Wolfgang Greber

* 1970 in Bregenz, Jurist, bei der „Presse“ im Ressort Außenpolitik, Sub-Ressort Weltjournal. Er schreibt auch zu den Themen Technolo­gie, Militärwesen, Raumfahrt und Geschichte.

G’hörig Reda versteht nicht jeder

Dezember 2021

Unsere Karateheldin Bettina Plank wurde nach einem Auftritt in der Millionenshow kritisiert, weil sie Dialekt sprach. Das kam vor allem aus Ostösterreich, wo viele heute schon grundsätzlich ihre Probleme sogar mit der eigenen Mundart haben.
A bitzle Fingerspitzengefühl beim Dialekt­schwätza wär allerdings scho guat.

Wirklich wit weg vo ihrem Hoamatle hat die Feldkircher Karatekämpferin Bettina Plank heuer im Sommer den Sportlerhimmel erreicht – und bei den Olympischen Spielen in Tokio eine Bronzemedaille geholt. Die 29-Jährige ist geerdet und schwätzt gern, wie ihr der Vorderländer Schnabel gewachsen ist. Im Oktober hat das zu einem Stürmchen im Wasserglas geführt: Plank war bei Armin Assinger in der Promi-Sportler-Millionenshow – und wurde flugs kritisiert: Auf (a)sozialen Medien und Postingflächen klassischer Medien wie des Wiener „Standard“ verspotteten manche ihren „starken Dialekt“. Sie solle „ordentliches Deutsch lernen“, hieß es.
Das Wiener Gratisblattl „Heute“ schrieb von „Hochdeutsch-Streit um Olympia-Heldin“ und machte eine Online-Umfrage zum Thema: „Stören dich Dialekte im Fernsehen?“, bei der mehr als 17.000 Leute abstimmten. Resultat: Rund 65 Prozent der Befragten stört es nicht, zehn Prozent ist’s egal. Etwa 20 Prozent stören „bestimmte“ oder „zu starke“ Dialekte. Weniger als fünf Prozent sagten, Dialekt sei in solch öffentlichen Situationen ungut.
Okay, als Gsi hab ich einschlägig geeichte Ohren. Aber ich fand es schon lustig, dass Leute schrieben, sie hätten Plank schwer verstanden. In Wahrheit hat sie sich zurückgehalten, hätte vieles zuhause sicher dialektaler ausgesprochen. Formulierungen wie „… dass ma uf da Matta alle Emotiona ussalo ka“ und „… aber war i scho lang nümm“ zählten zu den gröberen Eruptionen. Im April hatte sie in „Sport am Sonntag“ noch flacher dialektelt. „Gegatoal“, „Nasablüata“ und „a klele“ waren da noch die kernigsten Wörter.
Dennoch fühlte sich Assinger, der gern sein matschbirnenwaaches Kärntnerisch heraushängen lässt, bemüßigt, einzelne Aussagen Planks, die in ihrer lieben, leicht verhuschten und trockenen Art sprach, nachzuahmen: „Er muass des sii“ wiederholte er wörtlich. „I glob“ äffte er ungelenk so nach: „Globen! Globa ist nix wissa.“ Und so fort. Okay: Er meinte es witzig.
Aus dem Raum Wien wird das größte Unverständnis gekommen sein. Nun ja, Wien: Es ist bekannt, dass sich Dialekte/Mundarten mit wachsender Verstädterung abflachen. Eine von mehreren Triebkräften ist die Eigenart im bürgerlichen Milieu generell und speziell in dem von Großstädten, Dialekten geringeres Prestige zuzuschreiben. Ich erinnere mich, wie ein geschätzter Wiener Kollege in einer Runde meinte, Dialekt habe „weniger Wortschatz“ und man denke „weniger komplex“. Das löste Gelächter von anwesenden Vorarl­bergern und Oberösterreichern aus – und von einem anderen Wiener, der noch der klassischen Dialektsorte zugerechnet werden konnte.
Tatsächlich ist der Wiener Dialekt stark zurückgedrängt (sofern man dort Deutsch überhaupt noch hört), der „Mundl“ und seine fluchophile Sprache vielfach ausgestorben. Es dominiert ein blutarmes Wiener-Hochdeutsch, dessen Aussprache da und dort auf Österreichisch poliert ist und viele Austriazismen enthält, aber grosso modo klingt wie ein etwas anders gewuchtetes Hochdeutsch.
Dialektabflachung hat auch andere Gründe. Wer länger in einem fremden sprachlichen Umfeld lebt, merkt das an sich selbst. Es wird an Rücksichtnahme gegenüber Anders-Dialektalen und sogar deren Nachahmung liegen, wenn Menschen aus verschiedenen Gebieten in einem (urbanen) Raum kommunizieren, etwa Lustenauer und Villacher in Wien: Man lässt den Dialekt nicht so heraushängen. Zudem ist es hart, Dialekt zu sprechen, wenn dir keiner damit entgegenhält. Der Motor erkaltet. Als Vorarlberger im Osten, also besonderer Exot, kommst du gern in Situationen, wo jemand fragt: „Komm, sag was auf Gsibergerisch.“ Und denn schtohscht do und luagscht blöd, weil d’ net woascht was säga so spontan.
Dann ist da der enorme Einfluss des Bundesdeutschen. Das merkt man am Piefkeln der Jugend. Dabei sind es oft nicht einmal piefkonische Begriffe wie „kucken“, sondern die Aussprache („schwümm“ statt „schwimmen“; Schulö, Kirchö, Fragö – das „ö“ eine Fusion aus ö und ä) und diese steife, tonal mäßig variierende Aussprache, was nervt. Im Wiener Raum bis weit hinein nach NÖ ist das ziemlich extrem. Das gibt’s auch im Ländle, aber dort sind die Kinder im Schnitt immer noch näher am Dialekt.
Und so bestätigt es sich beim Thema Sprachverständnis oft, dass wir in V da meist beschlagener sind als die jenseits des Arlbergs. Denn wir verstehen alle Österreicher, doch nicht alle verstehen uns. Das ist auch dem ORF verdankt, der uns von Kind auf Ostsprachen lernen lässt, harhar!
Dennoch: Man sollte aus dem Dialekt keine Heilige Kuh machen. Bisweilen ist er in voller Ausprägung unpassend, kontraproduktiv, respektlos gegenüber dem Umfeld. Wir wissen eh, dass wir in Ö so schwer verständlich sind. Ich mag es bis heute nicht, wie Anita Wachter in den 1980ern im ORF bei bundesweiten Sendungen anfangs im breitesten Montafonerisch redete. Sorry, aber das ist schon ein härterer Slang als Feldkircherisch. Wenn jemand im Ländle dermaßen den Mundl oder Uwe-aus-Detmold heraushängen lässt, kommt das ja auch mäßig an.
Übrigens: Dass, wie man manchmal hört, Vorarlbergs Dialekte zu den beliebtesten Österreichs gehören, ist nicht unbedingt richtig. Im Vorjahr landeten wir in einer Umfrage unter 1500 Personen nur auf Platz 7! Ganz vorn lagen Kärntnerisch und Tirolerisch, hinter uns Wiener und Burgenländer.
Bisweilen wird Dialekt leider auch missbraucht, um zu spotten oder auszugrenzen. Als ich in den 1980ern infolge eines Umzugs aus Bregenz ans BORG Götzis wechselte, war das anfangs nicht easy. „Du redescht Bödeledütsch“, sagten Mitschüler. Wir wurden dennoch Freunde.
Später entwickelte ich einen wilden Mix aus Bregenzerisch, Vorderländisch und verwandtschaftsbedingt ein wenig Montafonerisch, zu dem in der Studienzeit eine Portion Tirolerisch kam. Vor Jahren hatte das ungute Folgen: Ich war mit einer Fußacher Freundin und einigen ihrer Kollegen am Dornbirner Christkindlemarkt. Einer von denen, ein Bank-Typ, konnte mich, den „Exilanten“ aus Wien, nicht leiden. Als wir in der Runde über Dialekte sprachen, zischte er plötzlich: „Mit dienem Dialekt tät i mi schäma!“ 
War ein ziemlicher Stich ins Herz. Der Typ war aber auch ein Füdla. Und vermutlich eifersüchtig.
Was Bettina Plank betrifft, so soll sie im ORF so weiterreden. So schwierig ischt as net. Und damit amol oh d’ Wianar eppas lernen!

