönlichen Belangen zur Seite zu stehen.“ Momentan ist sie mit ihren Kollegen dabei, ein Institut zur Verhaltensforschung in Nottingham zu gründen, in dem sie die Position der Co-Direktorin übernehmen wird. Auch die Zusammenarbeit mit industriellen Kollaborationen gehört zum vielfältigen Aufgabenbereich der Universitätsprofessorin: Ursula Ott arbeitet zum Beispiel mit einem internationalen Unternehmen zusammen, das ihre Forschung zur Förderung der internationalen Beziehungen nutzt. Aber auch in politischen Situationen trägt ihre Forschung zum Verständnis von Verhandlungen bei: „Ich leite Experimente zur Untersuchung von kulturellen Unterschieden in der Entscheidungsbildung und bei Verhandlungen mit Vertretern der Wirtschaft und Politik aus den verschiedensten Ländern. „Mein Ziel ist, die Forschungsarbeit zu intensivieren, bekannt zu machen und zum Verständnis der kulturellen Unterschiede, aber auch der unglaublichen Gemeinsamkeiten der Kulturen beizutragen.“ 
Dabei gilt ihr Interesse der Analyse der individuellen, gruppenorientierten und kulturellen Entscheidungsbildung und den tiefen kognitiven Prozessen, die zu Konflikten in Verhandlungen führen. „Das Verständnis dieser Prozesse hilft aus Konfliktsituationen herauszukommen und das Kooperationspotenzial zu finden“, erklärt Ott. Dazu hat sie einen Mechanismus entwickelt, der an der University of Oxford in ihrem „Programme of Negotiations“ gelehrt wird. Sie selbst schätzt sich in der glücklichen Situation, das zu tun, was sie liebt und sich jeden Tag auf die Begegnungen mit anderen Menschen – seien es ihre Kollegen, Kontakte in der Wirtschaft oder mit internationalen Co-Autoren – zu freuen: „Ich habe nach vielen Jahren des Lernens den Luxus, mich auf das zu konzentrieren, was mir Spaß macht.“

Arbeit und Ausgleich

Weil ihre berufliche Tätigkeit und ihr Leben in Nottingham in allen Interaktionen auf die englische Sprache ausgerichtet ist, genießt Ursula Ott es auf ihrem Weg zur Arbeit besonders, Werke österreichischer und deutschsprachiger Autoren zu lesen. Entspannung von ihrem ambitionierten Arbeitsalltag findet sie beim Hören von Musik und dem Geigenspiel, das sie erst vor einigen Jahren gelernt hat. Seit 16 Jahren lebt die gebürtige Feldkircherin mit ihrer Familie in Nottingham, davor wohnte sie vier Jahre in London. „Seit Oktober 2018 wohne und arbeite ich am selben Ort, was ein richtiger Luxus ist. Ich mag Nottingham sehr gerne, da es eine Großstadt ist, die aber auch die Legende von Robin Hood lebt.“ Sie schätzt das ökologische Verständnis und das soziale Engagement an ihrem Wohnort: „Die Stadt ist ein pulsierendes Wirtschafts- und Wissenschaftszentrum mit zwei sehr guten Universitäten, hat aber auch wunderbare Erholungszonen entlang des Trent-Flusses. Wir genießen es, in einem Künstlerviertel zu leben und haben unser Haus nahe am Wasser, wo meine Kinder mit Schwänen und Eichhörnchen ganz naturnah aufwachsen.“ 
Aktuell ist auch ihre Familie vom drohenden Brexit betroffen: „1996, als ich an die berühmte London School of Economics kam, war das unvorstellbar. Nun ist leider erkennbar, dass sich eine engstirnige, xenophobe Stimmung im Land breitmachen kann.“ Sie selbst hat an der Universität und auch privat Vorkehrungen getroffen: „Die Universitäten fangen an, Notfallmaßnahmen zu treffen und unterstützen EU-Bürger dabei, eine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Für meine Kinder habe ich österreichische Pässe beantragt und für mich eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung.“ Ursula Otts wissenschaftliche Publikation zum Brexit, „Brexit Negotiations: From Negotiation Space to Agreement Zones“, und ihr Artikel „How a Ukraine Plus Deal could solve Theresa May’s problem“ sind in der Bibliothek des Englischen Parlaments zu finden.  Hoffen wir, dass sie gelesen werden!

Lebenslauf Ursula Ott

1965 wurde Ursula Ott in Feldkirch geboren. Nach der Matura am BORG Feldkirch studierte sie Handelswissenschaften und absolvierte den Exportlehrgang an der WU Wien. Das Doktorrat der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften folgte an der Universität Wien. Von 1994 bis 1997 war sie Universitätsassistentin und Lektorin an der Universität Wien, dann drei Jahre als Erwin-Schrödinger-Stipendiatin an der London School of Economics tätig, bevor sie bis 2015 außerordentliche Universitäts-Professorin an der Loughborough University in Großbritannien wurde. Dann wurde Ott Universitätsprofessorin und Direktorin am Zentrum für Experimentelle Forschung im internationalen Geschäft an der Kingston University in London. Seit 2018 ist sie Universitätsprofessorin an der Nottingham Trent University und Leiterin der Forschungsgruppe für Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Strategien und Entscheidungsbildung (IBSD). Ursula Ott ist verheiratet, ihre Kinder sind 15 und elf Jahre alt. 

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