Kommentare

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Ich bin Württembergerin aus Stuttgart - mein Vater Schwabe mit schwäbischem Dialekt und Hochdeutsch _Fähigkeit - meine Mutter Preussin reines Hochdeutsch . Ich habe einen Vorarlberger geheiratet . Was ich anfangs noch süß fand - den lustigen Vorarlberger Dialekt - finde ich heute peinlich und gerade auch - wegen dem Kult , der dort betrieben wird- auch dümmlich , im erweiterten Umgang mit Anderen aus anderen Regionen . Es ist unhöflich und ein Affront , wenn man in einer internationalen Gruppe nicht Hochdeutsch sprechen kann , sondern auf seinen regionalen starken Dialekt besteht , obwohl man nur von Einheimischen verstanden wird und der „ Fremde Piefke“ nicht mehr mit kommt - das ist keine Gesprächskultur . Ich kann mich in Israel mit einem Hebräischen Israeli besser auf Englisch unterhalten als mit einem 4 km entfernten Vorarlberger auf „ Ditsch „ , lebe im direkten Grenzgebiet und die Dialektsprache verhindert für mich auch Beziehungen .Im Montafon und Lustenau verstehe ich fast gar nichts mehr . Dialekt und Heimatpflege : ja , unbedingt . Aber auch die Fähigkeit , sich verständlich national und international ausdrücken zu können , ohne dass dein Gegenüber Rätseln muss . Dann reden wir lieber gutes Englisch statt Rätseln zu müssen in jedem Satz .